CSU-Politiker Maximilian Böltl über Homosexualität und sein Motto: "Kein Geheimnis, aber auch keine Show"
Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl will im Herbst in den bayerischen Landtag. Der 39-jährige CSU-Politiker ist Direktkandidat im Stimmkreis München-Land Nord – und hat Markus Söders Unterstützung.
Maximilian Böltl ist seit 25 Jahren bei den Konservativen und hat im Sommer 2022 seinen langjährigen Lebensgefährten Thomas Gierling geheiratet, wie die AZ exklusiv berichtete.
Maximilian Böltl spricht über Homosexualität in der Politik
Anlässlich des "Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. -feindlichkeit" (IDAHO) teilt Maximilian Böltl in der AZ seine Erfahrungen als schwuler Politiker. Erst kürzlich erlebte er eine homophobe Beleidigung.
Im Interview spricht Böltl außerdem über sein Coming-out, die Haltung der CSU zu Homosexualität und warum der CSU-Ausschluss beim Münchner CSD am 24. Juni gänzlich falsch ist.
Homosexueller CSU-Politiker: Anonymer Brief und homophobe Beleidigung
AZ: Herr Böltl, am 17. Mai ist der "Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. -feindlichkeit". Wie häufig sind Sie mit homophoben Äußerungen konfrontiert?
MAXIMILIAN BÖLTL: Kurz vor Beginn meiner Amtszeit als Bürgermeister von Kirchheim habe ich mal einen anonymen Brief bekommen. Seitdem war das für mich nie wieder ein Thema. Aber vor ein paar Tagen hat mich jemand bei uns im Einkaufszentrum "verrückter schwuler Hund" gerufen. Homophobie ist mitten unter uns. Das ist mir durch dieses Erlebnis wieder bewusst geworden. Deshalb müssen wir als Gesellschaft miteinander aktiv bleiben!
Maximilian Böltl: "Offenheit und Normalität wachsen mit Sichtbarkeit und Identifikation"
Warum braucht es diesen Tag noch?
Wir sind ein weltoffenes und ein liberales Land. Es muss selbstverständlich sein, dass zwei Frauen oder zwei Männer händchenhaltend laufen. Wir können froh sein, dass sich hier bei uns so viele gegen Homophobie einsetzen. Und natürlich muss man auch den Generationen vor uns dankbar sein, die sich schon vor Jahrzehnten für die Rechte und für Gleichberechtigung engagiert haben. Das war seinerzeit so schwierig und darf deshalb nie vergessen werden. Heute sind Sichtbarkeit und Identifikation wichtig. Dadurch wachsen Offenheit und Normalität.
Maximilian Böltl: Junge Schwule meinen, Makel ausgleichen zu müssen
Wann hatten Sie eigentlich Ihr Coming-out?
Das erste Outing hat man ja vor sich selbst. Darauf folgt dann die Angst vor den Reaktionen im eigenen Umfeld, die bei mir bis Mitte 20 dagewesen ist. Diese Angst war aber völlig unbegründet. Und da will ich jungen Menschen heute Mut machen. Habt keine Angst! Viele Jüngere, die nicht heterosexuell sind, haben außerdem das Gefühl, sie müssen irgendwie einen Makel an sich ausgleichen und entwickeln deshalb Ehrgeiz in ganz anderen Bereichen. Bei mir war das die Politik. Ehrgeizig bin ich immer noch, heute aber aus anderen Gründen. (lacht)

