"Wird uns massiv beschäftigen": Das macht der Polizei in der Stadt München Sorgen

Auf den Straßen in München ist es unsicherer geworden. Straftaten nehmen um elf Prozent zu. Nun sollen Kameras im Alten Botanischen Garten installiert werden.
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In München ist die Zahl der Gewaltdelikte gestiegen.
In München ist die Zahl der Gewaltdelikte gestiegen. © IMAGO/ZUMA Wire

München - Einen gewaltigen Berg von 700.000 Überstunden haben die Münchner Polizisten und Polizistinnen im Präsidium aufgetürmt. Macht für jeden einzelnen Beamten im Schnitt 125 Stunden, also zusätzliche 15,6 Urlaubstage. Und es sieht so aus, als würden noch jede Menge Überstunden dazukommen. Denn die Zahl der Straftaten steigt nach Jahren wieder deutlich an. 101.539 Straftaten waren es in der Stadt und im Landkreis im vergangenen Jahr, ein Plus von 10,9 Prozent, wie der neueste Kriminalreport 2023 belegt.

"Die aktuellen Kriminalitätszahlen sind ein Alarmsignal für München", mahnt Manuel Pretzl, CSU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, angesichts des am Donnerstag im Präsidium vorgestellten Sicherheitsreports für 2023. Demnach ist die Anzahl der Gesamtstraftaten im Vergleich zum Vorjahr um +10,9 Prozent auf 101.539 Delikte gestiegen.

Polizeibeamte suchen in einer Straße in Schwabing zwischen und unter den parkenden Autos eine Waffe.
Polizeibeamte suchen in einer Straße in Schwabing zwischen und unter den parkenden Autos eine Waffe. © Peter Kneffel/dpa

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Die Gewaltkriminalität in München nahm 2023 um 8,9 Prozent auf 4910 Straftaten zu. 77,1 Prozent entfallen davon auf die gefährlichen und schweren Körperverletzungen. Bei Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag gingen die Zahlen dagegen zurück. Im vergangenen Jahr wurden laut Präsidium 32 Mord- und Totschlagsdelikte registriert. Darunter waren zehn vollendete und 22 versuchte Taten. Alle Verdächtigen konnten ermittelt werden.

Rohheitsdelikte (18.381 Fälle) wie Raub, Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung verzeichnen ein Plus von 2233 Taten (plus 13,8 Prozent), alleine einfache Körperverletzungen sind um 15 Prozent auf 8867 Delikte gestiegen. Auch die Drogenkriminalität nahm im vergangenen Jahr zu. 8376 Rauschgiftkonsumdelikte wurden angezeigt.

Neben Cannabis (6022 Verstöße, plus 5,5 Prozent) wurden vor allem mehr Straftaten wegen Kokain (890 Verstöße, plus 60,1 Prozent) und Heroin (301 Verstöße (plus 42 Prozent) registriert, so die neuesten Zahlen aus dem Sicherheitsreport.

Mehr Straftaten: Nun sollen in München mehr Kameras installiert werden

Vor allem die Straftaten im öffentlichen Raum, also im Öffentlichen Nahverkehr, auf Straßen, Plätzen und in Parks sind es, die das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung massiv beeinträchtigen, heißt es bei der Polizei. Als Szenebrennpunkte benennt das Präsidium das Bahnhofsareal, den Nußbaumpark und besonders den Alten Botanischen Garten. Der soll zur Verbesserung der Sicherheit mit Überwachungskameras ausgestattet werden, kündigte Polizeipräsident Thomas Hampel am Donnerstag an.

Ein Projekt, das die CSU im Rathaus ausdrücklich begrüßt. Manuel Pretzl: "Wir setzen uns schon seit Jahren für mehr Sicherheit auch im Alten Botanischen Garten ein. Die Videoüberwachung in diesem Bereich ist ein notwendiger Schritt." Zudem sollen im Alten Botansichen Garten Bäume und Büsche zurückgeschnitten werden, damit es weniger dunkle und unübersichtliche Stellen in dem Park gibt.

