Warten auf die Corona-Impfung: Münchner Senioren berichten
München - Nur 21 neue Corona-Fälle in München und keinen neuen Todesfall hat die Stadt zum Wochenbeginn gemeldet, das sind gute Nachrichten. Eine Woche zuvor, am vergangenen Montag, waren es noch 71 neue Fälle und sieben Tote. Nach einem schleppenden Start, weil Impfstoff fehlt, geht es nun langsam voran. 12.000 Erst- und 9.000 Zweitimpfungen haben die mobilen Impfteams laut der Stadt bis vergangenen Donnerstag in den Pflegeheimen verabreicht. Nun sind auch über 80-Jährige dran, die selbständig wohnen. Rund 12.000 haben bis vergangene Woche ihren ersten Pieks bekommen. Aber viele warten noch. Einige ungeduldig, aber längst nicht alle. Die AZ hat sich umgehört.
Rita F.: "Es hat keinen Sinn, immer zu jammern"
Mit ihrem Mann hat Rita F. (88) einen Installateurbetrieb geführt. Bis Corona kam, lebte sie sehr aktiv im Münchner Norden. Das Virus hat aber alle Unternehmungen ausgebremst. Sie wartet noch auf einen Impftermin. Wie ist die Stimmungslage?

Rita F.: "Den ersten Brief von der Stadt fand ich noch gut. Da stand, dass ich zur ersten Impfgruppe gehöre und Bescheid bekomme, wenn es einen Termin gibt. 14 Tage später kam wieder ein Brief, aber ohne Termin, nur mit einer Hotline. Ich habe dann einen netten Mann in der Leitung gehabt, der sagte, sie würden sich melden, sobald sie Impfstoffe haben. Ich nehme an, sie rufen mich an, aber genau weiß ich jetzt auch nicht, wie es weitergeht. Es ist ja nicht so, dass ich mich ohne Impfung nicht raus traue. Ich sperre mich nicht ein, aber ich gehe nur, wenn ich muss - zum Orthopäden oder zum Einkaufen.
Dann bin ich auch öffentlich unterwegs, trage Maske, halte Abstand, wasche mir die Hände, ich habe da keine Ansteckungsangst. Aber mir fehlt das Aktivsein. Die Gymnastikstunden, das literarische Frühstück, die Laienspielgruppe, mein Spanischkurs. Auf die Impfung warte ich auch, weil ich meinen Sohn im August das letzte Mal gesehen habe, das ist schon schlimm. Und ich würde meine Freunde in Rosenheim und am Ammersee gern mal wieder besuchen. Ohne Impfung geht das nicht. Aber es hat auch keinen Sinn, immer zu jammern."
Helga K.: "Ich langweile mich keinen Tag"
Helga K. (82), früher Versicherungskauffrau, lebt in Freimann, hat zwei Enkel und elf Urenkel - und wartet noch auf einen ersten Impftermin. Ist sie schon ungeduldig?

Helga K.: "Ungeduldig bin ich überhaupt nicht, ich warte das einfach ab, bis es soweit ist. Ich langweile mich ja auch keinen Tag und kann mich beschäftigen, obwohl ich gerade keine Familie und Freunde sehen kann, außer meinen Freund am Wochenende. Er lebt aber in Erding und hat seinen ersten Termin schon diese Woche, leider sind wir also nicht gemeinsam dran. Ich lese viel, höre viel Radio, ich mache Handarbeiten und habe auch dauernd was im Haus zu tun. Ich freue mich wirklich drauf, wenn ich mal wieder einen Stadtbummel machen oder mich ins Café setzen kann. Reisen vermisse ich nicht, ich mache eh keine mehr, irgendwann spürt man halt das Alter doch. Also bin ich alles in allem sehr entspannt."
Sabine D.: "Beim Einkaufen ratschen wir auf Abstand"
Harmonika-Club, Kirchenchor, Schrebergarten, Volksliedersingen mit Seniorengruppen - im Leben von Sabine D. (81), die seit 53 Jahren im Norden Münchens wohnt, war ganz schön was los, bis Corona alles lahmgelegt hat. Zu einem Impftermin hat sie noch keine Nachricht, obwohl sie sich sofort selber online angemeldet hat. Pressiert's schon?

