Metzger, Studenten, Akademiker: Das sind die Ultras des FC Bayern
München - Am Samstag ist es soweit. Nach dem Spiel gegen Heidenheim (15.30 Uhr und im AZ-Liveticker) wird die neue Stadion-Hymne des FC Bayern aufgenommen. Das macht aber kein einzelner Interpret, nein, der Südkurven-Chor singt. "Unser Wunsch ist es, eine Stadion-Hymne zu etablieren, die keine Vereinshymne ist, sondern ein Lied aus der Kurve", heißt es in einer Stellungnahme des "Club Nr. 12", einer Vereinigung aktiver Bayern-Fans.
Das Ziel: Ein Hauch Anfield soll Einzug in die Allianz Arena finden. Eine "You'll never walk alone"-Stimmung soll her. Denn die bisherigen Bayern-Songs "Forever Number One" und "Mia san die Bayern" sorgten nur selten für echte Gänsehautstimmung. Um das zu ändern, greifen die Bayern-Ultras tief in die Tasche. Ein niedriger bis mittlerer fünfstelliger Bereich wird in das neue Bayern-Lied investiert.
Vorsänger der Schickeria erzählt: "Das erste Mal war schon ein bisschen komisch"
Doch wer sind die Menschen, die für ihren Klub eine Stadion-Hymne aufnehmen? Was sagt die Spider Murphy Gang dazu, dass die bekannteste Münchner Ultra-Gruppierung sich bei der Namenswahl von einem Band-Klassiker inspirieren ließ? Und was machen die Ultras, wenn sie nicht gerade den FC Bayern anfeuern? In der AZ-Serie geben wir Einblicke in die Kurve des FC Bayern. In Teil 2: Das sind die Ultragruppierungen des Rekordmeisters.
Wenn Hias, einer der Vorsänger, ins Megafon brüllt, dann weiß die ganze Kurve: Jetzt geht's los! Die Bayern spielen! Er ist Mitglied der Schickeria, der wohl bekanntesten und größten Ultra-Gruppierung der Münchner. "Das erste Mal, als ich auf das Vorsängerpodest gegangen bin und in das Weit der Kurve geschaut habe, war schon ein bisschen komisch", erzählt er im Ultra-Podcast "Gegen den Strom".

Immer mehr weibliche Fans stehen in der Südkurve
Immerhin ist er es, der den Ton am Spieltag angibt. Über 9.100 Bayern-Fans in der Südkurve warten nur auf sein Signal, sich die Stimmbänder heiser zu schreien und dazu im Takt zu klatschen. Doch Hias ist nicht der einzige Capo. Im Epizentrum bekommt er oft Unterstützung von mindestens einem weiteren Vorsänger und einem Trommler, auch alles Schickeria-Mitglieder. Weitere Capos positionieren sich an den Außenblöcken, sollen dafür sorgen, dass die Ultras im Gleichtakt singen.
Die gehen neben ihrer Leidenschaft zum Großteil einer normalen Tätigkeit nach, sind Metzger, Student oder Akademiker. Auch ist es längst kein reiner Männerchor mehr, der in der Südkurve steht. Immer mehr Frauen sind unter den Südkurvengängern. Doch um Ultra einer Gruppierung zu werden, ist es oft ein jahrelanger Weg. Vor allem bei der Schickeria.
Schickeria ließ sich bei der Namensgebung von der Spider Murphy Gang inspirieren
Die Gruppe hat das für jeden offene Aufnahmeverfahren im Jahr 2012 gestoppt, getreu dem gleichnamigen Kult-Hit der Spider Murphy Gang, in dem es heißt: "A weng ausgflippt muasst scho sei, sonst lasst die da Gorilla an der Eingangsdia ned nei" (Hochdeutsch: Etwas ausgeflippt musst du schon sein, sonst lässt dich der Gorilla an der Eingangstür nicht rein).
Übrigens: Das Lied der Spider Murphy Gang war für die Namensgebung nicht unerheblich. Die Ultras nahmen sich den Klassiker 2002 gar zum Anlass, sich danach zu taufen. Denn während Günther Sigl singt, dass der Großteil der Stadtjugend sein Geld für teure Klamotten und Nobeldiskotheken ausgibt, investieren es die Ultras in Tickets, um dem FC Bayern rund um die Welt zu folgen.
