Riem im Fokus der Münchner Polizei: Präsident warnt und feiert Erfolge
AZ: Herr Hampel, die Fußball-EM beginnt am 14. Juni, auf welches Spiel freuen Sie sich am meisten?
THOMAS HAMPEL: Zuerst auf das Eröffnungsspiel gegen Schottland, da sind wir alle gespannt darauf. Wir hoffen auf eine positive Stimmung im Stadion und in der Stadt.
Und was sagen Sie zu den schottischen Fans?
Die sind bei uns nicht als klassische Hooligans bekannt. Zumindest in der Vorrunde haben wir in München keine Hochrisikospiele, das ist gut.
Münchens Polizeipräsident vor der EM: "Dann werden wir konsequent einschreiten"
Ein Vorrundenaus des DFB-Teams, was würde das sicherheitstechnisch bedeuten?
Das macht soweit nichts aus. Für unsere konzeptionellen Vorbereitungen hat das keine Auswirkungen. Was passieren könnte, wäre, dass das Interesse am Public Viewing sinkt. Aber München ist bunt, München ist vielfältig, wir haben so viele Nationen, da sucht sich dann schon jeder sein Lieblingsteam, mit dem er mitfiebert.
Wo gibt es Public Viewing?
Der größte Bereich wird das Olympiagelände sein mit Platz für 25.000 Besucher. Und wo bestimmt auch viel los sein wird, ist das Fanfest am 12. Juni mit Stars wie Ed Sheeran, Nelly Furtado, Mark Forster, Dylan und Tim Bendzko auf der Theresienwiese. Und dann wird es noch die Fan-Biergärten geben, da ist für jeden etwas dabei.
Welche Linie verfolgt die Münchner Polizei im Umgang mit den Fans?
Wir werden mit ausreichend vielen Polizeibeamten präsent vor Ort sein. Wichtig ist uns dabei der Dialog mit den normalen Fußballfans. Aber bei Störungen oder Straftaten werden wir natürlich konsequent einschreiten.
Stichwort Cannabis, man hat das Gefühl es kommen jeden Tag neue Gebiete dazu, wo kiffen verboten ist. Haben Sie den Überblick?
Grundsätzlich haben wir den Überblick. Die ersten Wochen liefen sehr positiv. Gott sei Dank haben sich Befürchtungen, dass an jeder Ecke gekifft wird, bisher nicht bewahrheitet. Signale wie kein Cannabis in der Fußgängerzone, nahe Sportstätten, Schulen, Spielplätzen etc. waren wichtig.
Polizeipräsident Thomas Hampel: "Der Mehraufwand für die Kollegen ist erheblich"
Was melden Ihre Beamten auf der Straße?
Leichter ist es nicht geworden. Der Mehraufwand an Arbeit für die Kollegen ist erheblich, gerade was die Einhaltung der Schutzzonen betrifft. Da geht's und da geht's nicht. Das ist eine hochkomplexe Thematik. Wir setzen auf entsprechende Schulungen und Fortbildungen unserer Beamten.
In Berlin hieß es, Polizei und Justiz werden entlasten, ist das so?
Aus Sicht der Polizei nicht und aus Sicht der Justiz schon zwei Mal nicht. Wir glauben auch nicht, dass durch die Legalisierung der Cannabis-Schwarzmarkt zurückgedrängt wird.
Wie hat der Schwarzmarkt bisher reagiert? Gibt es mehr Cannabis auf den Straßen?
Wenn ich das wüsste, dann würde ich Lotto spielen. Auch über die Entwicklung der Preise lässt sich derzeit noch nichts sagen. Dazu ist seit dem 1. April noch zu wenig Zeit vergangen.
Haben Sie die Cannabis-Clubs im Auge?
Die Überwachung und insbesondere die Erteilung von Erlaubnissen für Anbauvereinigungen ist Aufgabe des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Wo sollte die Politik beim Cannabis-Gesetz nachschärfen?
Wir haben Sorge, was den Kinder- und Jugendschutz betrifft. Aus Sicht der Polizei sind die Regelungen hier nicht zielführend. Aber man muss noch abwarten, wie es sich entwickelt.
Cannabis auf dem Frühlingsfest und der Wiesn in München?
