Interne TSV-1860-Mail enthüllt Reisingers Kündigungsplan für Gorenzel und Pfeifer
München - Vor ziemlich genau einem Jahr hieß das Geschäftsführer-Duo des TSV 1860 noch Marc-Nicolai Pfeifer (Finanzen) und Günther Gorenzel (Sport). Während Pfeifer (noch) im Amt ist, verließ Gorenzel die Grünwalder Straße bereits im Sommer 2023 auf eigenen Wunsch in Richtung Klagenfurt. Wäre es allerdings nach den Vorstellungen von Löwen-Präsident Robert Reisinger gegangen, hätten die beiden Bosse schon im Januar 2023 ihre Kündigung auf dem Tisch gehabt.
So legt es jedenfalls eine E-Mail nahe, die Reisinger an seine Präsidiumskollegen am 16. Januar 2023 verschickt hat. Diese E-Mail liegt der Abendzeitung vor.
TSV 1860: Präsident Reisinger attackiert Geschäftsführer vor Entlassung von Michael Köllner
Aus dieser Korrespondenz lassen sich Vorgänge rekonstruieren, die die Löwen-Welt eine ganze Weile in Atem hielten und die auch einen intimen Blick auf Machtstrukturen und ein gewisses Führungsverhalten innerhalb der Chefetage des TSV 1860 erlauben. Zum einen geht es dabei um Hintergründe der Entlassung von Ex-Coach Michael Köllner, zum anderen erscheinen dadurch auch die kurz darauf ausgesprochenen Abmahnungen an Pfeifer und Gorenzel in einem neuen Licht.
Bekannt war bislang zum Köllner-Rauswurf, dass Reisingers e.V.-Seite die Trennung unterstützte, ganz im Gegensatz zur Investorenseite, die trotz aller Turbulenzen am damaligen Löwen-Dompteur, der mittlerweile Trainer des FC Ingolstadt ist, hatte festhalten wollen.
Neu ist Folgendes: Nämlich eine klare Erwartungshaltung des 1860-Präsidenten schon zwei Wochen vor Köllners Freistellung – und damit verbunden, eine Attacke auf das Führungsduo der KGaA. In einer E-Mail an seine beiden Vize-Präsidenten Hans Sitzberger und Heinz Schmidt machte Reisinger seinem Ärger Luft und schilderte klar seine Absichten.
Vorausgeschickt sei, dass dies längst nicht der einzige Vorgang ist, in dem das Präsidium unterschiedliche Auffassungen zu bestimmten Themen vertrat oder vertritt – das ist nach AZ-Informationen zudem schriftlich dokumentiert.
Robert Reisinger über Gorenzel und Pfeifer: "Ich fühle mich von beiden nur noch hintergangen"
Reisinger begann die am 16. Januar 2023, also einen Tag nach seinem 59. Geburtstag, versendete Mitteilung an seine e.V.-Mitstreiter ohne formellen Gruß mit: "Hallo, folgende Mail würde ich gerne noch heute Abend an die beiden Geschäftsführer (Pfeifer und Gorenzel, Anm. d. Red.) senden." Und weiter: "Ich fühle mich von beiden nur noch hintergangen." Wütende Wünsche - ganz offensichtlich hatte sich da ordentlich Brass angestaut.
Der Präsident schildert in der Folge seine an Gorenzel und Pfeifer adressierten Gedanken - beginnend mit dem Österreicher, der im Frühsommer vergangenen Jahres die Flucht in die Wahl-Heimat ergriff. "Es erweckt den Eindruck", schrieb Reisinger, "als würden Sie den Wunsch des Präsidiums, Herrn Köllner zu beurlauben, auf diesem Weg eine Absage erteilen."
Am Samstag zuvor hatte Sechzig das erste Drittliga-Spiel 2023 bei Waldhof Mannheim (1:3) verloren, wodurch der Druck auf den damaligen Coach deutlich gestiegen war. Auch Teile der Fans hatten damals ihren Unmut schon im Stadion geäußert. Reisinger weiter: "Nehmen Sie zu Kenntnis, dass wir es Anbetracht der Situation rund um den Trainer Köllner für besser erachten, die nächsten Spiele ohne Trainer oder mit einem Trainer aus dem NLZ an der Seitenlinie zu bestreiten, als den Status quo zu erhalten."
