Hefter: Solokünstler unverschuldet am Rand der Katastrophe
München - Was die Corona-Krise für Künstler bedeutet, muss Roland Hefter nicht lange recherchieren. Dem SPD-Stadtratsmitglied, der hauptberuflich freier Musiker ist, sind im Jahr 2020 schon 150 Konzerte weggebrochen, in Gagen übersetzt hat er rund 100.000 Euro Verdienstausfall. Und wie alle soloselbständigen Künstler in Bayern ist er von der Landespolitik vollständig vergessen worden.
"Ich habe Rücklagen, weil ich jahrelang gut verdient habe", sagt Hefter, der mit der Formation "3 Männer - nur mit Gitarre" spielend große Bierzelte oder den Circus Krone füllt. Aber Hefter kennt viele aus der Kulturszene, die eben keine Rücklagen aufbauen konnten und nun ziemlich verzweifelt sind.
Hefter: Künstler an Geld für zurückgegebene Tickets beteiligen
Am Donnerstag will Hefter im Kulturausschuss erreichen, dass Künstler zumindest an den Tickets für abgesagte Konzerte beteiligt werden, die Menschen nicht zurückgegeben haben - auch aus Solidarität mit den Künstlern. Allein bei München Ticket, einer städtischen GmbH, wurden Tickets im Wert von 160.000 Euro gespendet.
Und natürlich dachte jeder, der sich sein Geld für ein abgesagtes Konzert nicht wieder zurückholt, dass er damit auch die Künstler unterstützt. Das Geld geht allerdings an die Veranstalter zurück. Und dort bleibt es in vielen Fällen auch, weil Künstler doch gar keinen Druck aufbauen könnten gegen ihre Veranstalter, glaubt Hefter.
Münchenmusik: Fünfstelliger Betrag an direkten Spenden
Aber nicht alle Veranstalter handeln so: Andreas Schessl von Münchenmusik sagt dazu, dass er wegen zu vieler ungeklärter Fragen das Geld für rückgezahlte Karten vorerst bei München Ticket stehen lasse. Spenden, die ihn direkt erreicht hätten - ein fünfstelliger Betrag - habe er an den Nothilfefonds der Deutschen Orchesterstiftung weitergegeben und die Spender darüber auch informiert.
Hefter will mit einem Antrag nun erreichen, dass für Veranstaltung in städtischen Spielstätten, die wegen Corona abgesagt wurden, der Künstleranteil für die nicht zurückgegebenen oder verfallenen Tickets ausbezahlt wird. "Ich weiß, dass das eine Heidenarbeit ist", sagt Hefter, "aber ich denke auch, dass die Menschen, die ihre Tickets gespendet haben, dies auch in der Erwartung taten, den Künstlern zu helfen."
Kultur-Mitstreiter Markus Rinderspacher?
Im Falle einer Solokünstlerin oder eines Bandauftritts ist das sicherlich zumutbar. Bei abgesagten Musicals von Produktionsfirmen, im Deutschen Theater etwa, sieht das schon wieder anders aus.
Dass man Soloselbständige in Bayern anders als etwa in Baden-Württemberg auch im neunten Monat der Pandemie so stiefmütterlich behandelt, ärgert Hefter. Und es macht ihn wütend, dass seine eigene Partei auf Bundesebene die Dramatik der Situation für Soloselbständige nicht erkannt hat und stattdessen einen erleichterten Zugang zu Hartz IV diskutiert. Er hat nun im Landtagsabgeordneten Markus Rinderspacher (SPD) einen Mitstreiter, der den Genossen in Berlin noch einmal ins Gewissen reden will.
"Die soloselbständigen Künstler sind völlig unverschuldet in die katatrophale Situation geraten", sagt Hefter. Die Menschen bräuchten keinen erleichterten Zugang zu Hartz IV, sondern einen "fiktiven Unternehmerlohn" in Höhe von 1.180 Euro, der in Baden-Württemberg an die Künstler ausbezahlt wird, die einen Umsatzeinbruch von mehr als 70 Prozent im Verhältnis zum Vorjahr nachweisen können.
Das sind momentan sicher alle freien Musiker, die nicht auftreten dürfen und denen das katastrophale Jahr 2020 eine weitere miserable Nachricht liefert: Die Gema-Ausschüttung, sonst für viele ein wichtiger Baustein in der Jahreskalkulation, fällt im kommenden Jahr durch die abgesagten Auftritte natürlich sehr dürftig aus.