Logo der Schickeria soll "die Verbindung zur Stadt München verdeutlichen"
Ob der Sänger das wusste? "Nein", sagt Sigl der AZ, er hat aber nichts dagegen: "Das kann jeder machen, wie er will. Vielleicht kommt eines Tages eine Gruppe, die sich 'Skandal' nennt." Allerdings sind die Ultras des FC Bayern wohl eher selten im Sperrbezirk zu finden, auch wenn dort das Licht in der Farbe ihres Klubs leuchtet. Viel öfter sieht man die Ultras im Stadion, die Schickeria steht bei Heimspielen in den Blöcken 112 und 113 der Allianz Arena.
Das Banner ist dabei unverkennbar: Es ist das vermummte Münchner Kindl. "Das Logo soll die Verbindung zur Stadt München verdeutlichen", heißt es vonseiten der Gruppierung. Auch sonst bringt die Schickeria ihre Botschaften klar zum Ausdruck. Für "gewissenlose Geldgier, Rassisten und Faschisten" ist im Block kein Platz. Die Kommerzialisierung sehen die Ultras genauso kritisch.

Ultras der Gruppierung Munich's Red Pride fahren auch zu den Bayern-Amateuren
Eine Gruppe, die das aber deutlich stärker zum Ausdruck bringt, steht seit dieser Saison im Block 115: "Munich's Red Pride". Das Wort "Rot" nimmt man dort zum Gesetz. Sollte sich der FC Bayern, wie in dieser Saison, gegen rot-weiße Heimtrikots entscheidet, erinnert die Gruppierung gut und gerne mit einem Banner die Führungsriege, dass es in Paragraph eins der Klubsatzung nunmal heißt: "Die Klubfarben sind Rot und Weiß."
Auch verstehen sie sich wie die Schickeria-Mitglieder als Hüter des werteorientierten Fußballs, lehnen die Kommerzialisierung radikal ab. "Alles außer Bayern ist scheisse! Nein zum Multi-Club-Ownership", ist einer der konkreten Botschaften. Wohl auch deshalb sind viele der Ultras aus der Gruppierung regelmäßig bei den Bayern-Amateuren, wenn die Spiele nicht zeitgleich angesetzt wurden.
FC Bayern: Ultras von Red Fanatic haben Freundschaft als zentrales Motiv
So viele Spiele schauen sich die Gruppen in Block 114 der Südkurve nicht an. Die alarMstufe rot, Munich Rebels und Colegio findet man nur bei Top-Spielen wie dem Amateure-Derby gegen den TSV 1860 im Grünwalder Stadion. Auch Red Fanatic in Block 111 fokussiert sich lieber auf die Mannen von Vincent Kompany. Dort tritt sie dafür umso geschlossener auf.
Das zentrale Element der Gruppe ist nämlich Freundschaft. Denn wie sagte Kaiser Franz Beckenbauer schon: Gute Freunde kann niemand trennen. Und zum FC Bayern gehen die Ultras von Red Fanatic nie allein. "Mit der Stadt im Rücken und dem Verein im Herzen bleibt diese Freundschaft auf ewig bestehen", heißt der Leitspruch der Gruppe. Und das leben sie nicht nur in der Allianz Arena aus.
Red Fanatic bekannt für Malereien in München
Der Kreativität wird nicht nur beim Malen der Choreos freien Lauf gelassen, sondern auch an der ein oder anderen Fassade in der Stadt. Von der Autobahnbrücke bis zum Bahntunnel, überall finden sich Graffiti von der Gruppierung. Dabei seien die unzähligen Aufkleber an den Straßenlaternen außen vor gelassen. Immerhin muss man das Revier markieren und beschützen. Dabei scheut die Gruppe keine Konflikte mit befeindeten Gruppen. Wer die sind und mit welchen Ultras die Bayern-Fans eine jahrelange Fanfreundschaft pflegen, lesen Sie im nächsten Teil.