"An Schäbigkeit nicht zu überbieten": Flüchtlings-Familie landet bei München auf der Straße
Eichenau - Es ist eine Geschichte, die zur Weihnachtszeit nicht passender hätte sein können. Da ist eine Familie, die auf der Flucht ist, und keine Unterkunft findet. Kommt Ihnen bekannt vor? Nur geht es nicht um Bethlehem, sondern um Eichenau im Landkreis Fürstenfeldbruck.
Familie flüchtet aus dem Jemen – und landet im Landkreis Fürstenfeldbruck
Aber von vorne: Herr M. stammt ursprünglich aus dem Jemen. Einem Land, in dem ein Bürgerkrieg zu einer humanitären Katastrophe geführt hat. M. ist als Flüchtling in Deutschland anerkannt und hat von seinem Recht auf Familiennachzug Gebrauch gemacht. Wer einen positiven Bescheid auf Asyl erhält, darf das.
An Nikolaus kam Frau M. mit ihren beiden Kindern, die zwei und fünf Jahre alt sind, in Deutschland an. Herr M. wohnt in einer Unterkunft des Landkreises Fürstenfeldbruck in der Gemeinde Eichenau. Dorthin brachte er zunächst auch seine Frau und seine beiden Kinder. Doch bereits nach zwei Nächten mussten sie auf Weisung des dortigen Hausmeisters aus der Unterkunft raus.
Das Landratsamt Fürstenfeldbruck sagt der AZ: "Zum Zeitpunkt der Ausstellung des Visums wusste Herr M. und auch seine Familie, dass eine Unterbringung durch den Landkreis Fürstenfeldbruck nicht erfolgen kann."
Herr M. werde in der Unterkunft lediglich geduldet – durch die Tatsache, dass er anerkannt ist, müsse ihn der Landkreis nicht mehr unterbringen. Das gelte auch für die Familie: "Ebenso wenig besteht die Verpflichtung des Landkreises, seine Familie unterzubringen."
Flüchtlingsfamilie bei München: Wer ist zuständig?
Bei Obdachlosigkeit, ob geflüchtet oder nicht, wäre nun die Gemeinde zuständig. Nur: Bürgermeister Peter Münster sieht "die Bundesrepublik, respektive den Freistaat Bayern" für die Unterbringung zuständig. "Nur als Beispiel: Jemand, der aus Ost-Timor hier herkommt, der wird nicht automatisch seine Obdachlosigkeit hier begründen können", sagt Münster der AZ. Das sei bei jemenitischen Bürgern nicht anders.
"Wir können als Kommune nicht verantwortlich sein bei acht Milliarden Menschen, und diese im Zweifel unterzubringen, wenn sie zu uns stoßen!" Die Gemeinde Eichenau habe dies zwar aus humanitären Gründen bereits gemacht. Dabei sei man aber "auf einem Haufen Geld sitzen geblieben." Inzwischen sei man nicht mehr gewillt, das so hinzunehmen: "Es ist ein Skandal, dass die Bundesrepublik das so durchführt!" Die BRD habe sie eingeladen, ohne dafür zu sorgen, dass sie eine Bleibe hat. Da müsse man das mal durchfechten.
Zu Lasten der Familie: Die kam zwei Nächte bei einem Freund in München unter, es folgen Nächte unter freiem Himmel in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofes. Die Familie geht schließlich zurück nach Eichenau, doch der Hausmeister der Unterkunft erlaubt nur einen kurzen Aufenthalt, um etwas zu essen.
Familie muss in Obdachlosenheim
Schlussendlich findet die Migrationsberatung von M. einen Platz für die Frau und die Kinder in einer Münchner Einrichtung für obdachlose Frauen, teilt der Bayerische Flüchtlingsrat mit. Gut geht es der Frau nicht: Sie hat laut M. große Angst, da ihr Vater im Jemen verhaftet und umgebracht wurde.
Aus Sicht von Münster muss Frau M. für sich und die Kinder einen Asylantrag stellen. Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat widerspricht: "Die Familie ist anerkannt!" Herr M. habe von seinem Recht Gebrauch gemacht.
Münster war früher Mitglied der FDP, im Dezember ist er ausgetreten. Hintergrund war ein Ultimatum durch den Bezirksvorstand der Oberbayern-FDP. Denn Münster wollte gemeinsam mit zwei Mitstreitern von der FDP im oberbayerischen Bezirkstag gemeinsam mit ÖDP und Bayernpartei mit einer Vertreterin der Querdenker-Partei "Die Basis" in einer Ausschussgemeinschaft zusammenarbeiten.
Dass der Familiennachzug möglich ist, ohne ausreichenden Wohnraum nachzuweisen, kritisiert auch Thomas Karmasin (CSU), Landrat von Fürstenfeldbruck, im Gespräch mit der AZ. Schon jetzt seien die Landratsämter mit der der eigentlichen Unterbringungsaufgabe, nämlich von Asylbewerbern, überfordert.
"Es war der Fehler der Bundesregierung – trotz unserer ausdrücklichen Warnungen – , nicht unserer, dieses Problem zu ignorieren und die Frage der Wohnraumversorgung für den Familiennachzug nicht zu klären", sagt der Landrat. Das Landratsamt sei in dem Fall schlicht nicht zuständig.
"An Schäbigkeit nicht zu überbieten!"
Eine Zuständigkeitsposse auf Kosten der jemenitischen Familie. "Das ist an Schäbigkeit nicht zu überbieten und vermutlich rechtswidrig", sagt Dünnwald.
Den schwarzen Peter will sich Karmasin jedoch nicht zuschieben lassen und erinnert: "Im Übrigen war in diesem Fall auch der Vater nicht mehr unterbringungspflichtig, er hätte sich seit seiner Anerkennung eine eigene Wohnung suchen können und müssen."
Aber auch Bürgermeister Münster sieht Dünnwald in der Pflicht: "Er muss sich fragen lassen, ob er nicht wenigstens über Weihnachten eine Unterkunft anbieten könnte." Dünnwald zieht ein bitteres Resümee: "Das Flüchtlingsrecht, es gilt nichts im Landkreis Fürstenfeldbruck." Münster sei "sehr daran interessiert, das gerichtlich zu klären." Ihm komme auch komisch vor, dass solche Fälle "ausgerechnet immer vor Weihnachten erfolgen", und vermutet System dahinter.
Das Gericht hat entschieden
Tatsächlich hat Münster nun den Kürzeren gezogen. Wie das Verwaltungsgericht bestätigt hat, ist die Gemeinde Eichenau in diesem Fall zuständig. "Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zur Behebung der Obdachlosigkeit eine Notunterkunft zuzuweisen und vorläufig bis zum 31. März 2024 zur Verfügung zu stellen", heißt es in dem Beschluss, der der AZ vorliegt.
Für die AZ war Münster am Mittwoch (3. Januar) nicht zu sprechen, da er im Urlaub ist. Nach AZ-Informationen ist die Gemeinde dem Beschluss nachgekommen, die Familie ist nun in einem Zimmer untergebracht.
- Themen:
- Bayernpartei
- CSU
- FDP
- München