Update

Trotz astronomisch hoher Kosten: Stadtrat sagt "Ja" zur U9

Die grün-rote Regierungskoalition im Stadtrat, die CSU-Fraktion und auch der OB haben sich im Vorfeld für den Bau ausgesprochen, der 662 Millionen Euro kosten soll. Die Staatsregierung lobt den Beschluss als "gutes Signal für den ÖPNV in München". Aus Berlin kommen sehr skeptische Töne.
Autorenprofilbild Christina Hertel
Christina Hertel
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
9  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Bei der U9 (die noch Zukunftsmusik ist), sollen Bahnsteigtüren gleich mitgeplant werden. Die S-Bahn müsste man nachrüsten.
Bei der U9 (die noch Zukunftsmusik ist), sollen Bahnsteigtüren gleich mitgeplant werden. Die S-Bahn müsste man nachrüsten. © V isualisierung: MVG

München - Der Münchner Stadtrat glaubt (zumindest mit einer großen Mehrheit) weiterhin daran, dass eines Tages eine neue U-Bahn-Linie U9 Sendling und Schwabing miteinander verbindet.

Bau der U9: Deutsche Bahn drängt auf eine Entscheidung des Stadtrats

Grüne, SPD, CSU und FDP haben am Mittwoch  in der Vollversammlung dafür gestimmt, mehr als 562 Millionen Euro für ein Vorhaltebauwerk auszugeben, aus dem später eine U-Bahnstation der U9 am Hauptbahnhof werden soll.

Die Deutsche Bahn hatte auf eine Entscheidung des Stadtrates gedrungen, weil sie den U-Bahnhof in seine Planungen am Hauptbahnhof integrieren muss. Sie drohte der Stadt sogar mit einer Schadenersatzforderung von 700 Millionen Euro – wenn sie neu planen muss. So steht es in einem Schreiben der Kämmerei.

Bau der U9: Den Grünen machen die Kosten Sorgen

Dass die Grünen dem teuren Vorhaltebauwerk nur mit einem "Bauchgrummeln" zustimmen, machte Fraktionschefin-Chefin Mona Fuchs deutlich. Denn: Zwar entwickle sich der Hauptbahnhof zum Nadelöhr und brauche Entlastung.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Allerdings machen den Grünen die Kosten Sorgen. 2019 war der Stadtrat davon ausgegangen, dass das Vorhaltebauwerk 419 Millionen Euro kostet. Nun ist klar: Es werden wohl mindestens 663 Millionen Euro. Darin sind 100 Millionen Euro für die Planung der U9 enthalten. Doch gebaut ist dann noch kein Meter U-Bahn.

Stadtkämmerer Fey hält die U9 für nicht finanzierbar

Mit Kosten von insgesamt zehn Milliarden Euro rechnet Kämmerer Christoph Fey (SPD). Er warnt in dem Papier außerdem, dass noch keine Förderzusage des Bundes besteht und dass die Stadt, selbst wenn diese erteilt würde, einen großen Teil der Kosten (nämlich bis zu 6,7 Milliarden Euro) selbst schultern müsse.

Außerdem erinnert der Kämmerer daran, dass München noch andere ÖPNV-Maßnahmen vor hat: die Verlängerung der U5 nach Pasing, der Tramausbau und der Ausbau der S8. Macht unterm Strich 30 Milliarden Euro.

Selbst, wenn München hohe Zuschüsse vom Bund bekommt, rechnet der Kämmerer damit, dass München für all seine ÖPNV-Projekte bis zu 14 Milliarden Euro zahlen muss. Frey hält deshalb die U9 für nicht finanzierbar.

Diese Einschätzung teilte aber nur die Opposition: "Wir stellen heute die Weichen, dass wir bald eine total verschuldete Stadt sind", warnte Brigitte Wolff von der Linken. Sie erinnerte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) außerdem daran, dass er dem Vorhaltebauwerk bloß zustimmen wollte, wenn es eine Finanzierungszusage seitens des Bundes und des Freistaats gibt.

