"Mit dem Rücken zur Wand": Gemeinden um München können Flüchtlinge kaum noch unterbringen
München - Es war ein Hilferuf, mit dem sich das Landratsamt Miesbach in Sachen Flüchtlingsunterbringung vorletzte Woche an die Öffentlichkeit wandte. Alle zwei Wochen kämen 50 neue Flüchtlinge an. Inzwischen seien 1900 Personen im Kreis Miesbach untergebracht – oft mehr schlecht als recht. Zwei von drei Hallen waren Mitte September bereits voll belegt.
Man stehe mit "dem Rücken zur Wand", heißt es beim Miesbacher Landratsamt über die noch vorhandenen Kapazitäten bei der Unterbringung von Asylbewerbern. So könne "es nicht weitergehen", sagt eine Sprecherin der AZ.

Auch im Dachauer Landratsamt sehen die Verantwortlichen "die Belastungsgrenze bei der Flüchtlingsaufnahme erreicht". Eine Sprecherin sagt der AZ: "Derzeit bekommen wir im Landkreis alle 14 Tage eine Zuweisung aus dem Ankerzentrum mit 50 Flüchtlingen und/oder Asylsuchenden."
"Brauchen Entlastung": Landkreise um München bei Flüchtlingsunterbringung am Limit
Klar ist: Immer mehr Landkreise im Großraum München sind am Limit. Beim Landratsamt Fürstenfeldbruck heißt es: "Das Zugangsgeschehen gewinnt an Dynamik." Für den Brucker Landrat Thomas Karmasin (CSU) ist im AZ-Gespräch klar: "Die Kommunen brauchen dringend eine Entlastung bei der Unterbringung."
Der Präsident des Bayerischen Landkreistags findet deutliche Worte in Richtung Berlin: "Es wird Zeit, dass die Bundesregierung nicht weiter die Augen vor der großpolitischen Asyllage verschließt." Längst platzen die staatlichen Erstaufnahmeeinrichtungen für neu ankommende Geflüchtete aus allen Nähten. Die Regierung der Oberpfalz meldet für das dortige sogenannte Ankerzentrum aktuell eine Belegung mit rund 1900 Menschen. Dabei ist das Zentrum eigentlich nur für 1450 Menschen konzipiert.
Olching: Anwohner protestieren gegen Container-Anlage für Flüchtlinge
Das Ankerzentrum in Oberbayern mit Hauptsitz in Manching (Landkreis Pfaffenhofen) ist nach Angaben eines Sprechers derzeit zu 95 Prozent ausgelastet. Doch die Unterbringungen in den Landkreisen selbst gestaltet sich immer schwieriger. Der Widerstand in der Bevölkerung wächst vielerorts.
In Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck wollen viele eine vom Landkreis geplante Container-Anlage mit Platz für 380 Flüchtlinge verhindern. Viele Menschen vor Ort glauben, dass eine Integration schlicht nicht mehr möglich sei, wenn sich die Zahl der Schutzsuchenden in der an der Amper gelegenen 28.000 Einwohner zählenden Stadt auf einen Schlag von 380 auf gut 760 verdoppeln sollte.
"Kipppunkt": Für die Geflüchteten fehlt es nicht nur an Wohnraum
Unstrittig ist: Für die zuständigen Behörden wird es immer schwieriger, private Immobilienbesitzer zum Vermieten ihrer Objekte zu begeistern. Gerade erst scheiterte die geplante Unterbringung von 440 Menschen in einem Hotel in Gersthofen bei Augsburg. "Wir sind in einer Situation, wo wir eigentlich eine vernünftige Unterbringung kaum mehr gewährleisten können," sagt Landkreistagschef Karmasin. Es drohe ein "Kipppunkt", ab dem die Menschen später schlichtweg nicht mehr integriert werden könnten. Denn es fehle nicht nur an Wohnraum.
Karmasin hat ein düsteres Bild über die Integrationschancen der nun ankommenden Flüchtlinge: "Sie werden sich im Arbeitsmarkt kaum integrieren können. Es fehlt an allen Ecken und Enden, etwa an Kinderbetreuungsplätzen, an Schulplätzen." Auch gebe es Probleme bei der medizinische Versorgung.
Im Landkreis Dachau gelingt es zwar immer noch, alle Ankommenden unterzubringen. Doch Landrat Stefan Löwl (CSU) fürchtet um deren Integration: "Es bedarf auch Kita- und Schulplätze, Einkaufsmöglichkeiten und sozialen Anbindungen."
Bayerns Landräte fordern neben mehr Geld vom Bund vor allem eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Klar ist: Der Druck auf die Ampel in der Migrationspolitik wächst.
Die Flüchtlingssituation in München und Bayern
Die steigende Zahl der Geflüchteten in Bayern stellt den Freistaat und seine Landeshauptstadt vor große Herausforderungen. Allein in Oberbayern zählt das Bayerische Landesamt für Statistik Anfang Dezember rund 137.600 Schutzsuchende, etwa 58 500 von ihnen in München. Die AZ zeigt Ihnen in einer neuen Serie die Situation aus Sicht der Politiker, der Geflüchteten und der Helfer.