Der Freistaat versucht, Bereiche einzuschränken, beispielsweise im Englischen Garten. Die Stadt scheint weniger restriktiv. Viele Bürger wissen nicht, dass der Englische Garten kein städtisches Gelände ist. Spielt das für die Polizei eine Rolle?
Wir sind im Austausch, egal ob mit dem Landratsamt oder dem Kreisverwaltungsreferat, der Bußgeldbereich läuft zudem sowieso über das Gesundheitsministerium.
Die Spider Murphy Gang hat schon in den 80ern den Sommer in der Stadt besungen und einen Joint am Monopteros. Ist das jetzt erteilte Verbot nach der Teillegalisierung nicht ein Traditionsbruch?
Ich kenne das Lied auch (lacht). Warten wir mal ab, ob Günter Sigl (Mitbegründer, Sänger und Bassist der Spider Murphy Gang, d. Red.) noch mal seinen Song neu texten muss.
Welche Erfahrungen hat die Polizei auf dem Frühlingsfest mit Cannabis gemacht?
Da war der Cannabis-Konsum kein Thema, das uns größer beschäftigt hätte.
Wie wird es auf der Wiesn?
Ich bin mit Prognosen vorsichtig. Aber denkt man an die Einführung des Rauchverbots. Da hat man damals auch Chaos in den Bierzelten prophezeit. Ich glaube, dass der normale Bürger das Cannabis-Verbot akzeptieren wird. Auf der Wiesn sind nun mal auch viele Kinder unterwegs. Zudem ist die Präsenz von Polizei und Sicherheitsdiensten so groß, da glaube ich nicht, dass wir ein größeres Problem bekommen.
Thema Jugendkriminalität: Im Mai gab es innerhalb weniger Tage im Englischen Garten drei Überfälle mit fünf Opfern. Bahnt sich da etwas an?
Jugendgewalt ist für uns ein zentrales Thema. Einzelne Fälle haben wir immer wieder. Vor einigen Jahren war der Englische Garten ein Bereich, in dem Polizisten aber auch Feuerwehr und Rettungsdienst angegriffen wurden. Es kam hier in der Folge aber zu keiner Verfestigung der Szene. Unsere Maßnahmen vor Ort und die Präsenz der eingesetzten Polizeikräfte haben hier entsprechendes bewirkt.
Jugendkriminalität in München: "Riem müssen wir stark im Blick haben"
Jugendkriminalität nimmt allgemein zu, auch in München?
Wir haben, wie der neue Sicherheitsreport belegt, einen Höchststand innerhalb der letzten zehn Jahre. Die Gewaltbereitschaft bei manchen Jugendlichen – vor allem untereinander – nimmt zu. Dabei werden oft Kleidung, Handys und Airpods geraubt. Das treibt uns mit Sorge um. Das könnten auch Spätfolgen der Corona-Pandemie und der Schließungen von Freizeiteinrichtungen für junge Menschen, Schulen, et cetera sein. Das hat manchen Jugendlichen möglicherweise geprägt. Die Aggression, gerade in bestimmten Gruppen, nimmt zu.
Es gab in den vergangenen Jahren Bereiche wie in Milbertshofen, Pasing und Riem, wo es vermehrt zu Jugendkriminalität kam. Wie sieht es da aus?
Wir versuchen neben der verstärkten polizeilichen Präsenz in diesen Bereichen zusätzlich mit unseren Jugendbeamten zu arbeiten, um Mitläufer aus der Szene herauszuholen. Gerade bei Gewaltvideos, die an den Schulen kursieren, die im Internet viral gehen, da können unsere Jugendbeamten viel erreichen und über die juristischen Folgen aufklären. Zumal manche Gruppen dann ausweichen in andere Stadtbereiche. In Laim beispielsweise ist es uns gelungen, dass eine Gruppe inzwischen nicht mehr existiert. Neben entsprechenden Strafverfahren mit Kontakt- und Aufenthaltsverboten haben auch unsere präventiven Maßnahmen gegriffen. Da hatten einige Mitläufer erkannt, dass sie auf dem falschen Pfad sind.

Haben Sie die Situation in Pasing damals unterschätzt? In manchen Vierteln wünscht man sich mehr Polizeipräsenz.