Der Alte Botansiche Garten ist laut Präsidium ein "Szenebrennpunkt". Um die Sicherheit zu erhöhen, soll der Park nun mit Überwachungskameras ausgestattet werden.
Der Alte Botansiche Garten ist laut Präsidium ein "Szenebrennpunkt". Um die Sicherheit zu erhöhen, soll der Park nun mit Überwachungskameras ausgestattet werden. © imago stock&people

Große Sorgen bereitet der Münchner Polizei die geplante Freigabe von Cannabis. "Die wird uns massiv beschäftigen", warnt Polizeipräsident Thomas Hampel. Es bestehe die Gefahr, dass damit eine Bagatellisierung von Betäubungsmitteln einhergehe. Ganz zu schweigen von dem zusätzlichen Aufwand, die Bereiche zu überwachen, in denen es weiterhin verboten bleibt, einen Joint zu rauchen beispielsweise in der Nähe von Schulen, Kindergärten, Kitas oder Spielplätzen.

Nicht weniger kompliziert wird es nach der Freigabe von Cannabis bei der Kontrolle der Regeln – zu entscheiden, ob es sich um Cannabis aus legalen Bezugsquellen handelt oder Stoff vom Schwarzmarkt. "Das wird wesentlich mehr Polizisten erfordern", prophezeit Thomas Hampel.

Wohnungseinbrüche in München: explosionsartiger Anstieg

Bei den Wohnungseinbrüchen sind die Zahlen im vergangenen Jahr geradezu explosionsartig angestiegen auf 893 Delikte. Das Plus beträgt satte 340 Delikte, 61,5 Prozent. Mit 893 Fällen gebe es "eine signifikante Zunahme der Delikte". Die Täter, meist Banden aus Osteuropa, verursachten einen Gesamtschaden von 4,83 Millionen Euro.

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Deutlich nach oben zeigt der Trend auch beim Diebstahl. Nahezu die Hälfte des Anstiegs der Gesamtkriminalität 2023 ist laut dem Präsidium München auf Eigentumsdelikte zurückzuführen, die um plus 16,7 Prozent (4705 Fälle) auf 32.909 Delikte gestiegen sind. 8836 Ladendiebstähle wurden angezeigt, das sind 1741 mehr als in 2022. Die Zunahme des Ladendiebstahls um plus 24,5 Prozent sei ein wesentlicher Faktor beim Gesamtanstieg der Zahlen, so die Statistiker.

Einen deutlichen Rückgang gab es bei Sexualstraftaten wie Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuell motivierten Übergriffen in besonders schweren Fällen. Sie gingen um -11,4 Prozent auf 273 Fälle zurück. Die Fälle der sexuellen Nötigung und des sexuellen Übergriffs gingen ebenfalls zurück (6,8 Prozent auf 138 Delikte). Der sexuelle Missbrauch von Kindern ging um -3,4 Prozent zurück. Im Bereich der Verbreitung pornografischer Inhalte war erneut ein Anstieg zu verzeichnen. Seit 2018 stiegen die Delikte von 142 Fällen kontinuierlich an. 577 Fälle im Berichtsjahr 2023 liegen +18,7 Prozent über dem Vorjahreswert.

Callcenterbetrug: Täter in München weniger erfolgreich

Im Bereich der häuslichen Gewalt verzeichnet die Münchner Polizei im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 18,3 Prozent auf 4181 Fälle. Beim Callcenterbetrug gingen die Zahlen steil nach unten. Im Vergleich zum Vorjahr wurden mit insgesamt 1900 Delikten - 64,9 Prozent deutlich weniger Fälle des Callcenterbetrugs registriert. Dementsprechend verringerte sich der Vermögensschaden um -53,7 Prozent von 8,08 auf 3,75 Millionen Euro.