Mona Fuchs schimpft Richtung Berlin: "So kann man mit einer Kommune nicht umgehen"

Allerdings gibt es bis jetzt bloß einen optimistischen Brief aus dem bayerischen Verkehrsministerium. Darin stellt Minister Christian Bernreiter (CSU) eine Förderung von zehn Prozent in Aussicht. Vom Bundesverkehrsministerium gibt es so eine Zusage nicht.

"So kann man mit einer Kommune nicht umgehen", schimpfte Grünen-Chefin Fuchs deshalb. Auch OB Reiter betonte, dass er sich mehr erhofft hätte – auch, was die Umgangsformen betritt. Statt dem Bundesverkehrsminister persönlich habe bisher nur der Staatssekretär geantwortet. "Aber ich bin selbstbewusst genug, dass mir das nichts ausmacht." Er sei hoffnungsvoll, dass die Regierung nicht bloß Sonntagsreden zur Verkehrswende hält, sondern diese auch finanziert.

Bau der U9: Bis dato gibt es noch keinen Förderantrag des bayerischen Verkehrsministeriums

Doch wie realistisch ist das? Welche Zuschüsse Berlin macht, um den ÖPNV-Ausbau in ganz Deutschland zu finanzieren, ist in dem Programm zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz geregelt. Jedes Jahr wird das Programm fortgeschrieben. Es tauchen darin aber nur Projekte auf, für die in den nächsten fünf Jahren Mittel abfließen.

Einer, der sich im Bundestag gut mit diesem Programm auskennt, aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt: Ihn wundere es nicht, dass der Bundesverkehrsminister keine konkretere Förderzusage gab. "Dafür sind die Planungen für die U9 noch viel zu unkonkret." Was ihn aber erstaunt: "Wie wenig der Münchner Stadtrat über die Förderrichtlinien weiß."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Bayerns Verkehrsminister Bernreiter bedankt sich bei OB Reiter für "Zukunftsentscheidung"

Denn die Stadt hätte sich erst mit dem Freistaat einigen müssen, dass die U9 auf die Liste der Maßnahmen kommt, für die Bayern Fördermittel beim Bund anmelden will. Doch bis jetzt hat sich das bayerische Verkehrsministerium noch um keine Förderung der U9 bemüht.

Tatsächlich kündigte der bayerische Verkehrsminister erst vor gut zwei Wochen an, dass er die U9 beim Bund anmelden will. Dafür benötige sein Haus aber noch "Unterlagen zu den groben Eckpunkten des Projekts". Nach der Stadtratssitzung bedankte sich Verkehrsminister Bernreiter trotzdem beim Münchner OB für "diese Zukunftsentscheidung".

Der Experte aus dem Bundestag klingt weniger optimistisch: Zwar weist das aktuelle Bundesprogramm immer bloß fünf Jahre in die Zukunft, doch alle Projekte, die bis jetzt darin enthalten sind, seien so aufwendig und teuer, dass die Mittel bis in die 2040er Jahre gebunden seien.

Es könnte also sein, dass sich ein Vorschlag der FDP doch noch lohnt: Deren Verkehrsexperte Fritz Roth schlägt vor, das Vorhaltebauwerk als kulturelle Zwischennutzung zu verwenden – zumindest so lange, bis die U-Bahn fährt.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
9 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Schorsch77 am 01.12.2022 01:08 Uhr / Bewertung:

    Millionengrab in Ebene U8...

  • Dimpfe am 30.11.2022 20:13 Uhr / Bewertung:

    "Aus Berlin kommen sehr skeptische Töne"

    klar. Aus einer Stadt/Bundeslandland/Regierung die NIX auf die Reihe bekommen.

  • Sehendes Auge am 30.11.2022 17:07 Uhr / Bewertung:

    Das nächste Milliardengrab - was solls, der Michel zahlt

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.