S-Bahn-Fahrer aus München über Situation bei der Deutschen Bahn: "Sehen die Fahrgäste nicht"
München - Der GDL Streik ist beendet. Ein paar wenige Züge fuhren dieser Tage. Einen davon lenkte Pascal Streitzig: Bei der S-Bahn München. Pascal Streitzig ist seit 2020 Lokführer bei der S-Bahn München. Angefangen hat der 24-Jährige dort über einen Quereinstieg. Vorher war er Verkäufer im Einzelhandel. Lokführer zu sein, war schon seit Kindheitstraum. Warum er fährt und was er vom Streik hält.
Herr Streitzig, warum streiken Sie nicht?
PASCAL STREITZIG: Weil die GDL zum Streik aufgerufen hat, ich selbst gehöre aber zur EVG. Ich habe einen EVG-Tarifvertrag. Wir bei der S-Bahn München sind ein EVG-Betrieb.
Verstehen Sie den Ärger der Fahrgäste?
Ich selbst kann die Fahrgäste vollkommen verstehen. Es ist natürlich ärgerlich, wenn man wegfahren möchte und gestreikt wird. Aber man muss es mal aus einer anderen Perspektive sehen: Mit der Privatisierung der Bahn wurde alles kaputt gespart, das Personal, die Fahrzeuge, alles ist gerade Mangelware. Wir bekommen kaum noch Nachwuchs. Man muss den Job wieder attraktiver machen und das geht in der heutigen Zeit nur mit Geld. Ich persönlich finde: Man muss streiken, um an sein Ziel zu kommen.
S-Bahn-Fahrer aus München: "Das sehen die Fahrgäste nicht"
Wie finden Ihre Kollegen es, dass Sie nicht streiken? Haben die Verständnis?
Jein. Der Konkurrenzkampf zwischen den Gewerkschaften ist immer ein bisschen da. Aber ich selbst habe noch keine negativen Äußerungen von Kollegen gehört oder bin von Kollegen beschimpft worden, weil ich in der anderen Gewerkschaft bin.
Wie entscheidet man denn, in welche Gewerkschaft man geht?
Während der Ausbildung stellen sich die Gewerkschaften in den Azubiklassen vor und dann kann man sich entscheiden, welche die eigenen Interessen besser vertritt.
Und was hat Ihnen bei der EVG besser gefallen?
Die Zusatzleistungen, wie zum Beispiel der Brillenzuschuss, haben mich überzeugt.
Was sagen Sie zu Ihren Arbeitsbedingungen? Die werden von Ihren Kollegen ja oft kritisiert.
Wir sind im Schichtdienst, wir arbeiten 365 Tage im Jahr durchgehend in Früh-, Spät- und Nachtschichten. Sehr viele sind in Rente gegangen und das Personal fällt nicht von den Bäumen. Dementsprechend haben wir zum Großteil Zwölf-Stunden-Schichten, in denen man durchgehend am Arbeiten ist. Da sind wir dann schon mal 16 Stunden außer Haus. Das sehen die Fahrgäste verständlicherweise nicht.
Pascal Streitzig erklärt, wie die Fahrgäste in München auf den Bahn-Streik reagieren
Wie reagieren die Fahrgäste während des Streiks auf Sie?
Sie sind eigentlich relativ freundlich. Ich bin aber auch gelassen und versuche, ihnen die Situation zu erklären. Wenn man den Leuten erzählt, warum gestreikt wird, verstehen sie das.
Müssen Sie die nächsten Tage mehr arbeiten, wenn die Kollegen ausfallen?
Wir richten uns bei der S-Bahn München nach einem Notfallfahrplan. Die Schichten sind so angepasst, dass wir einmal stündlich fahren. Mehrarbeit kommt nicht dazu.
Seit wann sind Sie Lokführer?
Ich bin seit 2020 bei der S-Bahn, also noch nicht so lange. Ich bin über einen Quereinstieg reingekommen.
Wollten Sie schon immer Lokführer werden?
Lokführer war ein Kindheitstraum von mir, es ist wirklich einer der schönsten Berufe. In so stressigen Zeiten muss man sich da einfach durchkämpfen. Man will die Fahrgäste ja von A nach B bringen.
Sie haben also Verständnis für beide Seiten, für Streikende und Fahrgäste?
Ja, natürlich.
- Themen:
- GDL
- München
- S-Bahn
- S-Bahn München