TSV-1860-Investor Hasan Ismaik im Exklusiv-Interview: "Ich bin nicht das Problem"
München/Abu Dhabi - Lange hatte sich Hasan Ismaik, Investor und Hauptgesellschafter des TSV 1860, zurückgehalten. Seit dem Regionalliga-Abstieg seiner Löwen 2016/17 hatte sich der Geschäftsmann aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.
Nach der neuerlichen Enttäuschung des verpassten Aufstiegs soll sich das nun ändern. Ismaik will wieder mehr Präsenz in Giesing zeigen. Den Vereinsoberen wie Sportchef Gorenzel wirft er Versagen vor. Im AZ-Interview verrät der 45-jährige Jordanier, was ihn in dieser Saison besonders aufregte.
AZ: Herr Ismaik, der Titel eines deutschen Volkslieds lautet: "Alles neu macht der Mai". Sie haben kürzlich angekündigt, im Mai nach München kommen zu wollen. Wie sehen Ihre Reisepläne aus, wen wollen Sie treffen – und was wollen Sie bei den Löwen alles neu machen?
HASAN ISMAIK: Es hatte sich so ergeben, dass ich sowieso geplant hatte, geschäftlich in Europa zu sein und in diesem Zusammenhang wurde ich zu einem Fantreffen eingeladen. Ich habe derzeit keine Pläne für weitere Treffen in Bezug auf 1860.
Sind Sie nicht der Meinung, dass es grundsätzlich produktiver wäre, sich mit der Vereinsführung der Sechzger zu persönlichen Gesprächen zu treffen, statt nur der Veranstaltung eines Fan-Bloggers beizuwohnen?
Ich habe schon vor langer Zeit beschlossen, mich nicht mehr persönlich einzumischen. Wie immer bin ich aber für jedes Treffen zu haben, das für die Zukunft unseres großartigen Vereins produktiv ist. Leider habe ich nicht das Gefühl, dass dies von vielen Seiten erwidert wird.
Hasan Ismaik zur Tabellensituation beim TSV 1860: "Ich habe mich leider daran gewöhnt"
Blicken wir doch zuerst auf die Tabelle der Dritten Liga und das sportliche Geschehen: Welche Gefühle löst es eigentlich in Ihnen aus, wenn Sie sehen, dass TSV 1860 nur im gesicherten Mittelfeld rangiert und daher auch in diesem Jahr den Aufstieg erneut verpasst hat?
Ich habe mich leider schon daran gewöhnt. Ich verstehe immer noch nicht, was mit den Leistungen der Mannschaft während der Saison passiert ist, nachdem wir so gut gestartet sind...
Fünf Siege in den ersten fünf Saisonspielen.
Genau. Aber Sie müssen verstehen, dass ich aufgrund der 50+1-Regel kein Mitspracherecht in sportlichen Belangen habe. Alle Fragen, warum die Mannschaft trotz eines Budgets, das den Aufstieg so gut wie garantieren sollte, die Erwartungen nicht erfüllt hat, müssen an die Geschäftsführung und meinen Mitgesellschafter gerichtet werden. Das e.V.-Präsidium spielt eine aktive Rolle bei der Führung des Vereins. Ich bin nicht das Problem.
Löwen-Investor Ismaik zur Saison 2022/23: "Die Tabelle lügt nie"
Welche Faktoren für die Erfolglosigkeit der Löwen können Sie selbst aus der Ferne erkennen?
Auch hier habe ich nicht so viel Einblick, wie man es von einem Mehrheitsgesellschafter erwarten könnte. Meine Vermutung ist nur so gut wie die jedes anderen Fans. Die vierwöchige Suche nach einem neuen Trainer, weil Michael Köllner ohne eine Nachfolgeregelung entlassen wurde, hat sicher nicht geholfen.
Ihre Frage wäre aber besser an das Präsidium des e.V. gerichtet, den Gesellschafter, der für die Kontrolle der – und Weisungen an – die Geschäftsführung zuständig ist. Die Tabelle lügt nie und ich höre aus vielen Quellen, dass das Scheitern der Mannschaft ein Ausdruck der Inkompetenz des e.V. in seiner Kontroll- und Weisungsfunktion ist.
Hört, hört. Hat Geschäftsführer Günther Gorenzel, dem die Verantwortung für den Sport obliegt und den Sie öffentlich kritisierten, nach dem Rauswurf von Ex-Trainer Michael Köllner in Ihren Augen überhaupt noch eine Zukunft bei 1860?
Zunächst einmal müssen wir aufklären, was wirklich zu dieser Entscheidung geführt hat. Wenn wir die ganze Geschichte kennen, werden die zuständigen Gremien bei 1860 darüber entscheiden.
