TSV-1860-Vize Hans Sitzberger berichtet von Bedrohung – Verwaltungsrat forciert seine Abwahl
München - Wenn du denkst, es geht nicht mehr destruktiver bei 1860, stürzt sich der einst so stolze Traditionsverein noch tiefer ins Chaos - und zwar mit Anlauf.
Nachdem das Führungsverhalten von Präsident Robert Reisinger und Sechzigs Vereinsoberen inmitten des Machtkampfes mit Investor Hasan Ismaik und – auch im Umgang mit Geschäftsführern – immer deutlicher zutage tritt (die AZ berichtete über Reisingers in einer der Redaktion vorliegenden E-Mail dargelegten Kündigungspläne an Günther Gorenzel und Marc-Nicolai Pfeifer), hat der Verwaltungsrat in Vizepräsident Hans Sitzberger wegen einer vermeintlichen Weitergabe von vertraulichen Informationen einen Schuldigen gefunden.
Am Donnerstag hat das Kontrollgremium in einer Stellungnahme erklärt, dem 70-Jährigen das Vertrauen zu entziehen. Der Vize wehrte sich am Freitag vehement wie emotional gegen die Vorwürfe - und soll jetzt abgewählt werden.
TSV-1860-Vize Hans Sitzberger verteidigt sich gegen Vorwürfe
"Ich habe zu keinem Zeitpunkt Interna aus vertraulicher Korrespondenz des Präsidiums an die Öffentlichkeit gegeben, weder an die Presse noch an den Mitgesellschafter, an niemanden", stellte Sitzberger in seinem auf mehreren Kanälen veröffentlichten Schreiben klar. Der 70-Jährige gilt im Löwen-Kosmos als langjähriger Unterstützer des Klubs, als ehrbarer Repräsentant und tatkräftiger Sponsor, sowohl für den e.V. als auch für die KGaA. Tatsächlich hat die Abendzeitung die strittige Mail nicht von Sitzberger erhalten.
Dazu passt auch, was Sitzberger in seinem Statement schreibt: Der Empfängerkreis der brisanten Mail von Reisinger sei größer gewesen – und zwar, weil der Oberlöwe sein emotionsgeladenes Schriftstück nicht nur an Sitzberger und den zweiten Vizepräsident, Heinz Schmidt, gesendet hatte: "Den Verteiler, an welchen die E-Mail, die wir alle in der AZ lesen können, vor gut einem Jahr verschickt wurde, hat unser Präsident ausgewählt und leider hat er ihn nachweislich nicht ausschließlich auf das Präsidium beschränkt."

Hans Sitzberger: "Verwaltungsrat drohte mir mit öffentlicher Diffamierung"
Sechzigs Kontrollgremium soll Sitzberger vor eine brisante Wahl gestellt haben. Nachdem Sitzberger in seiner Stellungnahme die schweren Vorwürfe gegen ihn entkräftet, schildert er, wie man ihn als Vize-Vereinsoberhaupt loswerden wollte: "Ich wurde vom Verwaltungsrat aufgefordert, mein Amt niederzulegen." Nach AZ-Infos soll dies bereits vor längerer Zeit der Fall gewesen sein, weil Sitzberger durch eine angebliche Nähe zu Ismaik in Ungnade gefallen war. Laut Sitzberger habe man ihm nahegelegt, "mich in Ehren gehen zu lassen, wenn ich meinen sofortigen Rücktritt erkläre. Man drohte mir gleichzeitig mit öffentlicher Diffamierung, falls ich das nicht tue."
Ex-Vizepräsident Helfer über Sitzberger: "Das hast du nicht verdient"
Seither hat Sitzberger bei Facebook eine überwältigende Anzahl an bestärkenden Kommentaren bekommen. Darunter auch von bekannten Persönlichkeiten aus dem Löwen-Kosmos wie Martin Gräfer, Vorstandsmitglied von 1860-Hauptsponsor "Die Bayerische". "In den vergangenen Jahren haben wir Hans als authentische und ehrliche Persönlichkeit kennen und schätzen gelernt. Ihm geht es weder um Macht, noch stellt er sich selbst in den Mittelpunkt. Wir vertrauen Hans Sitzberger!", schrieb Gräfer.
Ähnliche Worte findet der ehemalige Löwen-Vizepräsident Peter Helfer: "Hans, du kennst die ganzen Scheinheiligen... ich habe es selber mitgemacht. Das ist leider nicht der Verein, den ich kennengelernt habe!!! Jeder benutzt den Verein, um Vorteile herauszuziehen, um in der Öffentlichkeit zu stehen, aber im Herzen haben sie keinen Löwen!!! Hans, das hast du nicht verdient, aber du siehst, es interessiert keinen von den Verantwortlichen!!"
TSV 1860: e.V-nahe Blogs und Foren kritisieren Sitzberger teils heftig
Auch Kult-Fan Dieter Schweiger - besser bekannt als der "Obststandl-Didi - stärkte Sitzberger den Rücken: "Wären alle Verantwortlichen bei 1860 so anständig, bodenständig gradlinig wie du, würde der Verein einmal und endlich verstehen, dass Erfolg nur miteinander gelingen kann. Dankeschön Hanse. Und nicht unterkriegen lassen."
Von den e.V.-nahen Blogs und Foren wird Sitzberger aber teils heftig kritisiert. Der Hintergrund: Entgegen der Ansichten vieler Hardliner hat sich Sitzberger im Sommer dafür eingesetzt, mit der Investorenseite im Gespräch zu bleiben. Eine Meinung, mit der er wohl ins Fadenkreuz geriet. All das, weil Sitzberger die einst von Verwaltungsrat Markus Drees angekündigte "Nadelstichpolitik" gegen Hasan Ismaik nicht stützt?
Verwaltungsrat des TSV 1860 empfiehlt Abwahl von Hans Sitzberger
Sitzberger, der 1860 mit emotionalen Worten als seinen "Herzensverein" bezeichnet, fehlen bei den Anschuldigungen des Verwaltungsrates sowohl "Beweise", als auch eine "Grundlage", weshalb der seit acht Jahren amtierende Vize zu dem Schluss kommt: "Sie wurden plötzlich aus der Luft gegriffen". Über die Hintergründe könne er nur mutmaßen: "Ich frage mich: Von welcher Agenda soll ich das Bauernopfer werden?"
Am Freitagnachmittag machte der Verwaltungsrat ernst: Er wies Sitzbergers Konter von sich, beharrte auf mehrere Verstöße, habe beim Vertrauensentzug "keine andere Wahl" gehabt und empfahl zudem die Abwahl des Vizes in einer baldigen außerordentlichen Mitgliederversammlung.