SPD-Stadtrat Roland Hefter: "Rock'n'Roll ist ehrlicher als Politik"
München - Am Freitag erscheint mit "So lang's no geht" die neue Platte des "Isarriders" Roland Hefter. Seit einem Jahr sitzt der gebürtige Waldperlacher zudem für die SPD im Stadtrat. Ein Gespräch über singende Bürgermeister, die Mühen der politischen Ebene und seine Beinahe-Karriere als Orchestertrompeter.
AZ: Herr Hefter, Ihre neue Scheibe heißt "So lang's no geht". Müsste sie nicht eher "Sobald's wieder geht" heißen?
ROLAND HEFTER: Man konnte und kann in der Krise beobachten, dass Menschen, die zuvor das Leben genossen haben, besser durch die Krise kommen. Denen es zu normalen Zeiten schon schlecht gegangen ist, die zieht es weit runter. Da wird die Krise zur Katastrophe. Aber normale Zeiten sind gute Zeiten. Wenn diese Zeiten wieder kommen und wir, im Vergleich zu vielen anderen Menschen, wieder in paradiesischen Zuständen leben dürfen, sollte jeder das Leben in vollen Zügen genießen - und zwar "So lang's no geht". Das wird vielen helfen, die nächste Krise besser zu überstehen.
Roland Hefter: "Die meisten Songs sind während Corona entstanden"
Wann ist der Titelsong entstanden?
Kurz vor Corona. Die meisten Songs sind aber während Corona entstanden, wobei auch ältere Songs drauf sind, die ich neu aufgenommen hab'.
"München unser Stadt" ist ebenfalls schon ein bekannter Song…
Mei, da ist mir was passiert! Ich hab' das Lied in einer neuen Tonart aufgenommen, weil ich ein bissl höher singe als der Bürgermeister. Das ist ja ein älteres Lied, das ich immer mal mit einem Prominenten machen wollte. Vor der Kommunalwahl ist dann die Version mit Dieter Reiter fertig geworden. Als ich jetzt die 5.000 CDs vom Presswerk abgeholt und nochmal angehört hab', merke ich: 'Oh Mann, da ist die Version vom Bürgermeister drauf!' Totale Katastrophe. Der Techniker hat das verwechselt. Ein Teil der CDs ist schon im Handel - die hab' ich zurückgeordert, und die bekommen jetzt einen Aufkleber: "Hier singt der Bürgermeister." Als ich's ihm gebeichtet hab', hat er gemeint: "Das wird den Verkauf allerdings bremsen." Gott sei Dank hat er Humor, unser Bürgermeister.
"Ich muss wissen, was die Menschen bewegt"
Wenn wir schon bei der Politik sind: Seit einem Jahr sitzen Sie für die SPD im Stadtrat. Wie ist es da so?
Ich habe gelernt, dass das wirklich was für langfristige Anleger ist. Bis man von einer Idee mal was sieht: Das dauert ewig! Für jemanden, der immer selbständig gearbeitet hat, ist das manchmal nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Stadt wegen Corona viel weniger Geld hat und viele Pläne brachliegen. Ansonsten habe ich festgestellt, dass die Vorarbeit für die Arbeit als Stadtrat nicht viel anders ist, als wenn ich ein Lied schreibe. Ich muss wissen, was die Menschen bewegt. Ich höre mir ihre Sorgen und Geschichten an, versuche mich hineinzuversetzen. So wird in der Musik daraus ein Lied und im Stadtrat ein Antrag.
Was sind Ihre Themen im Stadtrat?
Ich bin unter anderem im Mobilitäts-Ausschuss. Da muss ich nicht wissen, wie - nur als Beispiel - die neue Trambahn technisch funktioniert. Mir ist wichtig: Wollen die Leut' die Trambahn? Wir sind Volksvertreter, keine Erzieher. Wir sollen schon eine Richtung vorgeben, aber behutsam, ohne die Stadt zu spalten.
"Münchner müssen sich ihre Stadt leisten können"
Weitere Themen?
Kultur, Personalverwaltung und Soziales. Die Münchner müssen sich ihre Stadt leisten können. Wir müssen schauen, dass es auch denen gut geht, die nicht so viel Geld haben, denn nur so haben auch die mit viel Geld auch ein gutes Leben. Wenn die Schere zwischen arm und reich größer wird, brauchen irgendwann die Reichen eine Mauer um ihre Villen, weil soziale Ungerechtigkeit immer auch einen Anstieg von Kriminalität bedeutet. Auch darum müssen wir uns um die Abgehängten kümmern - für den Frieden in der Stadt. Leider sehe ich auch eine Spaltung zwischen Auto- und Radlfahrern. Das beschäftigt mich sehr. Die Mobilitätswende kann nur zusammen funktionieren, mit neuen Radwegen, emissionslosen Autos und einem verbesserten ÖPNV.