Unterschätzt haben wir das nicht. Es ist ein großer Bereich mit vielen Treffpunkten, Einkaufsmöglichkeiten, dazu der Pasinger Bahnhof als zentraler Punkt, das alles ist aufwendig zu kontrollieren. Pasing und Freiham sind Bereiche, die wachsen. Da kommen bis zu 30.000 Menschen neu dazu. Da müssen wir dann natürlich auch personell aufstocken. Da wird die örtlich zuständige Polizeiinspektion in Pasing die Zahl der Streifen und damit die Präsenz auf der Straße erhöhen.
Wie schätzen Sie die Sicherheitslage in Riem ein?
Den Bereich müssen wir stark im Blick haben. Gerade an den Riem-Arcaden und am Willy-Brandt-Platz treffen sich immer wieder größere Gruppen von Jugendlichen, die untereinander in Konflikt geraten
Zuletzt wurde ein 16-Jähriger am Platz der Menschenrechte hinterrücks niedergestochen.
Die Kripo hat in diesem Fall sehr schnell Tatverdächtige ermittelt, worüber ich sehr froh bin. Das ist natürlich ein Signal mit Außenwirkung.
Die Taktik der Polizei ist?
Wir haben schon erlebt, dass sich Jugendliche gegen die Polizei solidarisieren. Das war 2022 der Fall, als ein verdächtiger 16-Jähriger am Platz der Menschenrechte im Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt festgenommen werden sollte. Hier wurden unsere Beamten angegriffen. Wichtig ist es, in solchen Situationen mit genügend Polizei vor Ort zu sein.
Es ist schon ein ungewöhnlicher Vorgang, mit starken Kräften in einem Viertel Präsenz zu zeigen.
Das ist kein Spezifikum von Riem. Das sind keine No-Go-Areas, in die sich die Polizei nicht reintraut. Man muss Stärke zeigen, im Bedarfsfall auch mit mehreren Streifen oder auch dem Unterstützungskommando auffahren. Wenn es Auseinandersetzungen gibt, muss man Flagge zeigen.
Fußball-EM in München: "Auch jenseits der Spieltage ausreichend Präsenz zeigen"
Die Einsätze werden mehr, die Grillsaison beginnt, die Leute feiern mehr draußen, dazu die EM. Viel Konfliktpotenzial.
Der Kommunale Außendienst wird stärker involviert sein. Das ist mit der Stadt abgesprochen, da bin ich OB Dieter Reiter auch sehr dankbar. Der KAD wird beispielsweise in den Isarauen darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden. Während der EM werden zudem Kräfte der Bereitschaftspolizei im Einsatz sein, damit wir auch jenseits der Spieltage ausreichend Präsenz zeigen können.
Die Polizei hat zuletzt einige Großübungen abgehalten als Vorbereitung zur EM. Ihr Fazit?
Ich habe mir einige Übungen selbst angesehen und war begeistert, mit welchem Einsatz sich gerade junge Kollegen engagieren. Man muss bedenken, dass sie sich im Ernstfall in Lebensgefahr begeben. Ich war beeindruckt von den Übungen. Im Training dürfen auch mal Fehler passieren, aber das ist gut so, denn nur so lernt man daraus. Früher haben Beamte bei "lebensbedrohlichen Einsatzlagen" vor Ort gewartet, bis das Sondereinsatzkommando eintraf. Wenn heute die Meldung kommt, es wird geschossen, oder es gibt einen Messerangriff, dann legen die Kollegen ihre Schutzausrüstung an und gehen mit entsprechendem Training umgehend sofort selbst professionell vor. Die Kollegen haben einen Standard erreicht, der wirklich beeindruckend ist.
Müssen sich die Münchner Sorgen machen während der EM?
Nein, wir haben uns auf verschiedene Szenarien vorbereitet. Da ging es etwa um Hooligans, die auftreten. Dann auch das Thema terroristische Gefahr und Anschläge. Hier beobachten wir genau die weltpolitische Lage und reagieren auch flexibel auf diesbezügliche Änderungen. Gerade auch der Anschlag in Moskau und die in der Folge getätigten Verlautbarungen und Drohungen haben natürlich Eingang in unsere Einsatzkonzepte gefunden. Wir haben hier nach wie vor eine erhöhte abstrakte Gefahrenlage, jedoch keine Hinweise auf konkrete Gefährdungen.