Gab es Vorbehalte in der CSU? Wie reagierte die Partei auf Ihre Homosexualität?
Inzwischen bin ich seit 25 Jahren in der CSU. Es ist ein bisschen wie in einer großen Familie halt auch – mit Höhen und Tiefen. Dass ich schwul bin, wurde völlig entspannt aufgenommen. In der CSU gab es absolut nie komische Kommentare. Im Gegenteil! Inzwischen wird da übrigens auch gar nicht mehr drüber gesprochen. Warum auch über ein Thema reden, das kein Thema mehr sein sollte? Mein Motto: Kein Geheimnis, aber auch keine Show. Man beurteilt einen Politiker nach Kompetenz und nach Sympathie.
Maximilian Böltl: CSU steht auch für Lieben und lieben lassen
Unter Stoiber fuhr die CSU noch einen ganz anderen Kurs. Sogar von "Teufelsanbetung" war damals die Rede.
Die CSU steht schon immer für Leben und leben lassen. Als moderne Volkspartei heute auch für Lieben und lieben lassen. Es gehört zu unseren christlich-sozialen Grundsätzen, dass wir jeden Einzelnen ganz individuell mit seinen Besonderheiten wertschätzen. Die Politik ist mitverantwortlich für das Lebensglück der Menschen. Dazu gehört auch das größte Glück, das ein Mensch erleben kann: Die Liebe. Daran darf doch niemand gehindert werden! Egal, wen oder wie er liebt. Das bedeutet aber auch, dass wir die klassische Familie nicht als altmodisch oder uncool abkanzeln, wie es linke Parteien oft tun.

Kritik an Drag-Lesung für Kinder: Politik soll sich raushalten, meint Böltl
OB Reiter sagt, er würde mit seinen Enkeln nicht hingehen. Manche in der CSU wollen sie absagen und verbieten lassen. Verstehen Sie die Aufregung um die Drag-Lesung für Kinder in der Stadtbibliothek?
Eltern wissen besser, was für ihre Kinder gut ist, als der Staat und können selbst entscheiden, was die Familie will. Ob Disney-Film oder Holzspielzeug. Die Politik muss da doch nicht überall mit reinreden. Wir sollten uns auf unsere Kernaufgaben konzentrieren, denn die sind aktuell groß genug.
Drag-Show und Volksmusik-Abend: "Kultur lebt von Vielfalt"
Waren Sie selbst schon auf einer Drag-Show?
Na klar! Aber genauso auch beim Volksmusik-Abend. Kultur lebt von Vielfalt.
Der CSD schließt die CSU heuer von der Parade aus. Was sagen Sie zu dieser Entscheidung?
Ganz persönlich finde ich Meinungen, die erstmal nicht meiner eigenen entsprechen, immer total spannend. Das öffnet den Blick und ermöglicht Dialog. Wir brauchen mehr Empathie und weniger Empörung. Im konkreten Fall ging es ja um Kinder. Da sind die Sensibilitäten zurecht groß und die Ansichten oft verschieden. Wenn die Toleranten untereinander nicht mehr tolerant sind, dann nutzt das den Intoleranten! Deshalb ist der Ausschluss der CSU vom CSD wirklich rückwärtsgewandt.
Ist LGBTQ+ ein Wahlkampfthema von Ihnen?
Ein politisches Thema ist das immer, als Politiker muss man aber Prioritäten setzen, um konkrete Verbesserungen für die Menschen erreichen zu können. Wir haben mit dem Stau im Großraum München, dem Wohnungsbau und der Energiewende drei ganz große Aufgaben vor uns, die wir sofort anpacken müssen. Unternehmer und Bürger bemängeln außerdem zurecht, dass Prozesse viel zu kompliziert und zu langsam geworden sind. Wir brauchen eine Bürokratie-Bremse. Und in unserer Region müssen wir drittens dafür sorgen, dass das Leben für alle Generationen und für jeden Geldbeutel bezahlbar bleibt. Dass keiner fallengelassen wird.

Maximilian Böltl über Ehemann Thomas: "Bin unendlich dankbar"
Ihre Hochzeit wurde in der AZ publik. Welche Rolle spielt Ihr Mann im Wahlkampf?
Ohne die Energie, die Thomas mir schenkt, wäre die Doppelbelastung aus Vollzeit-Bürgermeister und Wahlkampf überhaupt nicht möglich. Für seine Unterstützung bin unendlich dankbar, gerade weil er ja selbst in Job und Ehrenamt sehr eingebunden ist.