In München weltbekannt geworden sind Sie mit Ihrem Anti-AfD-Video "Mia ned" zur sogenannten Mut-Wahl im Herbst 2018. Heute sitzen Sie mit AfD-Vertretern sozusagen am Tisch. Ein Spaß, oder?
In der Vollversammlung hocken die zehn Meter rechts hinter mir, sagen aber nicht viel, und wenn, dann ist es meistens komplett daneben. Mit denen redet auch keiner. Spaß haben sie nicht. Abgesehen davon, passieren in den Vollversammlungen manchmal fragwürdige Dinge. Anstatt konstruktiv zu debattieren, geht es oft nur darum, den politischen Gegner schlecht zu machen und mit ein paar knackigen Worten in die Presse zu kommen. Was ich nach einem Jahr Stadtrat gelernt habe: So ehrlich wie der Rock'n'Roll wird die Politik nie werden.
Das Bühnentier in Ihnen hat seit einem Jahr Zwangspause. Wie gehen Sie damit um?
Teilweise fahre ich wirklich mit meinem Bus herum, weil ich so das Gefühl habe, ich fahre zu irgendeinem Auftritt. Auf diese Art und Weise komme ich auch raus aus der Stadt. Das tut mir gut. Das Musikerleben ist ja auch viel Autofahren und Schauen: Das geht mir, abgesehen vom Publikum und der Live-Atmosphäre, total ab. Immerhin sind die Corona-Hilfen angekommen, wenn auch viel zu spät. Viele Kollegen sind leider durchs Raster gefallen, aber man kann nicht pauschal sagen, die Hilfen hätten nicht gegriffen.
"Der nächste Schritt: Mehr Freiheiten für Geimpfte und Getestete"
Und im Kulturausschuss? Allgemeines Achselzucken, oder?
Es gibt wieder Überlegungen zum "Sommer in der Stadt", aber dafür ist heuer viel weniger Geld da. Dann gibt es die Gerüchte, dass bei Außenveranstaltungen nicht mehr als 50 Leute zugelassen werden sollen. Das würde so viel flachlegen! Hoffentlich sind es nur Gerüchte. Wir versuchen, das gerade zu klären. Der nächste Schritt: mehr Freiheiten für Geimpfte und Getestete. Nicht nachvollziehbare Richtlinien wie im letzten Jahr, Veranstaltungen pauschal auf 200 Personen zu beschränken, egal wie groß die Halle war, darf es nicht wieder geben.
Wie sind Sie als gelernter Schriftenmaler zur Musik gekommen?
Mit neun habe ich mit Trompete angefangen, drei, vier Stunden am Tag geübt, wäre vielleicht sogar Profi-Trompeter in einem Orchester geworden. Die Trompeten auf der CD hab' ich alle selbst gespielt.
Und die Gitarre?
Ich hab' viel die österreichischen Liedermacher gehört, Bob Dylan gemocht und mir mit 15, 16 das Gitarrespielen selbst beigebracht. Seitdem mach' ich Lieder. Mir sind die Texte sehr wichtig. Auch aus den Betonungen der Silben entstehen meine Melodien. Mit Texten kann man Emotionen wecken, und das geht als Liedermacher deutlich besser als beim Spiel der Trompete. Nach der Lehre als Schilder- und Lichtreklame-Hersteller habe ich Grafikdesign studiert und, bis ich 40 war, als Grafiker viel gearbeitet, am Schluss nur noch halbtags, weil die Musik immer mehr wurde. Um das Studium zu finanzieren, hatte ich angefangen mit Tanzmusik. Volksfeste, Hochzeiten, Tanzturniere: Wir haben alles gespielt. Irgendwann wurden die Auftritte mit eigenen Liedern mehr, und ich hatte meine eigene Band. Aber fünf, sechs Mal im Jahr spielen wir auf Partys Cover von AC/DC bis Oberkrainer. Und am ersten Wiesn-Sonntag in der "Bratwurst". Vor Jahren hatte der Wirt vergessen, eine Band zu buchen - und ich bin mit meinem Bruder als Aushilfsschlagzeuger und meinem Ersatzbassisten zwei Stunden später eingesprungen. Eine Gaudi!
Sie spielen aber nicht nur in der Heimat...
Mit meiner Band bin ich auf der ganzen Welt aufgetreten, auf internationalen Oktoberfesten: elf Jahre in Kamerun, acht in Kambodscha, Ecuador, Australien und in den USA. Ich habe viel gesehen und gelernt: über Armut, Ungerechtigkeit, Lebensfreude unter Bedingungen, die weitaus schlimmer sind, als uns Corona je getroffen hat. Mit jeder Reise ist meine Liebe zu München und Bayern größer geworden. Dieses Gefühl bestimmt meinen Weg, musikalisch und jetzt auch politisch - und zwar "So lang's no geht".
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