"Adolf, bitte melde Dich": So rechtsextrem sind Teile der AfD im Bayerischen Landtag

Zwei Drittel der neuen AfD-Fraktion im Landtag werden als stramm rechts verortet. Was man über die Abgeordneten in Bayern weiß.
Ralf Müller,
Natalie Kettinger
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
70  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der AfD-Politiker Daniel Halemba (l.) kommt, nach seiner vorübergehenden Verhaftung, zur Plenarsitzung des Bayerischen Landtags. Vorne: AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner.
Der AfD-Politiker Daniel Halemba (l.) kommt, nach seiner vorübergehenden Verhaftung, zur Plenarsitzung des Bayerischen Landtags. Vorne: AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner. © Angelika Warmuth/dpa

München - Mit der vorübergehenden Verhaftung des unterfränkischen AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba und dem Frontalangriff ihrer Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner in ihrem Debüt als Oppositionsführerin hat die AfD im Bayerischen Landtag bereits einen denkwürdigen Start hingelegt. Und viele der neuen AfD-Abgeordneten bringen eine politische Vita mit, die erwarten lässt, dass es in diesem Stil weitergeht.

Überwiegend Kandidaten des AfD-"Flügels" setzen sich in Bayern durch

Im Grunde tobt in der bayerischen AfD seit jeher ein Machtkampf zwischen den Anhänger des formal aufgelösten "Flügels" des thüringischen Rechtsauslegers Björn Höcke und den anderen, die mangels anderweitiger griffiger Labels als "gemäßigt" bezeichnet werden. In den Aufstellungsversammlungen der einzelnen Regionen Bayerns haben sich überwiegend die "Flügel"-Leute durchgesetzt und dementsprechend ist die Personalstruktur der neuen AfD-Fraktion ausgefallen.

Während in der alten Fraktion die Rechten noch knapp die Oberhand gegenüber den ganz Rechten behielten, ist das Personaltableau der neuen AfD-Mannschaft klar ausgerichtet. So erhielt die Fraktionsvorsitzende Ebner-Steiner bei ihrer Wahl 27 von 32 Stimmen. Die 55-Jährige gilt sogar als "Vertraute" von Höcke und hat in den vergangenen fünf Jahren harte Auseinandersetzungen mit den "Nicht-Höckes" in den eigenen Reihen ausgetragen.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Vor allem junge AfD-Abgeordnete sind Mitglied von Burschenschaften

Beobachter schätzen, dass in der neuen Fraktion 19 bis 22 Anhänger des stramm rechten Kurses sitzen, also klar die Mehrheit der auf 32 Mitglieder angewachsenen Gruppe. Einige der wiedergewählten und etliche der neuen AfD-Mandatsträger haben schon bewiesen, dass sie nach Rechtsaußen ziemlich offen sind. Es fällt auf, dass ein nicht geringer Teil der Jungen Mitglieder von Burschenschaften sind, die nicht selten am ganz rechten Rand operieren.

Das gilt für die Münchener Burschenschaft "Danubia", die als rechtsextrem eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der oberbayerische Abgeordnete Benjamin Nolte ist dort aktiv. Schlagzeilen machte der heute 41-Jährige, als er einst einer anderen Burschenschaft symbolisch eine Banane überreichte, weil diese ein dunkelhäutiges Mitglied aufgenommen hatte. Seither trägt er den Spitznamen "Bananen-Nolte".

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AfD-Abgeordneten Daniel Halemba wegen Volksverhetzung

Des Rechtsextremismus zumindest verdächtig ist auch die Würzburger Burschenschaft Teutonia Prag, welcher der jüngste vorübergehend festgenommene AfD-Abgeordnete Daniel Halemba angehört. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt gegen ihn und weitere Mitglieder der Burschenschaft wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen.

Bei einer Polizei-Razzia im Corpshaus wurden im September Gegenstände mit Symbolen der NSDAP, rassistische Aufkleber und Schriften gefunden. Nachbarn berichteten von "Sieg Heil"-Rufen bei Feiern der Teutonia.

Bereits dem vergangenen Landtag gehörte der schwäbische Abgeordnete und Rechtsanwalt Christoph Maier als Parlamentarischer Geschäftsführer an, der sich der Burschenschaft Sudetia verbunden fühlt. Aus seiner Sicht wird in Deutschland an einem "linksradikalen Plan zur Abschaffung des deutschen Volkes durch Masseneinwanderung" gearbeitet. Auf seine Einladung kamen Burschenschafter der Danubia in den Landtag, die sich dort mit dem rassistischen "White Power"-Zeichen ablichten ließen, was für einen gehörigen Skandal sorgte.

