FC Bayern: Hasan Salihamidzic macht Fehler und gerät in Erklärungsnotstand
München - Beim Blick auf die Auswechselbank des FC Bayern im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Paris Saint-Germain (1:0) fühlte man sich eher an ein Testspiel beim Franz-Beckenbauer-Cup erinnert als an einen Königsklassengipfel gegen Neymar und Kylian Mbappé. Neben Ersatztorhüter Alexander Nübel saßen da nämlich nur Jamal Musiala, Javi Martínez, Bouna Sarr, Tanguy Nianzou sowie die Amateure Josip Stanisic und Maximilian Zaiser.
Bei allem Verletzungspech, das die Münchner derzeit haben: Für ein Team, das um drei Titel mitspielen will, ist der Kader in dieser Saison nicht stark genug besetzt. Ein Missstand, auf den Trainer Hansi Flick schon öfter hingewiesen hat - intern wie öffentlich.
Bisher überzeugten nur Sané und Choupo-Moting - in Ansätzen
"Wir hatten letztes Jahr eine Mannschaft - das weiß jeder, da wird mir auch jeder zustimmen -, die war qualitativ besser als dieses Jahr", sagte der Coach kürzlich erst und spielte dabei auf die Abgänge von Thiago, Ivan Perisic und Philippe Coutinho an. Drei internationale Topspieler, deren Abgänge nach der Triple-Saison nicht adäquat kompensiert wurden.
Von den Neuzugängen, die Sportvorstand Hasan Salihamidzic nach München holte, überzeugten bislang - in Ansätzen - nur Leroy Sané und Eric Maxim Choupo-Moting.
Bouna Sarr, Marc Roca und Douglas Costa enttäuschten hingegen komplett, Nianzou hatte Verletzungsprobleme. Und Torhüter Nübel, dem Salihamidzic Einsätze versprochen hatte, ist wie erwartet chancenlos gegen Stammkeeper Manuel Neuer. Klar, dass der Trainer mit dieser Kaderpolitik nicht zufrieden sein kann, zumal sich Flick mehr Mitsprache bei Transfers wünscht. Doch genau in diesem Punkt sind er und Salihamidzic unterschiedlicher Meinung. Deshalb hat wohl nur einer von beiden eine Zukunft bei Bayern.
Intern gerät Salihamidzic immer mehr in Erklärungsnot - nicht zuletzt wegen der Causa Jérôme Boateng (32). Salihamidzic hatte dem Verteidiger ausgerechnet am Tag des Hinspiels gegen PSG mitgeteilt, dass er keinen neuen Vertrag erhalten werde. Am Abend verabschiedete Salihamidzic Boateng dann live im TV bei Sky.Ein Vorgehen, das bei Flick, der Mannschaft und den Bossen um Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nicht gut ankam. Denn: Laut "Sport Bild" handelte es sich um einen Brazzo-Alleingang.
Demnach hatte Bayern bei einem Treffen mit der Boateng-Seite zuletzt eine Bedenkzeit von "zwei, drei Wochen" vereinbart, ehe man wieder sprechen wollte. Eine Vertragsverlängerung war offenbar nicht ausgeschlossen, doch dann kam Salihamidzics Auftritt.
Salihamidzic hätte stärkere Alternativen verpflichten müssen
Der Sportvorstand, der besonders von Ehrenpräsident Uli Hoeneß und Präsident Herbert Hainer gestützt wird, macht Fehler. Auch wenn die finanzielle Situation aufgrund der Corona-Pandemie bei Bayern angespannt ist, hätte Salihamidzic im vergangenen Sommer stärkere Alternativen verpflichten müssen.
Und vor allem öfter Flicks Meinung einholen. In der Vergangenheit hatten sämtliche Trainer - von Louis van Gaal bis Pep Guardiola - Einfluss, wenn es um Neuverpflichtungen ging. Doch seit Salihamidzic in der Verantwortung ist, stellt sich die Situation anders dar.
Das meint auch Niko Kovac. "Wir sprechen alles durch, führen gemeinsam die Gespräche mit Zugängen oder potenziellen neuen Spielern", sagte der Ex-Bayern-Coach zur Arbeit bei seinem neuen Klub AS Monaco und zog einen Vergleich: "Wir wissen alle, wie es in München abläuft: Dort ist es genau das Gegenteil. Die Situation, welche ich in Monaco vorfinde, ist die gleiche wie damals in Frankfurt - und genau das möchte man als Trainer. Man will bei der Kaderplanung mitgenommen und eingebunden werden."
Warum passiert das bei Bayern nicht?