Flugblatt-Affäre – Hubert Aiwanger wird bei Markus Lanz laut und brüllt: "Das war eine Lüge"

Einen Tag nach Ministerpräsident Markus Söder darf auch sein Vize Hubert Aiwanger bei Markus Lanz über Wirtschaft, Migration und seine Ambitionen bei der Bundestagswahl reden. Die Zeichen stehen von Anfang an auf Krawall, denn Lanz hat nicht nur Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eingeladen, sondern auch den Journalisten Roman Deininger (SZ), der an den Recherchen zur Flugblatt-Affäre um den niederbayerischen Politiker mitwirkte. Komplettiert wurde die Runde durch Michael Bröcker (Chefredakteur "The Pioneer") und Güner Balci (Integrationsbeauftragte Berlin-Neukölln).
Viktoria Hausmann |
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Hubert Aiwanger war am Donnerstagabend zu Gast bei Markus Lanz.
Hubert Aiwanger war am Donnerstagabend zu Gast bei Markus Lanz. © ZDF

Wenn Hubert Aiwanger von sich in der dritten Person spricht ("Der Aiwanger") ist die Lage ernst. Der Freien Wähler-Chef benutzt diesen rhetorischen Kniff immer, wenn er sich stark angriffen fühlt. In der ZDF-Talkrunde am Donnerstagabend, in der Markus Lanz, ähnlich wie seine Kollegin Sandra Maischberger vor kurzem, noch einmal die Flugblatt-Affäre wieder aufrollt, benutzt der stellvertretende bayerische Ministerpräsident dieses Stilmittel ständig.

Nicht nur der Moderator, auch die drei Gäste gehen Aiwanger scharf an. Dieser verteidigt sich mit "Ist das hier ein Benimmkurs für den Aiwanger?" "Nehmen sie das zur Kenntnis, dass der Aiwanger ist wie er ist" oder "Sie wollten dem Aiwanger eine mitgeben."

Soll der Niederbayer einfach an den Pranger gestellt werden? Oder hat Lanz vielleicht etwas ganz anderes vor?

Am Donnerstagabend waren Michael Bröcker (Chefredakteur "The Pioneer"), Güner Balci (Integrationsbeauftragte Berlin-Neukölln), Roman Deininger (SZ) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei Markus Lanz (v.r.l.) zu Gast.
Am Donnerstagabend waren Michael Bröcker (Chefredakteur "The Pioneer"), Güner Balci (Integrationsbeauftragte Berlin-Neukölln), Roman Deininger (SZ) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei Markus Lanz (v.r.l.) zu Gast. © ZDF

"Rache am Zeitgeist" — Aiwanger und Deininger liefern sich bei Lanz Duell des Abends 

"Hubert Aiwanger ist die Rache des Stammtisches am Zeitgeist", zitiert Markus Lanz seinen Kollegen, SZ-Chefreporter Roman Deininger am Anfang der Sendung. Da scheint die Welt noch in Ordnung. Aiwanger und Deininger sitzen nebeneinander und werfen sich scheinbar respektvolle Blicke zu.

Doch kurz danach geht der Ärger los: "Sie sagen, ich funktioniere nur im Dialektraum. Da hätten sie mich gerne. Sie haben Angst, dass ich mich ausweite in die grünen Stadtgebiete hinein und ihnen ihr Lastenfahrrad wegnehme", konfrontiert Aiwanger den SZ-Journalisten über die Lacher von Markus Lanz hinweg. "Ich habe gar kein Lastenfahrrad", entgegnet Deininger belustigt. Leute wie er sollten nicht immer runterschauen auf die Bauern, sondern froh sein, dass es sie gibt, schimpft Aiwanger.

"Sie wollen als Süddeutsche dem Aiwanger sagen, wie er zu reden hat!" — Aiwanger lässt sich den Mund nicht verbieten

"Wenn sie nicht kritisiert werden wollen, dann reden Sie nicht so wie in Erding. Wenn Sie nicht kritisiert werden wollen, dann ziehen Sie sich nicht mit Verschwörungstheorien, wie Sie es jetzt tun, durch Land", sagt Deiniger im weiteren Verlauf des Gesprächs. Er spielt damit Aiwangers als populistisch eingestufte Rede auf der Heizungsdemo an. "Wo ist denn die Verschwörung?", poltert der Freien Wähler-Chef: "Ich hab in Erding recht gehabt." Schließlich habe die Ampel versucht, gegen die Mehrheit der Leute das Heizungsgesetz durchzudrücken, so Aiwanger. Deininger und Lanz versuchen ihm zu sagen, dass seine Wortwahl ("Demokratie zurückholen") von vielen Leuten missverstanden werden könne und er als gewählter Politiker, noch dazu als bayerischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, keine so aggressiven Ausdrücke verwenden dürfe.

