Gipfel der Rechten: "Identitäre Bewegung" rund um Martin Sellner hat Treffen in Bayern ausgerichtet
München/Dasing - Pläne zur Vertreibung von Millionen von Menschen sind keine neue Idee von Rechtsextremisten. Das beweist ein am Mittwoch öffentlich gewordenes Treffen im Regierungsbezirk Schwaben, über das die "Augsburger Allgemeine Zeitung" berichtete. Schon zwei Wochen vor dem Potsdamer Treffen haben sich AfD-Politiker in Dasing versammelt, um dort Vorträge von Extremisten zur "Remigration" anzuhören.
Mit dabei sollen neben zwei Landtagsabgeordneten der AfD auch Anhänger der vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Identitären Bewegung" gewesen sein. Darunter auch Martin Sellner, der als Aushängeschild der Gruppierung gilt.
Kurz vor dem Treffen in Potsdam präsentierte der Rechtsextremist also bereits in Dasing seine Ideen, wie Sellner am Mittwochmorgen auf seinem Telegram-Kanal bestätigte. In einer Nachricht bejaht er die Anwesenheit von AfD-Politikern und dass es um "Remigration" ging. "Na und?", schreibt Sellner dazu. Das Thema sei "schon überall" im Diskurs gewesen "und wir machen damit weiter".
Rechtsextremer Aktivist Erik Ahrens hält Vortrag bei Treffen in Dasing
Den "Schwabenkongress" in Dasing, so bezeichnet Sellner das Event in einem der AZ vorliegenden Video, hätten mehr als 60 Gäste, darunter viele junge Leute besucht. Laut der Videobotschaft soll neben dem ehemaligen Kopf der "Identitären Bewegung", auch Erik Ahrens einen Vortrag gehalten haben.
Der Mann steht dem AfD-Bundesvorstandsmitglied Maximilian Krah nahe und verantwortete als Geschäftsführer eines Medienunternehmens TikTok-Videos für den Europaabgeordneten. Eigenen Angaben zufolge schreibt Ahrens zurzeit an einem Buch über die "Rassentheorie" und "andere genetische Themen", teilte er auf dem Kurzbotschaftendienst X, vormals Twitter, mit. Dabei gehe es vor allem darum, wie man die "Genetikfrage" mit der Politik verbinden könne.
Darüber hinaus veröffentlichte er an Neujahr ein Foto, das in den Sozialen Medien für Diskussionsbedarf sorgte. Mit nach oben ausgestrecktem Zeigefinger ließ er sich vor einer Deutschlandflagge ablichten. Das Fingersymbol ist mittlerweile zu einem bekannten Zeichen von IS-Anhängern geworden. Auch der Terrorist Anis Amri zeigte die Geste vor seinem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin.
Zwei Landtagsabgeordnete der AfD haben an Treffen teilgenommen
Wer den Vorträgen von Ahrens und Sellner in Dasing zugehört hat? Laut der "Augsburger Allgemeinen" unter anderem die AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba und Franz Schmid. Gegen Halemba ermittelt die Staatsanwaltschaft in Würzburg wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Auch Schmid ist in der Szene kein Unbekannter.
Mitte Januar besuchte er nach dem AfD-Parteitag eine Disko im mittelfränkischen Greding. Wie Videos zeigen, stand der Landtagsabgeordnete neben einer Gruppe, die "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus", grölte. Schmid schrieb im Nachhinein auf Facebook: "Wer namentlich den Text anstimmte und sang, kann ich nicht sagen." Der Landtagsabgeordnete sei "kaputt vom Parteitag" gewesen und habe die Parolen nicht mitgesungen.
Verfassungsschutz bestätigt: Rechtsextreme Splittergruppe "Reconquista 2021" richtete Veranstaltung aus
Es ist nicht das erste Mal, dass der Politiker auffällig geworden ist. 2022 posierte er auf einem Foto, das der AZ vorliegt, neben Aktivisten der "Identitären Bewegung" vor einer Pressewand der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Laut Bayerns Verfassungsschutz ist diese Gruppierung überzeugt davon, dass ein "Volk" eine "ethnokulturelle Identität" habe, die sich durch eine gemeinsame Sprache, "Kultur", "Herkunft" und Religion auszeichne.
Auch beim Treffen in Dasing haben Anhänger der "Identitären Bewegung" teilgenommen - darunter Personen, die der Splittergruppe "Reconquista 2021" zugerechnet werden. Das beweisen Fotos von der Veranstaltung auf Instagram, die der AZ vorliegen. Bayerns Verfassungsschutz rechnet die Veranstaltung in Dasing sogar vollständig dieser Gruppierung zu, wie die Behörde auf AZ-Anfrage mitteilt.
Vergangene Woche wurde publik, dass mehrere Polizeipräsidien in Baden-Württemberg wegen einer Reihe von Delikten mit rassistischen Hintergrund gegen die Gruppierung ermitteln. Schon im Oktober 2023 befestigten Anhänger von "Reconquista 2021" ein Banner mit der Aufschrift "#Remigration" an einer Brücke in Ulm.
"Verbotsverfahren": Spitzenpolitiker reagieren auf neuen Erkenntnisse
Die neuen Erkenntnisse hinterlassen auch in Bayerns Landespolitik Spuren. „Stück für Stück entblößt die AfD weiter ihr wahres Gesicht. Sie schmiedet Pläne, um hunderttausende Deutsche zu deportieren, sie pflegt ihre engen Verbindungen zur rechtsextremen ‚Identitären Bewegung‘ und hofiert ungeniert neonazistisch auftretende Hardliner“, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag. „Die Remigrations-Fantasien wurden hier bei uns schon genährt, bevor die vielbeachtete Potsdamer-Runde stattfand.“
Die Grünen fordern von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine vollständige Aufklärung über die Erkenntnisse der bayerischen Behörden. Bayerns SPD-Vorsitzender, Florian von Brunn, fordert ein Verbotsverfahren gegen die AfD: „Der bayerische Verfassungsschutz muss jetzt die Handbremse lösen und eine Einstufung vornehmen. Wir brauchen ein Verbotsverfahren gegen die neuen Nazis von der AfD.“