Tricks von René Benko aufgedeckt: Mit riskantem Risiko zum Immobilien-Imperium in München

Der Hamburger Diplom-Ökonom Nikolaj Schmolcke (58) hat für die AZ einen Blick in die Bilanzen von René Benkos wichtigsten Firmen im Signa-Imperium geworfen.
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René Benko hat in vielen großen Städten in Deutschland einen Scherbenhaufen hinterlassen.
René Benko hat in vielen großen Städten in Deutschland einen Scherbenhaufen hinterlassen. © dpa / Frank Rumpenhorst

München - Konzernabschlüsse von Unternehmen geben sehr viel preis. Sie geben Auskunft, wie gut oder schlecht es um eine Firma steht. "Sie sind eine Fundgrube von Wahrheit, Lüge, Hoffnungen und Enttäuschung", sagt der Diplom-Ökonom Nikolaj Schmolcke. Bilanzen können Hinweise geben, wo etwas aufpoliert wurde oder verborgen werden soll – dafür muss man die Zahlen nur richtig lesen können.

Der Hamburger Nikolaj Schmolcke findet Bilanzen "sexy". Für die AZ hat sich der Ökonom (58), der unter anderem Finanzchef bei der Lufthansa und Vapiano war, Konzernabschlüsse der zwei wichtigsten Signa-Firmen angeschaut: Benkos Mutterkonzern, die Signa Holding GmbH, und die Tochtergesellschaft Signa Prime Selection AG, in der die Immobilien-Filets gebündelt sind.

Hatte René Benko etwas zu verbergen? Signa-Firmen veröffentlichen Jahresabschlüsse sehr spät

Dazu gehören der Elbtower in Hamburg oder das KaDeWe in Berlin sowie in München die Alte Akademie (im Erbbaurecht), das Kaufhaus Oberpollinger oder das ehemalige Kaufhausareal zwischen Hauptbahnhof und Stachus. Die Bilanzen sind öffentlich zugänglich.

Sofort ins Auge fällt dem Experten, dass die insolvente Signa Holding und die Signa Prime Selection AG ihre Abschlüsse teils sehr spät veröffentlicht haben. Bei der Prime dauerte es bis zu fünf Jahre nach dem Stichtag, bei der Holding bis zu vier Jahre. Einen Konzernabschluss gibt es nur für die Prime Selection. Sie hat ihn für das Jahr 2021 erst nach 22 Monaten, für das Jahr 2022 nach zehn Monaten veröffentlicht. Standard bei DAX-Unternehmen sind zwei Monate.

"Ganoven brauchen etwas länger": Weswegen sich die Benko-Firmen so viel Zeit ließen

Schmolcke sagt: "Wer nicht veröffentlicht, hat ein Problem oder etwas zu verbergen – oder beides." Die Signa begebe sich mit ihrem Tempo in kein gutes Umfeld. "Die Signa befindet sich damit in der Gesellschaft von dem Unternehmen P&R Container, Grünwald", sagt Schmolcke. Diese Firma veröffentlichte ihre Bilanzen ebenfalls teils erst Jahre später.

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P&R ging als Betrügerfirma in die Geschichte ein. Sie verkaufte Anteile an Containern, die weltweit an Reedereien und Logistikunternehmen vermietet werden sollten. Doch das geschah nur anfangs. Zig Tausende Container existierten gar nicht. Das Schneeballsystem flog 2018 auf, viele Anleger, darunter viele, die damit ihren Ruhestand absichern wollten, verloren viel Geld. Die Gläubigerversammlung fand wegen der vielen Geschädigten in der Münchner Olympiahalle statt.

P&R, dem so viele ihr Geld anvertraut hatten, hatte jahrelang überhaupt keine Bilanzen veröffentlicht, was sich im Bundesanzeiger nachvollziehen lässt, so Schmolcke. Was die sogenannte Abschlussdauer betrifft – die Zeit, die Firmen für ihre Bilanz brauchen – resümiert er: "Profis sind schnell, Ganoven brauchen etwas länger."

So trickste sich René Benko zu Millionen-Gewinnen

Aus den Abschlüssen der Signa liest Schmolcke – der Managern, Aufsichtsräten und Juristen Seminare gibt –, vieles heraus: zum Beispiel, dass sich die Signa über sogenannte Share Deals die Grunderwerbssteuer sparte. Oder dass die Prime Selection allein im Jahr 2021 bei einem Umsatz von 438 Millionen Euro einen Gewinn von 732 Millionen Euro schaffte.