Natürlich reagiert "der Aiwanger" darauf eingeschnappt: "Sie wollen als Süddeutsche dem Aiwanger sagen, wie er zu reden hat!" "Sie werden oft missverstanden", probiert es Deininger erneut. Das könne an ihm oder an den anderen liegen. Da es aber scheinbar immer die anderen sind, könnte man langsam meinen, es liege an ihm. "Sie hätten eine positive Figur sein können, aber durch die Rede in Erding und die Flugblatt-Affäre sind Sie eine spaltende Figur in Richtung Rand geworden." "Nehmen sie das zur Kenntnis, dass der Aiwanger ist wie er ist", antwortet der Freien Wähler-Chef fast schon sarkastisch.

"Das war eine Lüge": Aiwanger ist auf Krawall gebürstet 

Es folgt der Streit ums Flugblatt, der auch diesmal unausweichlich den Höhepunkt der Sendung bildet. Da Aiwanger aber diesmal einem Vertreter der SZ gegenübersitzt, kommt es neben wildem durcheinander schreien aber auch dazu, dass alle Vorwürfe von beiden Seiten auf den Tisch kommen.

Aiwanger macht den Anfang: Die Veröffentlichung sei falsch gewesen, "weil schon die erste Behauptung nicht gestimmt hat, dass der Aiwanger der Urheber sei. Das war eine Lüge", erklärt er triumphierend: "Natürlich haben Sie was zusammengeschrieben, das vorne und hinten nicht gestimmt hat und das aufgeblasen zu einer Weltuntergangsstory", schmollt er, nachdem Deininger ihm unterstellt, bei Tatsachen wie dem Transport des Dokuments in seinem Schulranzen, gelogen zu haben: "Das war eine tolle Recherche von den Kollegen aus dem Bayernteil, die bis heute allen Prüfungen standhält", freut sich der SZ-Chefreporter.

Hubert Aiwanger und Journalist Roman Deininger liefern sich bei Markus Lanz ein  Wortgefecht.
Hubert Aiwanger und Journalist Roman Deininger liefern sich bei Markus Lanz ein Wortgefecht. © ZDF

Deininger zur Flugblatt-Affäre: "Die bayerische Öffentlichkeit hatte ein Recht, das zu erfahren"

Das Gremium in Aiwangers alter Schule sei von seiner Urheberschaft des Flugblatts überzeugt gewesen. Seine damalige rechte Gesinnung hätten viele Befragte bestätigt. Man hab sich an alle Kriterien einer ordentlichen Recherche gehalten. "Wie viele waren das? Keine zehn", brüllt Aiwanger dazwischen. "Sogar Leute, die ihnen wohlgesonnen waren, haben gesagt, dieses Naziding, das überrascht mich nicht", entgegnet der Journalist. Die bayerische Öffentlichkeit hätte ein Recht gehabt, das zu erfahren.

Kurz scheint Aiwanger in einen Panikmodus zu verfallen: "Da war ein Lehrer, der gesagt hat, er will den Aiwanger stürzen und sie haben mitgemacht. Haben den Schutzraum Schule aufgebrochen, was illegal ist. Der Lehrer wollte Schüler animieren. Es gab einen Schüler, der gesagt hat, er sollte ihm eidesstattlich bestätigen, dass er das geschrieben hätte", schreit er. Tatsächlich wurden im Herbst bekannt, dass ein der SPD nahestehender ehemaliger Lehrer Aiwangers das Flugblatt an verschiedene Medien gesendet hatte. Gegen den Mann wird nach mehreren Anzeigen, wegen Verletzung seiner dienstlichen Schweigepflicht, ermittelt. Zuvor war sein Name auf X (vormals Twitter) geleakt worden. Andere Medien, wie der Spiegel, hatten die Publikation abgelehnt.

