Der Rundumschlag: Julian Nagelsmann stellt seine Mannschaft in Frage
München/Mainz - Der Kontrast könnte nicht auffälliger, nicht schärfer sein. Hier die Mannschaft, dort ihr Trainer Julian Nagelsmann. Das ist das Bild, das der FC Bayern nur eine Woche nach dem Gewinn der Meisterschaft, des zehnten Titels in Serie abgibt. Es rumort im Kader, im gesamten Verein.
Auf das schlappe und beinahe wehrlose 1:3 der Münchner beim FSV Mainz, zuvor fünf Partien sieglos und im Niemandsland der Tabelle, folgte: hier ein Urlaubstrip samt hoch die Tassen, dort eine Brandrede. Laut "Bild" flog ein Großteil des Bayern-Kaders (nur sieben Spieler fehlen, darunter Kapitän Manuel Neuer und der erkältete Vize Thomas Müller) im Anschluss an das vergeigte Spiel nach Ibiza – zur Feier des Titels. Nagelsmann hat bis zum nächsten Training am Dienstag um 11 Uhr freigegeben.

Sportvorstand Salihamidzic: Ibiza-Trip kann "wichtige Grundlage" sein
"Wir haben das als Team-bildende Maßnahme akzeptiert", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic am Sonntag: "Ich habe als Spieler gelernt, wie aus Niederlagen Stärke erwachsen kann. So eine gemeinschaftliche Aktion der Mannschaft kann hier eine wichtige Grundlage sein."
Für Deutschlands Rekordnationalspieler und Ex-Trainer Lothar Matthäus ist der Trip ein Unding. "Das passt gar nicht, vor allem nach so einem Spiel. Wenn sie gewonnen hätten, würde ich sagen: bleibt drei Tage auf Ibiza", sagte der 61-Jährige bei Sky: "Nach diesem Spiel geht das gar nicht." Was hätte Nagelsmann tun sollen? Matthäus: "Ich als Julian Nagelsmann würde da härter durchgreifen: Die freien Tage werden gestrichen nach so einem Spiel." Hat er aber nicht. Und sich so beliebt gemacht bei der Mannschaft? Zugleich aber an Autorität nach außen verloren?
Nach der fünften Saison-Niederlage und einem erneut rätselhaften Auswärtsauftritt hatte sich ein total bedienter und geladener Nagelsmann in einer Medienrunde Luft gemacht – ohne jedoch den anstehenden Party-Trip der Mannschaft benennen zu wollen.
Nagelsmann bemängelt fehlende Leidenschaft
Bei 22:7-Torschüssen für Mainz, darunter drei Aluminium-Treffer, hätten die behäbigen und teils lustlosen Bayern auch deutlich höher verlieren können. "Ich habe eine Erklärung, aber die gebe ich euch nicht", sagte der 34-Jährige den Reportern. Dennoch erklärte er, warum er so angefressen war: "Man kann so ein Spiel verlieren, aber es geht um die Art und Weise! Ich finde, wir brauchen immer eine gewisse Grund-Leidenschaft. Nach dem zehnten Titel ist das menschlich, aber wenn es dann so wirkt, als ob wir irgendeinen Dienst abhalten müssen und nicht mehr richtig die Leidenschaft da ist, dann ist es Zeit, dass wir etwas verändern müssen. Und an dem Punkt sind wir gerade."
Doch was tun? Vor allem, wenn sich derartige Auftritte – ob ohne oder diesmal mit Schale in der Tasche – häufen?
Nagelsmann deutlich: "Es geht nicht nur um die Mannschaft, sondern um allgemeine Dinge, um das große Ganze. Wenn ein Unternehmen über Jahrzehnte sehr erfolgreich ist, dann ist irgendwann immer Zeit, etwas zu verändern. Das ist ganz normal und gar nicht schlimm. Du kannst ja nicht immer das Gleiche machen."
Immer weiter steigerte er sich in eine Brandrede hinein: "Jede Firma, jedes Dax-Unternehmen, das zu den erfolgreichsten Unternehmen gehören will, kennt dieses Phänomen. Ich will, dass wir den Weg erfolgreich weitergehen und nicht sagen müssen: 'Scheiße, jetzt haben wir den Moment verpasst!'"
Nach dieser Ansage werden die Debatten im Verein erst richtig Fahrt aufnehmen.
Magath wirft FC Bayern indirekt Wettbewerbsverzerrung vor
Eine Breitseite kam nach der Mainz-Pleite von Felix Magath. Der Ex-Bayern-Trainer, aktuell mit Hertha BSC im Abstiegskampf, sprach indirekt von Wettbewerbsverzerrung. Magath zum 1:3 der Bayern: "Schön ist es nicht. Ich weiß nicht, wie eine Mannschaft sagen kann: 'Für uns geht die Saison nicht bis zum Ende, wir machen drei Wochen vorher Schluss.' Das dient nicht der Bundesliga und nicht dem Wettbewerb."

Nagelsmanns Konter: "Das ist sehr clever von ihm. Er wird das nicht ganz uneigennützig machen, schätze ich." Denn: Am Sonntag empfangen die Bayern Hertha-Konkurrent Stuttgart, derzeit Tabellen-Sechzehnter. So hat Magath jetzt schon die Diskussion um die Ehre losgetreten. Salihamidzic hält dagegen. Die Bayern-Mannschaft werde sich gegen den VfB "voll einsetzen, um unseren Fans mit einem Sieg einen schönen Saisonabschluss als deutscher Meister im eigenen Stadion zu schenken." Es gibt ja auch die Schale...