Markus Söder pocht bei Maischberger auf Richtlinienkompetenz gegenüber Aiwanger: "Ich bin der Ministerpräsident"
Bei einem denkwürdigen Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten in der ARD-Talkshow "Maischberger" offenbarten sich deutliche Differenzen zwischen Markus Söder (CSU) und seinem Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Besonders bei der aktuellen Diskussion um die Reform der Schuldenbremse kristallisierten sich deutliche Unterschiede zwischen den zwei Parteichefs heraus.
Bereits am Anfang des Interviews machte Söder gegenüber Moderatorin Sandra Maischberger klar: "Ich bin der Ministerpräsident und natürlich derjenige, der die Richtlinien bestimmt." Eine "Aufweichung" der Schuldenbremse löse die aktuellen Probleme der Bundespolitik nicht, wie der CSU-Parteivorsitzende betonte. Diese seien wiederum durch die Ampelregierung selbst verschuldet. Als die Energiekrise in Deutschland durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausbrach, hätte die Bundesregierung – ähnlich wie bei der Coronapandemie – eine Notlage ausrufen können. "Das hat Bundesfinanzminister Lindner allerdings abgelehnt."
Söder bei "Maischberger": "Kombination von Bürgergeld und der Migrationspolitik" grundlegend falsch
Paroli dazu bietet Bayerns stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister. Hubert Aiwanger signalisierte bereits vor der Talkshow, dass man die Schuldenbremse nicht einhalten könne. Sonst wären ihm zufolge drastische Einschnitte in der Sozialpolitik notwendig. Der Chef der Freien Wähler machte darauf aufmerksam, dass dem Freistaat auch noch Fördermittel des Bundes in Höhe von 1,3 Milliarden Euro fehlen würden. Diese sollten unter anderem in den Ausbau von Wasserstoff- und Mikroelektronikprojekten fließen.
Angesprochen auf diesen abgängigen Milliardenbetrag verwies Söder auf die – seiner Ansicht nach – starke Investitionsbereitschaft Bayerns. "Wir schaffen das, wir machen das." Wie die Finanzlücke in Bayern dann schlussendlich gefüllt werden soll, könne Söder allerdings noch nicht sagen. "Ich weiß nicht, was der Bund am Ende vorschlägt", stellte er im rund 22 Minuten langen ARD-Interview fest.
Statt bei den Projekten der Länder einzusparen, empfiehlt der Ministerpräsident Kürzungen beim Gebäudeenergiegesetz und beim Bürgergeld. Die "Kombination von Bürgergeld und der Migrationspolitik" sei grundlegend falsch. Außerdem bräuchte es eine andere Energiepolitik. "Wir brauchen wieder eine eigene grundlastfähige Energieerzeugung", erklärt Söder weiter. Dann könnte auch weniger Strom aus dem Ausland bezogen werden.
Gespaltenheit innerhalb der Union
Weitere Investitionen würden allerdings laut dem CSU-Chef aufgrund der hohen Zinslast an den kommenden Generationen haften bleiben. "Das halte ich für falsch." Die aktuellen Probleme durch "Staatsinterventionismus" lösen zu wollen, sei auf Dauer kein erfolgreiches Vorgehen. "Das hilft vielleicht zwei bis drei großen Konzernen, aber unser Land lebt vom Mittelstand."
Söders Haltung zeigt auch die Gespaltenheit innerhalb der Union. Die CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, Rainer Haseloff und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, haben im Gegensatz zum bayerischen Staatsvertreter bereits ihre Offenheit für Gespräche um die Reform der Schuldenbremse signalisiert.
Aus Söders Perspektive sei allerdings nicht die Schuldenbremse das Hauptproblem, sondern die "geschwächte" Ampelregierung. "Ich glaube, dass die Ampel und alle beteiligten Personen innerlich verbraucht sind." Söder erinnert das an die Weimarer Republik, wie er Maischberger erzählt. Auch damals sei die Regierung gescheitert. Jedoch nicht aufgrund des Erstarkens der rechten Kräfte, sondern wegen dem Schwächeln der demokratischen Parteien.
Söder: "So kommt Deutschland nicht aus dieser Krise"
Bei der Regierungserklärung zur Haushaltslage am Dienstag hätte Olaf Scholz (SPD) noch als "angeschlagener Boxer in den Ring steigen" können, wie der CSU-Vorsitzende meint. Seine Erklärung hätte allerdings eher wie eine "Trauerrede" gewirkt. "Ich hatte das Gefühl, der Deutsche Bundestag sollte narkotisiert werden." Dabei bemängelt der Ministerpräsident auch die Geschlossenheit innerhalb der regierungsbildenden Parteien. Jeder müsse "kämpfen", dass seine Partei am Leben bleibt. "So kommt Deutschland nicht aus dieser Krise."
Deshalb fordert der Spitzenpolitiker Neuwahlen, auch wenn das möglicherweise den Aufschwung der AfD weiter befeuern könnte. "Man kann sich ja nicht nur aus Angst vor der AfD, Demokratie nicht trauen." Zwar könne man sich durchaus überlegen, nochmal ein "Pflaster" über die Wunden der Ampelkoalition zu kleben. "Das hält aber nicht", betont der 56-Jährige. "Ich prognostiziere, dass die Regierung nicht mehr die Kraft finden wird."
Es ist nicht das erste Mal, dass die Meinungen der Freien Wähler und der CSU in Bayern deutlich auseinanderklaffen. In Hinblick auf die Europawahl 2024 hatte Aiwanger den Christsozialen auf der Plattform X, vormals Twitter, bereits "Wählertäuschung" vorgeworfen. Bei der vergangenen Europawahl hätte die CSU demzufolge damit geworben, dass der damalige Spitzenkandidat Manfred Weber Bayern stark in Europa vertrete. EU-Kommissionspräsidentin ist letztlich aber Ursula von der Leyen (CDU) aus dem Stimmkreis Hannover geworden.
Trotz der gelegentlichen Auseinandersetzungen arbeite man in der Bayern-Koalition gut zusammen, wie Söder berichtet. Dabei habe er allerdings ein Auge auf die Freien Wähler und deren Parteivorsitzenden. Auch, weil der Landtagswahlkampf, wie Söder rekapituliert, neben der Migrationspolitik auch von der Flugblatt-Affäre um Aiwanger dominiert wurde.