AfD-Abgeordneter Matthias Vogler bei Wahl zum Vizepräsidenten gescheitert

Höchst eigenwillige Thesen vertrat in der Vergangenheit die neue AfD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Krankenschwester Ramona Sturm aus Aschaffenburg. Laut Medienberichten hält sie Kohlendioxid nicht für ein Treibhausgas und mag sich auch kein abschließendes Urteil darüber anmaßen, ob die Erde nicht doch eine Scheibe sei.

Der Nürnberger AfD-Parlamentsneuling Matthias Vogler zeigte 2018 Flagge, als er von der Tribüne des Bundestags aus ein Transparent mit der Aufschrift "Merkel muss weg" entrollte und daraufhin des Hohen Hauses verwiesen wurde. Im Landtag scheiterte er als AfD-Kandidat für einen der Vizepräsidentenposten. Vogler erhielt nicht einmal alle Stimmen seiner eigenen Fraktion.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Verliert die AfD wieder Abgeordnete, sind die Grünen Oppositionsführer

Eine einschlägige Vorgeschichte weist auch die neue Nürnberger Abgeordnete Elena Roon auf. Die Russlanddeutsche soll in einer internen WhatsApp-Chatgruppe Bilder von Adolf Hitler mit dem Kommentar "Vermisst seit 1945" und "Adolf, bitte melde Dich! Deutschland braucht Dich!" verbreitet haben.

Nachgerückt ist 2022 der niederbayerische Zahnarzt Oskar Atzinger, der auch der neuen AfD-Fraktion angehört. Mit seiner Erstlingsrede vor dem Plenum hatte er unverzüglich Zeichen gesetzt, die bei den anderen Fraktionen für Entsetzen sorgten. Kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nannte er den Konflikt "Folge einer expansiven Politik der Nato, die die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands ignoriert".

Trotz allem hat es dem Wähler gefallen, die AfD bei der vergangenen Landtagswahl mit 14,6 Prozent knapp vor den Grünen zur stärksten Oppositionsfraktion zu machen. Allerdings ist ihr Vorsprung hauchdünn. Sollte die AfD auch nur einen Abgeordneten durch Austritt verlieren, käme die Funktion der Oppositionsführerin wieder der Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze zu.

Die Weichen dafür hat eine Änderung der Geschäftsordnung bereits gestellt: Künftig ist die aktuelle Fraktionsstärke und nicht mehr die Zahl der Abgeordneten in der konstituierenden Sitzung des Parlaments dafür entscheidend, wer sich Oppositionsführer nennen darf. In der vergangenen Legislaturperiode hat sich die AfD-Fraktion immerhin um fünf auf 17 Mitglieder reduziert.

Geheime Hoffnungen der Grünen könnten auf dem oberbayerischen Metzgermeister Franz Bergmüller ruhen, einem entschiedenen Gegner von AfD-Fraktionschefin Ebner-Steiner. Der 58-Jährige, der gegen das Rauchverbot in Gaststätten zu Felde gezogen war, war von der AfD Bayern aus der Partei ausgeschlossen worden und hatte dagegen erfolgreich vor Gericht geklagt. Jetzt gehört er erneut der AfD-Landtagsfraktion an und Beobachter fragen sich, wie lange das gut geht.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch


Politikwissenschaftler Dr. Martin Gross: "Skandale dieser Art nutzen der AfD"

AZ: Herr Gross, es war bekannt, dass gegen den AfD-Politiker Daniel Halemba unter anderem wegen Volksverhetzung ermittelt wird. Warum wird so jemand trotzdem gewählt?
MARTIN GROSS: Zum einen überschätzt man in vielen Fällen, wie gut Wählerinnen und Wähler tatsächlich über Kandidatinnen und Kandidaten informiert sind. Nur weil die Ermittlungen in der medialen Öffentlichkeit bekannt waren, bedeutet dies nicht, dass dieser Sachverhalt auch allen Wählerinnen und Wählern bekannt war. Zum anderen – und aus meiner Sicht viel entscheidender – sehen wir in den letzten Jahren zunehmend, dass persönliche Verfehlungen von Kandidatinnen und Kandidaten für viele Wählerinnen und Wähler kein Grund mehr sind, eine Person nicht mehr zu wählen, sondern sie vielmehr aus genau diesem Grund zu wählen – insbesondere, wenn man das Verfahren an sich bereits als politisch motiviert ansieht.

