Enttäuschendes Taufzeugnis: Lesbische Liebe bleibt eine "Randnotiz"
Für Hanna Gruber (Name geändert) steht ihr Wunschkind an erster Stelle. Im Taufzeugnis ihrer Tochter steht sie selbst dagegen ganz unten. Wie eine "Randnotiz" oder wie eine Art "Fußzeile", so empfindet sie es.
Sperrige Beischreibung
Nach dem Namen des Kindes listet das Dokument auf: Vater, Mutter, Taufspender, Taufpate. Dann folgt eine letzte Zeile mit der sperrigen Formulierung "Beischreibungen: weiteres gesetzliches Elternteil". Und dort steht Hanna Grubers Name. Warum? Das Herz der 32-Jährigen gehört einer Frau, sie haben offiziell Ringe getauscht und wünschten sich ein Kind.
Langer Weg der Adoption
Ihre Ehefrau (33) hat das mittlerweile eineinhalb Jahre alte Mädchen mithilfe einer Samenspende geboren. Die Oberbayerinnen mussten sodann den langen Weg der Adoption einschlagen, um gleichwertige Mütter zu werden. Bei einem heterosexuellen Ehepaar wäre das nicht nötig gewesen, es gilt: Wird ein Kind in eine Ehe geboren, ist rechtlich automatisch der Ehemann als Vater anerkannt. Ob das nun biologisch zutrifft oder nicht.
Ein feiner, schmerzhafter Unterschied
Im Taufzeugnis tut sich nun wieder ein feiner Unterschied für das lesbische Paar auf. Einer, der schmerzt. Egal, wie dick ihr Fell mittlerweile schon ist. So sagt sie es. In der ersten Version stand ausschließlich Grubers Partnerin als rechtliche Mutter, weil die Adoption noch nicht abgeschlossen war.
Ein kleiner Schritt seitens der Kirche
Als dies der Fall war, bot das Erzbischöfliche Matrikelamt München an, Gruber nachträglich ins Taufzeugnis einzutragen. Der Brief sei wohlwollend und nett gewesen. Ein kleiner Schritt, den sie durchaus wertschätzt. Als sie die zweite Version in Händen hielt, war sie dennoch enttäuscht. Gruber steht nicht neben oder unter ihrer Ehefrau als gleichwertige Mutter, sondern am Ende des Papiers. Wie hinzugeflickt ins Leben ihres Kindes.
Die Zeile des Vater blieb leer
Es fühle sich an, als würde man angeschossen, beschreibt es Gruber der AZ drastisch. "Man fragt sich immer: Ist unsere Familie wirklich so weit weg von der Norm? Können wir nicht Familie sein? Ist es wirklich nicht möglich, den Vater im Dokument durch eine zweite Mutter zu ersetzen?" Die Zeile des Vaters ist ohnehin leer geblieben.
Das kirchliche Formular sieht keine zwei Mütter vor
Der Münchner Priester Wolfgang Rothe - ein Verfechter queerer Rechte - hatte das Mädchen im Juli in München getauft. Schon damals stand die Befürchtung im Raum, dass die Formalien Probleme machen könnten. Denn bei der Anmeldung der Taufe ließ sich das Formular nicht in zwei Mütter ändern. Die einzige Option: Mutter und Vater. Eine der Frauen schrieb sich bei Mutter ein, die andere zwangsläufig an der Stelle des Vaters.
Der Priester hat gemischte Gefühle
Taufspender Rothe hat bei der nachträglichen Anpassung durch die Katholische Kirche gemischte Gefühle, wie er der AZ sagt: "Es ist zunächst ein positiver Schritt, dass die zweite Mutter von der Kirche wahrgenommen worden ist - aber noch nicht als das, was sie ist: als Mutter." Er hoffe darauf, dass irgendwann nicht nur ein Ansatz der Realität, sondern die volle Realität von der Kirche wahrgenommen werde.
Wie sieht es bei Adoptivvätern aus?
Die AZ hat bei der Erzdiözese München und Freising nachgefragt. Eine Sprecherin bestätigt, dass bei lesbischen Paaren - sofern das Kind adoptiert wurde - die zweite Mutter unter "Beischreibungen" gefasst wird. Gegenfrage: Wie sieht es bei Adoptivvätern aus? Diese landen nicht unten am Rand des Taufzeugnisses, sondern sie wer den oben in der Spalte "Vater" eingetragen.
"Hintergrund ist, dass es eine Zeile für ‚Mutter' und eine für ‚Vater' gibt", lautet die Erklärung der Sprecherin. Auf die erneute Nachfrage, warum sich keine zweite Mutter einfügen lässt, heißt es nur: "Es gibt wie gesagt eine Zeile für ,Mutter' und eine für ,Vater'. Und die Möglichkeit der ‚Beischreibung'."
15 lesbische Elternpaare im Taufbuch
Insgesamt wurden der Sprecherin zufolge im Taufbuch der Erzdiözese bisher rund 15 Fälle lesbischer Elternpaare verzeichnet. Ein offizielles Taufzeugnis, wie man es etwa für die Anmeldung zur Erstkommunion braucht und wie es Gruber angefordert hat, wurde bisher zwei Mal ausgefertigt.
Gruber sieht nicht nur die Kirche in der Pflicht und nimmt sie fast etwas in Schutz: "Kann ich von der Katholischen Kirche aktuell mehr erwarten, als es uns der Gesetzgeber gerade einräumt?" Sie spielt damit auf das Abstammungsrecht an.
Eigentlich sollte sich die Gesetzeslage ändern
Zur Erinnerung: Die Ampelkoalition hatte sich vorgenommen, die Gesetzeslage zu ändern und an heterosexuelle Paare anzugleichen: Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, soll auch dieses Kind ohne Adoption automatisch das Kind der zweiten Frau sein. Der Entwurf wurde im Sommer noch für dieses Jahr angedacht - das klappt offenbar nicht. Mittlerweile "strebe" man ihn für 2023 an. Das teilt das Bundesjustizministerium der AZ auf Nachfrage mit.
Forderung nach mehr Sichtbarkeit
Gruber will generell lesbische Paare und Familien sichtbar machen. "Ich finde es auch für unsere Tochter wichtig, dass sie am Taufzeugnis sieht, dass ihre Mamas viel gekämpft haben, um anerkannt zu werden. Viele Menschen vor uns haben für uns gekämpft und uns den Weg geebnet, damit wir so frei und offen leben können. Wir kämpfen jetzt kleine, bürokratische Kämpfe."
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