"Wie bei einer Hexenjagd": Aiwanger bei Lanz am Pranger

"Sie haben am Ende geschrieben, es ist egal, ob es der Aiwanger war oder nicht, er sollte trotzdem zurücktreten. Wie bei einer Hexenjagd", schimpft Aiwanger in Richtung des SZ-Chefreporters. Unerwarteterweise kommt Lanz ihm zu Hilfe. Er unterstellt der SZ tendenziöse Berichterstattung. Sie habe bewusst missachtet, dass es sich um eine verjährte, anonyme Tat eines Siebzehnjährigen handle und die Geschichte mitten im Wahlkampf veröffentlicht.

Deininger wirkt, als hätte ihn etwas Hartes getroffen, als der ZDF-Moderator bekannte Journalisten wie den Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier ("Autoren berichten nicht nüchtern. Keine Distanz. Stark mit Wirkung der Geschichte beschäftigt.") und den NZZ-Redakteur Alexander Kissler ("Journalismus mit Aktivismus verwechselt") zitiert. "Demut hätte uns besser gestanden", räumt Deininger auf ein Mal ein: "Ich kann mich aber nicht für etwas in den Staub werfen, was ich nicht für falsch halte." "Aber das von mir erwarten", plärrt Aiwanger dazwischen und erwähnt, dass ein Journalist der SZ, den er namentlich nennen will, in seinem Umfeld massiv rumtelefoniert und Fragen gestellt hätte. Als seine Angehörigen verwirrt reagierten, hätte er geantwortet: "Egal! Da geht dann demnächst die Bombe hoch."

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Bröcker: "Journalisten sollten mehr langweilige Geschichten schreiben"

Als auch der Chefredakteur des Pioneer, Michael Bröcker, der SZ in der Verdachtsberichterstattung über die Causa Aiwanger Tendenziösität und wenig Substanz unterstellt, ist Roman Deinigers Gesicht endgültig eingefroren. Dafür drischt Güner Balci nochmal auf Aiwanger ein, er habe eine mangelnde Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen für das, was er als Sechzehnjähriger oder jetzt getan habe: "Sie sind keine Opfer. Sie hatten mit sechzehn eine Geisteshaltung, die heute noch immer ein großer Teil der Bevölkerung hat." Deswegen sei er gewählt worden. "Ich wurde wegen der Kampagne gegen mich gewählt", protestiert Aiwanger entrüstet. Als Deininger sich nochmal in das Gespräch einklinkt, wird er wieder richtig wütend: "Erzählen sie mir doch keine Scheiß." Die Medien wollten den "Bauern Aiwanger doch seit zehn Jahren weg haben". Man müsse sich nur die Bildauswahl der SZ anschauen. Strahlende Heldenbilder der Grünen. Düstere von ihm.

Deininger erzählt am Ende, dass er die Geschichte über das Flugblatt nochmal veröffentlichen würde, aber er würde dabei stilistisch anders vorgehen. Das Fazit des Abends stammt von Michael Bröcker: "Journalisten müssten ehrlicherweise mehr langweilige Geschichten schreiben", erklärt der Wirtschaftsjournalist.

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71 Kommentare
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  • Kaiser Jannick am 25.11.2023 14:20 Uhr / Bewertung:

    "Hubert Aiwanger wird bei Markus Lanz laut und brüllt"

    Wer die Sendung komplett, neutral und ideologiefrei angesehen hat, wird festgestellt haben, dass Aiwanger zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise brüllte.

    Es ist offensichtlich, was die Autorin mit dieser völlig falschen und reißerischen Überschrift sowie der tendenziösen Berichterstattung gerne erreicht hätte.

    Ziel verfehlt.

    Wie hat es NZZ-Redakteur Alexander Kissler völlig richtig erwähnt:
    "Journalismus wurde mit Aktivismus verwechselt".
    Q.e.d.

  • Kaiser Jannick am 25.11.2023 01:54 Uhr / Bewertung:

    "Hubert Aiwanger wird bei Markus Lanz laut und brüllt"

    Wer die Sendung komplett, neutral und ideologiefrei angesehen hat, wird festgestellt haben, dass Aiwanger zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise brüllte.

    Es ist offensichtlich, was die Autorin mit dieser völlig falschen und reißerischen Überschrift sowie der tendenziösen Berichterstattung gerne erreicht hätte.

    Ziel verfehlt.

    Wie hat es NZZ-Redakteur Alexander Kissler völlig richtig erwähnt:
    "Journalismus wurde mit Aktivismus verwechselt".
    Q.e.d.

  • Candid am 25.11.2023 00:26 Uhr / Bewertung:

    Ich muss niemanden in der Stadt suchen der einen Kachelofen hat.
    Ich kenne einige mit einem Kachelofen.

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