Sabine D.: "Nein, gar nix pressiert, ich finde ja sowieso, dass vor mir erst mal die Ärzte und Pfleger geimpft gehören, die viele Kontakte zu Risikogruppen haben. Mir fehlt ja nichts. Ich kann mich auch beschäftigen, ich spiele mir selber auf dem Akkordeon vor, ich gehe täglich zum Einkaufen, da treffe ich Leute, die ich kenne, wir ratschen auf Abstand. Im Schrebergarten ratscht man über den Zaun. Samstags kommt meine Tochter, ein Mal in der Woche mache ich ein Frühstück mit einer Nachbarin und ein Mal gehe ich zum Rommé-Spielen zu einem befreundeten Ehepaar. Bis nicht ganz viele geimpft sind, ändert sich draußen eh nichts. Also kann ich auch abwarten."
Hans Wolf: "Möchte nicht Kontakt verlieren"
Bis vor fünf Jahren ist Hans Wolf (85) noch in seiner "Wolf-Apotheke" in Moosach gestanden. Seine Frau und er, sie haben ein geselliges Leben geführt. Kontakt mit Kunden, Spielenachmittage mit der Familie, Skatabende mit Freunden. Inzwischen hat er begonnen, sich als Leih-Großvater um einen kleinen Buben zu kümmern, der ist inzwischen zehn. Seit Corona geht nichts mehr, keine geselligen Nachmittage, keine Treffen mit den Söhnen, kein Spielen mit dem Leih-Enkel. Nach langem Warten hat er vergangene Woche den ersten Impftermin bekommen. Wie geht's ihm?
Hans Wolf: "Was mich ärgert, ist, dass gleichaltrige Freunde in Puchheim, Dachau und Wasserburg schon seit zwei Wochen geimpft sind. Die fühlen sich jetzt viel lebenssicherer. Außerhalb Münchens bekommen sie die Impforganisation schneller hin als hier bei uns. Als ich jetzt endlich auch dran war, war die Wartezeit in der Schlange im Impfzentrum Riem zwar lang, aber das Personal war sehr hilfsbereit.
Man muss bei aller Kritik, die es vorher gab, auch mal sagen: Das klappt jetzt schon, sie haben das im Griff. Mich hatte bis zum Impftermin die Sorge geplagt, dass ich den Kontakt verlieren könnte. Zu den Söhnen, zu den Freunden. Wir werden ja alle älter. Es sind, seit wir uns nicht mehr treffen können, schon wieder drei gestorben, das ist sehr schmerzhaft. Bis nach der zweiten Impfung kann ich auch meinen Leih-Enkel nicht sehen. Der Mittwoch, an dem wir vor Corona vier, fünf Stunden miteinander gekocht oder Spiele gemacht haben, war uns heilig. Jetzt telefonieren wir nur. Ich hoffe, dass jetzt auch bald 50- und 60-Jährige geimpft werden, die draußen noch etwas leisten müssen."
Erste Impfdosis gab es im Impfzentrum in Riem
Therese K. (93), die früher Schneiderin war, lebt seit 33 Jahren in ihrer Münchner Wohnung. Kinder hat sie nicht, ihre Neffen und Nichten leben nicht in der Stadt. Ihre erste Impfspritze hat sie vergangene Woche im Impfzentrum in Riem bekommen. Weil Therese K. mit ihrem Rollator so weite Strecken allein nicht mehr schafft, hat ein Mitarbeiter eines Alten-und Servicezentrums sie zur Messe begleitet. Wie ist es ihr ergangen? Und wie denkt sie über die Impfung?

Therese K.: "Anstrengend war das, über eine Stunde in der Warteschlange zu stehen. Da war kein Stuhl, nichts. Am Tag danach ging es mir gut, aber jetzt tut mir der Arm weh, wo hineingespritzt worden ist. Ich wollte mich ja erst eigentlich nicht impfen lassen, weil ich kaum mehr hinaus komme und mich nirgends anstecken kann. Früher war das anders, da haben wir uns immer zu viert zum Kaffeetrinken am Marienplatz getroffen. Jetzt ist eine von uns gestorben und wir sind nur noch drei. Und ich sehe und höre schlecht und meine Füße sind nicht mehr so gut.
Also treffen wir uns nicht mehr. Ich habe seit einem Jahr keine Bekannten mehr gesehen. Einen Grund gibt es aber doch, warum ich mich für die Impfung entschieden habe. Weil ich mittags zum Essen ins ASZ hinüber gehe, da muss ich nur über die Straße. Da könnte ich ohne Impfung nicht hingehen, weil ja auch andere Menschen dort sind, aber wo sollte ich denn sonst essen. Sicher bin ich aber erst nach der zweiten Spritze, die ich im März bekomme. Aber schauen Sie mal, wie spät am Tag der Termin ist: 17.45 Uhr. Da komme ich ja erst abends um neun nach Hause! Das wird nochmal anstrengend werden."
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