Wegen RS-Virus: Münchens Kinderkliniken überlastet
München - In Münchens Kitas wird gerade wieder viel gehustet, gefiebert und geschnieft. Grund dafür ist das Respiratorische Syncytial-Virus (RSV), das bei Säuglingen und Kleinkindern der häufigste Auslöser für akute Atemwegserkrankungen ist.
Laut RKI haben nahezu alle Kinder bis zum Ende des zweiten Lebensjahres eine Infektion mit dem RS-Virus hinter sich. Innerhalb des ersten Lebensjahres infizieren sich bereits 50 bis 70 Prozent der Kinder. Typische Symptome zu Beginn der Infektion sind Schnupfen und trockener Husten (kein Schleim).
Ausnahmezustand für Münchens Kinderkliniken
"Die Klinik und die Notfallambulanz sind übervoll, die Wartezeiten sind sehr lang und die Aufnahme von schwerer erkrankten Kindern bei uns oder auch in naheliegenden Kinderkliniken ist schwierig und oft unmöglich", berichtet Prof. Dr. med. Johannes Hübner, stellvertretender Klinikdirektor und leitender Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital gegenüber der AZ.
Kinder und Eltern müssen zum Teil viel Zeit in der Notaufnahme verbringen, bevor ein Bett frei wird. "Teilweise mussten Kinder auch schon in sehr weit entfernte Kliniken verlegt werden, weil hier in der Umgebung gerade kein Bett frei war", schildert Prof. Dr. Hübner weiter.
Pflegenotstand wieder deutlich spürbar
Auch in der München Klinik ist die Infektionswelle spürbar angekommen, wie sie auf AZ-Anfrage mitteilt: "Aktuell sind nahezu alle Betten belegt und die Krankenhäuser helfen sich daher gegenseitig mit Übernahmen aus. Das ist uns aus den Vorjahren bekannt und ist auch in Spitzenzeiten normalerweise ein funktionierendes System."
Dass auch außerhalb der Spitzenzeiten verfügbare Betten temporär knapp werden, sei einerseits durch den Pflegemangel in Deutschland, andererseits durch Fehlanreize im Finanzierungssystem zu erklären: "Die Behandlung von Kindern ist deutlich aufwendiger und zeitintensiver und wird dafür zu niedrig vergütet."
Das Virus ist zu früh dran
Normalerweise verzeichnen Mediziner die ersten Fälle im November, seinen Höhepunkt erreicht das Virus dann im Januar oder Februar. Dieses Jahr hat die Welle früher begonnen und ist stärker als in den Vorjahren. "Außerdem sind mehr Kinder schwer erkrankt, als wir das sonst kennen. Wir haben bereits mehrere Kinder auf der Intensivstation aufnehmen müssen. Das war in den vergangenen Jahren eine absolute Rarität", sagt Hübner zur AZ.
RS-Virus: Warum sind vor allem kleine Kinder betroffen?
Für gesunde ältere Kinder und Erwachsene läuft das RS-Virus in der Regel wie eine leichte Erkältung ab. Für Ein- bis Vierjährige ist eine Infektion deutlich gefährlicher.
Prof. Dr. Hübner erklärt das gegenüber der AZ: "Je kleiner die Kinder, desto komplizierter die Verläufe. Grund dafür ist, dass die kleinen Kinder das erste Mal mit dem Virus in Kontakt kommen und deshalb noch keinen Schutz dagegen aufgebaut haben. Außerdem sind bei kleinen Säuglingen und Kleinkindern die Atemwege noch so eng, dass eine Schwellung der Schleimhaut schnell zu einem Atemwegshindernis führen kann."
Schwerere Folgen durch Lockdown
Für Prof. Dr. Hübner sind Lockdowns, Schul- und Kindergartenschließungen mitverantwortlich für die schwereren Verläufe: "Kinder machen in den ersten Lebensjahren praktisch immer eine Virusinfektion durch, RSV, aber auch andere. Durch die Corona-Maßnahmen ist das weitestgehend ausgeblieben." Viele Kinder kommen gerade zum ersten Mal mit dem Erreger in Kontakt und machen dabei oft auch schwere Infektionen durch.
Wann muss das Kind zum Arzt?
"Wenn Kinder erschwert und rasch atmen, hohes Fieber haben, nicht mehr trinken oder apathisch sind, dann sollte man das Kind auf jeden Fall einem Kinderarzt vorstellen, der dann entscheidet, ob das Kind stationär aufgenommen werden muss und Sauerstoff benötigt.
Dabei ist wichtig zu wissen, dass viele Viren solch eine Symptomatik hervorrufen können und auch die meisten dieser Viren zu schweren Verläufen führen können. Das ist nicht nur bei RSV so, sondern auch bei Grippe- oder Coronaviren der Fall. Es gibt auch noch weitere", erklärt Prof. Dr. Hübner.
Kein vollständiger Schutz vor dem Virus
Eine vollständige Vermeidung des Virus im Alltag ist schwierig und einen Impfstoff gibt es bisher noch nicht. Um eine Ausbreitung zu vermeiden, sollten Gemeinschaftseinrichtungen wie Krabbelgruppen und Kindergärten gemieden werden, solange von dem Kind ein Ansteckungsrisiko ausgeht.
Auch die altbekannten Hygienemaßnahmen wie richtiges Händewaschen, hygienisches Husten und Niesen etc. können helfen, die Viruslast zu verringern. Desinfektionsmittel, die vom Hersteller als "begrenzt viruzid" gekennzeichnet sind, eignen sich sehr gut zum Desinfizieren von Oberflächen und Spielsachen.
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