Update

Wie Aktivisten aus München die Bezahlkarte umgehen: Auch FCB-Südkurve macht mit

Nur 50 Euro bar jeden Monat gestattet Markus Söder Geflüchteten. Aktivisten wollen nun helfen, die Bargeldgrenze mit einem Gutscheintausch zu umgehen.
Jan Krattiger
Jan Krattiger
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
134  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Sieht aus wie eine normale Bankkarte, kann aber viel weniger: Mit der Bezahlkarte können Geflüchtete innerhalb einer gewissen Region bezahlen und monatlich 50 Euro abheben.
Sieht aus wie eine normale Bankkarte, kann aber viel weniger: Mit der Bezahlkarte können Geflüchtete innerhalb einer gewissen Region bezahlen und monatlich 50 Euro abheben. © Philipp von Ditfurth/dpa

München – Nur 50 Euro erhalten Geflüchtete in München seit der Einführung der Bezahlkarte monatlich in bar (AZ berichtete). Das restliche Geld können sie nur über direkte Kartenzahlung nutzen oder per Überweisung, die jeweils abgenickt werden muss.

"Solidarische Hilfestellung" von Münchner Aktivisten gegen die Bargeldgrenze

Dass diese 50 Euro gerade in einer teuren Stadt wie München viel zu wenig sind, finden nicht nur Politiker von fast allen Fraktionen im Stadtrat, sondern auch Aktivisten wie Matthias Weinzierl. Der Mitbegründer des Kulturzentrums Bellevue di Monaco hat darum den "Kartentausch" nach München geholt. Das ist ein einfaches, auf Solidarität basierendes System, wie diese neue, monatliche Bargeldgrenze umgangen werden kann.

Hat die Gutscheintausch-Idee nach München gebracht: Matthias Weinzierl, Aktivist der Gruppe "Offen bleiben!" und Mitgründer des Bellevue di Monaco.
Hat die Gutscheintausch-Idee nach München gebracht: Matthias Weinzierl, Aktivist der Gruppe "Offen bleiben!" und Mitgründer des Bellevue di Monaco. © Daniel von Loeper

Das funktioniert so: Geflüchtete kaufen mit ihrer Bezahlkarte in einem Laden (zum Beispiel im Supermarkt oder im Drogeriemarkt) einen Gutschein. Den können sie dann bei teilnehmenden Organisationen gleichwertig in Bargeld umtauschen. Münchner, die sich solidarisch zeigen wollen, sollen diese Gutscheine dann kaufen und damit einkaufen gehen. "Beide Seiten haben weder einen Gewinn noch einen Verlust dadurch", sagt Weinzierl. "Es ist eine ganz solidarische Hilfestellung."

Aktivist Matthias Weinzierl brachte die Idee nach München

Im August war der Startschuss für die Aktion im Bellevue di Monaco, mehr Verteilstellen sollen noch dazu kommen. "Die Idee ist, dass wir Menschen helfen wollen, ihren Alltag einfacher zu gestalten", sagt Weinzierl zu seiner Motivation, den Kartentausch hier anzubieten.

Ende September erhält die Initiative weiteren prominenten Zulauf: Die Südkurve des FC Bayern macht mit und organisiert die Gutscheintauschaktion jeweils bei Heimspielen: "Ihr habt am Treffpunkt am Südkurvenplatz die Chance, auf einfachem Weg einen echten Unterschied im Leben von geflüchteten Menschen in Bayern zu machen, Solidarität zu zeigen und dieser Diskriminierung etwas entgegenzusetzen", schreibt die Südkurve in einer Mitteilung. 

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Die Bargeldgrenze von 50 Euro sei für viele Geflüchtete im Alltag ein Problem. "Mit der Bezahlkarte kann man nicht in allen Geschäften einkaufen, zum Beispiel bei den kleinen Gemüsehändlern oder Afroshops im Bahnhofsviertel", sagt Weinzierl. "Die sind oft auch billiger, man kann aber nicht mit Karte zahlen."