Dr. Martin Gross ist habilitierter Politik- und Verwaltungswissenschaftler sowie Akademischer Rat auf Lebenszeit am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU München.
Dr. Martin Gross ist habilitierter Politik- und Verwaltungswissenschaftler sowie Akademischer Rat auf Lebenszeit am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU München. © Fotowerk Heyde

Nutzen Skandale wie dieser also den Rechtspopulisten?
Ja, Skandale dieser Art nutzen der AfD. Die Empörung der politischen Konkurrenz wird von Rechtspopulisten als weiteres Indiz dafür verwendet, dass das – in ihrem Sprech – "Kartell der Altparteien" weiterhin zusammenhält und den eigenen Aufstieg behindert. Die AfD kann sich somit auf ihre bevorzugte Rolle, die sie auch am besten spielt, zurückziehen: die Opferrolle.

"Parteien müssen parteiübergreifend definieren, was die Grenze des Sagbaren ist"

Die AfD ist nun Oppositionsführerin im Bayerischen Landtag. Wie wird sich das parlamentarische Geschehen verändern?
Der Ton im Landtag wird rauer werden, es werden noch mehr Aussagen getätigt werden, die von den anderen Parteien mit Empörung aufgenommen werden und auf die dann wiederum reagiert wird. Als sogenannte "Oppositionsführerin" – ein Titel, den es offiziell gar nicht gibt – hat die AfD das Recht der ersten Gegenrede zur Staatsregierung und wird dieses Recht nutzen, um den Ton in der anstehenden Landtagsdebatte zu setzen. Je nach Äußerung sind dann die anderen Parteien fast schon gezwungen, darauf zu reagieren und damit die eigenen Punkte, die man eigentlich setzen wollte in der Debatte, aus den Augen zu verlieren.

Was raten Sie den anderen Parteien, um dem entgegen zu wirken?
Sie müssen klar für sich, aber auch parteiübergreifend, definieren, was die Grenze des Sag- und Tolerierbaren im Landtag ist. Man muss nicht auf jede Provokation der AfD eingehen. Aber es gibt Themen, Thesen und Äußerungen, die im Landtag fallen, auf die man reagieren muss, um die Würde des Parlaments und den Anstand im demokratischen Diskurs zu wahren und deutlich zu machen, dass sich einige politische Akteure außerhalb dieses Diskurses bewegen und mit einem solchen Verhalten und solchen Ansichten keine Vertretung der bayerischen Bevölkerung im Landtag sein dürften.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
70 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Judgechaos am 04.11.2023 16:55 Uhr / Bewertung:

    Der Hinweis eines Teilnehmers auf die 3 Polizisten in der AFD ist gut, denn dazu mein Senf den ich geben kann. Wer setzt die Anweisungen einer Diktatur um? Polizisten, Richter und Co. 3 Reich , DDR, Iran, überall, egal wann und wo. Daher ist die Parteizugehörigkeit doch erschreckend.Oder denkt jemand dass bei einer Machtübernahme der AFD politische Gegner nicht unterdrückt werden? Erfüllungsgehilfen sind somit schon in der Partei integriert und haben ihre Seilschaften bereits aufgebaut . Es gibt da einen ,,schönen,, Aufkleber eines NS Versand: Nacab ... Not all cops are Bastards, denn die rechtsradikalen stehen auf staatlichen Polizeiterror und verherrlichen die NS Polizei.

  • Boettner-Salm am 04.11.2023 15:19 Uhr / Bewertung:

    Selbst wenn man jeden Tag hier einen Artikel gegen die AFD bringt, und einen "Experten" nach dem anderen zu Wort kommen lässt, die Stimmung ist so wie sie ist. Es liegen viele Dinge im Argen, besonders beim Thema Nr.1. Dies wirklich zu ändern traut man eben den "Alt"-Parteien nicht zu.
    Die nächsten Wahlen werden es zeigen das immer mehr dies genauso sehen.

  • Hanswurst am 04.11.2023 19:48 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Boettner-Salm

    "Es liegen viele Dinge im Argen, besonders beim Thema Nr.1. Dies wirklich zu ändern traut man eben den "Alt"-Parteien nicht zu."
    Ich unterstelle mal, Ihr Thema Nr.1 sind die Flüchtlinge. Wer, ausser der AfD behauptet eigentich ständig, dass das das wichtigste Thema sei?
    Ich wohne in der Messestadt, viele Ausländer, Unterkünfte für Asylbewerber, auf dem Messeparkplatz Bierzelte für die Ukrainer. Bei meinem Sportverein spricht man Englisch, damit die Ukrainer integriert werden. Alles gut.
    Mein Lieblingsthema ist die Radinfrastruktur, damit meine Familie sich trotz eigenem Auto, sicher mit dem Rad in München bewegen kann.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.