Köllner-Entlassung im Januar: "Ich gebe Gorenzel und Pfeiffer die Schuld"
Sie meinten nach Köllners Entlassung im Januar, Sie hätten erst aus den Medien davon erfahren. Fühlen Sie sich denn überhaupt rechtzeitig, umfassend und wahrheitsgetreu von Ihren Statthaltern informiert oder geben Sie der Geschäftsführung hierfür die Schuld?
Ja, stimmt. Meine Vertreter können mir nur das mitteilen, was sie wissen. Sie machen einen fantastischen Job. Ich gebe dem Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel, dem Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer und jedem, der beim e.V. Kenntnis davon hatte, die Schuld. Ich musste leider feststellen, dass die Kommunikation bei 1860 sicherlich besser sein könnte.
Was halten Sie denn vom neuen Trainer Maurizio Jacobacci, der auf Köllner und Interimstrainer Gorenzel gefolgt ist? Trauen Sie dem neuen Coach zu, die Löwen zum Aufstieg zu führen?
Ich wünsche ihm viel Glück und Erfolg bei den Löwen. Ich weiß nicht viel über ihn, aber ich habe gelesen, dass er mit dem portugiesischen Trainer José Mourinho verglichen wird. Mir gefällt vieles von dem, was ich in seiner Einstellung und den Leistungen, die er aus der Mannschaft herausholt, sehe.
Neues Stadion für TSV 1860? "Man könnte was Schönes, Außergewöhnliches neu bauen"
Themawechsel: In der Stadionfrage betonen Sie seit Jahren, einen Neubau forcieren zu wollen. Gibt es mittlerweile halbwegs konkrete Pläne in diese Richtung?
Ich werde weiterhin alle Möglichkeiten für eine Lösung ausloten, aber dies ist wie immer nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Frage.
Die Vereinsvertreter streben dagegen eher den Ausbau des Grünwalder Stadions an, der allerdings in Wanken geraten ist. Unter welchen Umständen würden Sie diese Pläne unterstützen, etwa bei einem größeren Fassungsvermögen als die angedachten 18.105 Zuschauer?
Nach den mir vorliegenden Informationen wäre dies keine nachhaltige Lösung. Mir wurde von Vertretern der Stadt mitgeteilt, dass dies sehr schwierig ist und dass die Zustimmung aller Anwohner eingeholt werden müsste.
Außerdem könnte mit den Kosten für die Renovierung ein schönes, außergewöhnliches und nachhaltiges Stadion von Grund auf neu gebaut werden, und das Grünwalder Stadion würde als ein Museum der Erinnerung erhalten bleiben.
Bundesliga beim TSV 1860? "An meinem Versprechen hat sich nichts geändert"
Sie sind seit Mai 2011 Investor der Löwen, also seit etwa zwölf Jahren. Welche Wünsche, welche Ziele hegen Sie mit 1860? Sie sprachen einst von der Champions League, von einer Augenhöhe mit dem FC Bayern. Halten Sie Ihre damaligen Vorstellungen (noch) für realistisch?
Ich möchte den Fans immer noch die Möglichkeit geben, erfolgreichen Fußball in einem tollen Stadion zu sehen. Das war mein Versprechen am Anfang – und daran hat sich nichts geändert. Aufgrund der Tatsache, dass ihre Vertreter dies nicht zu wollen scheinen, kann ich den ich den Fans aber nur immer wieder ans Herz legen: Sie sollen sich an die wenden, die sie gewählt haben.
Der einstige Aufsichtsrat und Vizepräsident Otto Steiner sagte in einem Interview mit der "SZ", dass er in seiner Amtszeit die Wahl zwischen "Sodom und Gomorra" gehabt habe und inzwischen sein einstiges Einverständnis zu Ihrem Einstieg bei 1860 bereue. Was sagen Sie dazu – und bereuen Sie es inzwischen ebenfalls?
1860 ist ein sehr interessanter Verein und es scheint, dass jeder in München eine Meinung hat, wie der Verein zu führen ist - und diese auch gerne äußert. Ich kann unmöglich auf jede Bemerkung über 1860 eingehen. Aber dazu sage ich dies: Als ich damals den Verein vor der Insolvenz gerettet habe, waren alle sehr glücklich.
Das scheinen die Leute inzwischen vergessen zu haben. Und jetzt scheint es so, dass selbst mein Geld nicht mehr willkommen ist und die Leute lieber in unteren Ligen spielen, als mit mir zusammenzuarbeiten. Das war nicht die Grundlage für mein Investment, ist aber eine offensichtliche Gefahr von 50+1.
Teil II des großen Interviews lesen Sie Dienstag in der AZ.