Auch das städtische Sozialreferat weist auf AZ-Anfrage auf diese Problematik hin: "Die Beschränkung auf 50 Euro Bargeld pro Person haben wir vor Einführung der Bezahlkarte kritisiert", so ein Sprecher. Es gebe viele Bereiche, wo die Karte nicht akzeptiert wird, wie kleine Supermärkte, "aber auch gerade für Kinder, wenn es um Leistungen für Bildung und Teilhabe geht."

Rund 4600 Geflüchtete in Bayern haben eine Bezahlkarte

Die Idee für den Tausch kommt laut Weinzierl aus Hamburg: "Da wurde die Bezahlkarte schon früher eingeführt und den Bargeldtausch gibt es schon seit einigen Monaten", sagt er. Und er erhofft sich auch weitere Nachahmer in anderen Kommunen in Bayern.

Ende Juni hat der Münchner Stadtrat die Einführung der Bezahlkarte abgenickt. Weil der Freistaat alle bayerischen Kommunen dazu verpflichtet hat, muss auch die Stadt die Karte einführen. Rund 4600 Geflüchtete ab 14 Jahren bekommen sie ausgehändigt. Geflüchtete aus der Ukraine und solche, die zum Beispiel in Pflegeheimen sind, sind ausgenommen.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

In der Ausgestaltung der Karte gibt es zwar einige Freiheiten für die Kommunen, die betreffen aber nicht den maximalen monatlichen Bargeldbetrag von 50 Euro. Außerdem können Geflüchtete die Karte nur in der Stadt und den angrenzenden Landkreisen benutzen. Überweisungen müssen erst bei den Behörden per E-Mail beantragt werden, bevor sie freigeschaltet oder abgelehnt werden.

Für Matthias Weinzierl ist derweil klar, dass die Bezahlkarte für Geflüchtete erst der Anfang sein könnte. "Sie ist auch ein Feldversuch", sagt er. "Man kann sich schon ausmalen, dass es auch andere Gruppen betreffen kann, zum Beispiel Bürgergeldempfänger."

Das Ziel der Bezahlkarte ist es laut Freistaat, zu verhindern, dass Geflüchtete Geld in ihre Heimatländer schicken oder davon Schlepper bezahlen. Migrationsexperten und Verbände wie der Flüchtlingsrat zweifeln an dieser Wirkung.


Auf ihrer Webseite informiert die "Offen Kampagne München" über Standorte, wo Gutscheine getauscht werden können. 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
134 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Sternschnuppe am 02.10.2024 08:01 Uhr / Bewertung:

    Ich frage mich, was der Irrsinn jede Überweisung extra zu prüfen an zusätzlichen Verwaltungsaufwand bringt/kostet.Was für Probleme, Nachteile, Stigmatisierung die Menschen erleiden, wenn dies nicht rechtzeitig passiert. Die vielen tollen Kommentare mit dem 50€ Notgroschen im Geldbeutel, zeigt das viele zu privilegiert sind, die Problematik zu verstehen. Flüchtlinge müssen mit sehr wenig Geld auskommen, noch unter Bürgergeldnivau. Arme Menschen sind vorallem auf second Hand Märkte, Nachbarschaftsforen, ebay Kleinanzeigen, kleine Läden und günstige Angebote angewiesen, dort schon mal mit Karte bezahlt? Oder in der Schule Kopiergeld etc.? Was bedeutet dies für die Integration und das Erlernen im Umgang mit Geld ins Besondere von Kindern und Jugendlichen, die man nicht mit Karte und der einzigen Existenzgrundlage losschicken kann z. B. zum Einkaufen.und verführt das diese nicht erst Recht zu Diebstählen. Vor kurzen erst war das ganze Kartensystem zusammen gebrochen und dann?

  • Der wahre tscharlie am 30.09.2024 18:50 Uhr / Bewertung:

    In diesen Zeiten ist Solidarität wichtiger denn je.

  • Boandl_kramer am 28.09.2024 12:10 Uhr / Bewertung:

    Die Stadt München fördert mit Steuergeldern Organisationen wie Bellevue die Monaco, die zum Unterlaufen geltenden Rechts aufrufen und anleiten.

    Ist das förderrechtlich überhaupt zulässig?

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.