Geflüchteten-Initiative "Offen!" wehrt sich gegen CSU und AfD
München - Egal ob beim Friseur, beim Bäcker um die Ecke oder beim Bratwurststand auf dem Weihnachtsmarkt – vielerorts kann nur mit Bargeld bezahlt werden. Besonders dort, wo es tendenziell günstiger ist: etwa bei karitativen Läden oder auf Flohmärkten. Wie eine Studie der Deutschen Bundesbank zeigt, zahlt die Mehrheit der Deutschen auch nach wie vor am häufigsten mit Münzen und Scheinen.
Geflüchtete sind hingegen eingeschränkt: Mit der Bezahlkarte können pro Monat maximal 50 Euro in bar abgehoben werden, der Rest muss über die staatliche Debitkarte berappt werden.
Dobrindt (CSU) nennt Umtauschaktionen von Initiative in München "linke Umgehungs-Industrie"
Die Münchner Initiative "Offen!", die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzt, organisiert deshalb Tauschstellen, an denen Geflüchtete Supermarkt-Gutscheine gegen Bargeld einwechseln können. In München gibt es sechs solcher Stellen, im Rest Bayerns elf weitere. Die Helfer tauschen das Geld einmal die Woche – ehrenamtlich.

Der CSU-Landesgruppen-Vorsitzende Alexander Dobrindt wetterte kürzlich auf der Klausur im Kloster Seeon gegen diese "linke Umgehungs-Industrie". Die Tauschstellen sollen demnach unter Strafe gestellt und verboten werden. Das hatte im Herbst vergangenen Jahres bereits der Arbeitskreis der Juristen der CSU gefordert.
Bayerischer Flüchtlingsrat: "Bezahlkarte ist mutmaßlich verfassungswidrig"
Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat, die sich an der Initiative "Offen!" beteiligt, hält die Vorstöße für "armselige Angriffe auf die Zivilgesellschaft, die versucht, hier nachzubessern". Bürger, die bei den Tauschstellen Gutscheine kauften und so das Bargeld für die Geflüchtete bereitstellten, würden damit Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen.
"So, wie die Bezahlkarte in Bayern umgesetzt wird, ist sie mutmaßlich verfassungswidrig", sagt Grote. "Sie macht es nicht mehr möglich, das gesetzlich gegebene Existenzminimum damit zu erreichen."

Sehr wohl legal sei hingegen der Kartentausch, worauf der "Offen!"-Aktivist Matthias Weinzierl verweist. Erst Ende vergangenen Jahres hat auch die Staatsanwaltschaft Regensburg festgestellt, dass der Kartentausch keinen Straftatbestand erfüllt.
Weinzierl ärgert sich darüber, dass CSU und AfD nicht nur die Aktion, sondern auch die hilfsbedürftigen Menschen kriminalisieren würden: "Die Bezahlkarte stellt ein Narrativ auf, das alle Geflüchteten per se unter Verdacht stellt, mit dem Geld, das ihnen gesetzlich zusteht, nicht vernünftig umgehen zu können."
Unklar, wie viele Geflüchtete Sozialleistungen in die Heimat schicken
Verlässliche Zahlen, wie viele Geflüchtete Teile ihrer Sozialleistungen ins Ausland überweisen, gibt es jedenfalls nicht. Nach Schätzungen der Bundesbank wurden im Jahr 2023 (vor der Bezahlkarte) 830 Millionen Euro in Asylherkunftsländer überwiesen – das sind zwölf Prozent der gesamten Rücküberweisungen ins Ausland, deren Löwenanteil in die Heimatländer europäischer Arbeitsmigranten ging.
Laut Bundesbank dürfte der größte Teil der Rücküberweisungen in Asylherkunftsländer von Geflüchteten stammen, die in Deutschland einen Job gefunden haben und somit genug Geld verdienen, um einen Teil zurückzuschicken.
Inwiefern die Bezahlkarte Geflüchtete abschreckt, nach Deutschland zu kommen, ist bislang ebenfalls unklar. 2024 ist zwar die Zahl der Asylanträge im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent gesunken, dabei handelt es sich allerdings um einen EU-weiten Trend.
Geflüchtete müssen nach stundenlangem Warten ohne Bargeld nachhause
Die Schäden durch die Bezahlkarte zeigen sich hingegen schon jetzt. Antonia Veramendi, Schulleiterin der Internationalen Montesorischule München, berichtet davon, dass Kinder durch die Bezahlkarte das Gefühl hätten, nicht die gleichen Rechte zu haben. Auch Taschengeld gebe es keins: "Beim Schulausflug in den Zoo können sich die Kinder nicht einmal ein Eis kaufen", sagt Veramendi.
Wie sehr das zusätzliche Bargeld benötigt wird, zeigt sich auch an dem "immensen Andrang" an den Tauschstellen, von dem Lara Winter, eine der ehrenamtlichen Helferinnen, berichtet: 80 bis 100 Menschen kommen demnach pro Woche und stehen meist zwei bis drei Stunden an – selbst im Winter.
Nicht immer hätten sie genügend Bargeld da, weshalb manche der Geflüchteten mit leeren Händen wieder nach Hause gingen. Mütter, Kranke und Alte würden daher zuerst an die Reihe kommen. "Wir machen eine aussichtslose Lage ein bisschen weniger aussichtslos", sagt Winter. Aber: "Wir hätten in unserer Freizeit Besseres zu tun, als Gutscheine zu tauschen."