Ganz so schnell ging es nicht. Köllner durfte mit den Löwen am folgenden Wochenende noch Zwickau (3:1) besiegen, ehe das Duell mit Dresden (1:2) am 30. Januar sein Aus besiegelte. Gorenzel übernahm vier wenig erfolgreiche Spiele lang bis zur Einstellung Maurizio Jacobaccis das Trainer-Amt. Davor lag noch ein demonstrativer Besuch Hasan Ismaiks in München, der ein klares Bekenntnis zu Köllner abgab – es war übrigens der bis heute letzte Abstecher des Investors an die Isar.
Reisinger formulierte im Januar 2023 Kündigungsmails an Günther Gorenzel und Marc-Nicolai Pfeifer
Reisinger übte zuvor in erwähnter Mail nicht nur Kritik, sondern wollte offenbar Gorenzel und Pfeifer auch über die bevorstehende Kündigung informieren. An Gorenzel sollte gehen: "Sehr geehrter Herr Gorenzel, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich es mittlerweile bedauere, den Wunsch des Mitgesellschafters, Ihnen die Kündigung zum 30.6.2023 bis 31.12.2022 auszusprechen, nicht nachgekommen bin. Fühlen Sie sich also bereits heute zum 30.6.2024 gekündigt. Selbst wenn der Mitgesellschafter wider Erwarten ihre Tätigkeit nicht zu kündigen wünscht, werden wir diese Kündigung kraft unseres Amts und 50+1 aussprechen und durchsetzen."
Pfeifer sollte ebenfalls gekündigt werden, allerdings wohl aus einem ganz anderem Hintergrund: "Sehr geehrter Herr Pfeifer, auch Ihnen gegenüber sprechen wir bereits heute die Kündigung zum 30.6.2024 aus. Hätten Sie uns bereits vor dem 31.1.2022 informiert, dass Sie sich an die getroffene Vereinbarung, die Redakteure des sechzger.de an Spieltags-Pressekonferenzen teilnehmen zu lassen, nicht gebunden fühlen, hätten wir die Kündigung bereits zum 31.12.2022 zum 30.6.2023 ausgesprochen."
Veto von Hans Sitzberger und Heinz Schmidt verhinderten Kündigungen von Gorenzel und Pfeifer
Diese Worte legen also nahe, dass seitens Reisinger die Trennung von Pfeifer mit der – formal korrekten – Nichtzulassung eines dem e.V. nahestehenden Fanblogs begründet werden sollte. Weil kein Mitarbeiter von "sechzger.de" einen Presseausweis vorlegen konnte, entsprach der Ausschluss den Drittliga-Statuten des DFB. Diese Entscheidung wurde übrigens, nachdem kurz darauf das entsprechende Dokument vorgelegt werden konnte, wieder aufgehoben.
Die AZ hat Reisinger um eine Stellungnahme zu den Vorgängen gebeten, der Löwen-Präsident wollte sich inhaltlich dazu nicht äußern.
Dass die beiden Geschäftsführer über ihre geplante Kündigung nicht bereits im Januar 2023 informiert wurden, verhinderte nach AZ-Informationen das Veto der beiden Vize-Präsidenten Hans Sitzberger und Heinz Schmidt. Rückblickend entspricht der heutige Status Quo an der Grünwalder Straße jedoch dem, was sich Reisinger ausweislich der Korrespondenz vom Januar 2023 schon vor einem Jahr gewünscht hatte. Gorenzel ist Geschichte, Pfeifer wird es trotz positiver Geschäftszahlen und Unterstützung durch zahlreiche Sponsoren sowie der Investorenseite spätestens zum 30.6.2024 sein.
Der Vertrag von Gorenzel-Nachfolger Christian Werner soll nach AZ-Infos bis Sommer 2025 laufen. Wenn ihn nicht vorher eine E-Mail erreicht.