Nikolaj Schmolcke (58) ist Wirtschafts-Experte und gibt Managern Seminare, wie man Bilanzen liest.
Nikolaj Schmolcke (58) ist Wirtschafts-Experte und gibt Managern Seminare, wie man Bilanzen liest. © Frank von Wieding

Eine tragende Rolle dabei spielen dabei die gestiegenen Bewertungen für Benkos Immobilien. Jede einzelne ließ er schätzen, was er zukünftig für sie bekommen kann. "Durch die Höherbewertungen zeigt er dann Gewinne an", erklärt Schmolcke. Allein 2021 wurde Benkos Immobilienbestand so um eine Milliarde aufgewertet.

Das funktionierte, weil die Prime Selection nicht nach dem UGB (österreichisches Pendant zum HGB) bilanziert, sondern nach Internationalen Finanzreporting Standards (IFRS). Denen zufolge können Immobilien höher bewertet werden als zu ihren Anschaffungskosten. Aus den Abschlüssen ist auch herauszulesen, dass die Gesellschaft, die die Alte Akademie kaufte, 12,6 Millionen Euro Verlust im Jahr 2021 machte, oder dass die Signa für den Münchner Bahnhofsplatz Darlehen in Höhe von 120 Millionen Euro aufnahm.

"Das ähnelt Casino, Glücksspiel": René Benko ging Risiko – und zog damit Investoren an

Auffallend ist: René Benko setzte auf volles Risiko. "Er hat 3,6 Milliarden Euro von 6,7 Milliarden Euro Kreditvolumen mit variablen Zinsen geführt. Das ähnelt Casino, Glücksspiel", sagt Schmolcke. Denn: Steigen die Zinsen, explodieren die Kosten. "Ein Prozentpunkt höhere Zinsen entsprechen 36 Millionen Euro – pro Jahr. Steigen die Zinsen – wie zuletzt – um drei Prozent, entspricht das über 100 Millionen pro Jahr – zusätzlich."

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Die Prime Selection AG hatte 2022 kurzfristiges Vermögen in Höhe von 686 Millionen Euro, denen kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 2,7 Milliarden gegenüberstanden. 2021 lag diese Unterdeckung noch bei 1,4 Milliarden. "Das hat die Prime Selection gemäß ihrer Kapitalflussrechnung nicht davon abgehalten, 225 Millionen Euro Dividende auszuschütten", erläutert der Experte für Bilanzen.

Illegal sei das alles nicht, betont Schmolcke. Er fasst zusammen: "Benko bewertet die Immobilien hoch, zeigt dadurch Gewinne, wird attraktiv für Investoren und sammelt Geld ein von den Banken. Und dann schüttet Prime Selection 225 Millionen Euro Gewinn aus." Dieses Risiko seien die Geldgeber eingegangen. "Es kommt auf die Bereitschaft an, das mitzumachen. Die Gläubiger haben das in Kauf genommen. Den Rest regelt jetzt die Insolvenzverwaltung."

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24 Kommentare
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  • FredC2 am 18.12.2023 14:58 Uhr / Bewertung:

    für mich hat das schon lange nach einem gewaltigen Schneeball-System ausgesehen (mal ehrlich, wer kauft z.B. einen Kaufhaus-Konzern im 21. Jahrhundert??)
    Da haben sich viele blenden lassen , weil es wurden ja tolle Bauprojekte fertiggestellt, und ein paar weitere schöne waren in der Pipeline. Da haben wohl einige gedacht, dass muss super seriös sein.
    Jetzt ist es aber vermutlich eher super ruinös, jedenfalls für den ein oder anderen =( grinsen

  • Sarah-Muc am 18.12.2023 17:38 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von FredC2

    Die, die dort investiert haben sind keine "Laien" - die wussten, auf was sie sich einlassen.

  • FredC2 am 19.12.2023 16:52 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Sarah-Muc

    Da wär' ich mir nicht so sicher.
    Und warten wir mal ab, welche Kreise das noch zieht. Dürften ja bislang auch noch "nicht realisierte Verluste" sein..

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