Ähnlich sieht es bei den Schockanrufen und dem Enkeltrick aus. Hier kam es 2023 zu einem deutlichen Rückgang der Fallzahlen um -19,9 Prozent auf insgesamt 1096 (1368) Fälle. Insgesamt gab es 51 (2022: 79) vollendete Taten mit einem Vermögensschaden in Höhe von 2,19 Millionen Euro.

Über viele Jahre hinweg ist die Zahl der erfassten Straftaten in München stetig zurückgegangen. Dieser Trend beginnt sich zu drehen. Die Landeshauptstadt belegt in Sachen Kriminalität nur mehr einen Platz im Mittelfeld der bayerischen Großstädte. An der Spitze stand 2023 Fürth mit einem Plus von 17,6 Prozent, Aschaffenburg (plus 16 Prozent), Regensburg (plus 12,5 Prozent). Nur zwei bayerische Großstädte fallen aus dem Trend: Nürnberg (plus 2,9 Prozent) und Augsburg (plus 2,8 Prozent).

Hasskriminalität in München nimmt zu

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober und dem Krieg im Gazastreifen ist die Zahl der antisemitischen Pöbeleien und Übergriffe in der Stadt spürbar angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet das Präsidium eine Zunahme der Straftaten um +19,8 Prozent. Insbesondere die Hasskriminalität ist mit +189 auf 603 Straftaten nochmals stark gestiegen. Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) wurden 2023 insgesamt 1973 Straftaten registriert.

Polizisten bei einer pro-palästinensischen Demonstration.
Polizisten bei einer pro-palästinensischen Demonstration. © IMAGO/ZUMA Wire

Im Bereich PMK-Rechts, ist laut Sicherheitsreport "Antisemitismus ein bedeutendes ideologisches Bindeglied, die Fälle stiegen um +17,4 Prozent. Thomas Hampel: "Hass und Hetze dürfen weder unser Zusammenleben, noch unsere staatliche Ordnung gefährden." 2023 wurden 683 (582) Straftaten aus dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität – Rechts erfasst, +17,4 Prozent bzw. +101 Delikte mehr als in 2022. Bei den Gewaltdelikten wurde ein Anstieg um +14 Fälle registriert. Im Jahr 2023 konnten in 54 (2022: 37) von 66 (52) Gewaltdelikten Tatverdächtige ermittelt werden. Dies entspricht einer Aufklärungsquote von 81,8 Prozent (71,2 Prozent).

Gewalt an Schulen: Wird auch in München ein größeres Problem

Bei den ermittelten Tatverdächtigen der gefährlichen bzw. schweren Körperverletzung bilden tatverdächtige Jugendliche einen Anteil von 13,7 Prozent. Auch bei den Raubdelikten, die um + 12,9 Prozent gestiegen sind, machten Jugendliche 31,7 Prozent des Anteils der Tatverdächtigen aus. Mit Hinblick auf Straftaten an Schulen wurde ein Anstieg um plus 2,5 Prozent auf 1089 Straftaten registriert. Davon waren 307 Taten Körperverletzungsdelikte, die mit plus zwölf Fällen weiter zugenommen haben. Erwin Frankl, Leiter der Abteilung Verbrechensbekämpfung, sprach sich bei der Vorstellung des aktuellen Sicherheitsreports explizit für die Jugend aus und distanzierte sich von Pauschalisierungen.

"Kriminologisch fällt auf, dass die maßgeblichen Entstehungsfaktoren von durch Jugendliche begangener Kriminalität oftmals in dysfunktionalen Familienstrukturen und Perspektivlosigkeit liegen." Die Folgen der Coronapandemie, die Sorge vor dem Klimawandel, der Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten verunsichern vor allem junge Menschen. Zudem leben mehr Jugendliche in München, ihr Anteil hat in den letzten zehn Jahren um +16,9 Prozent zugenommen.

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Tatverdächtige ohne deutschen Pass: In München nicht auffällig

Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen lag mit 48,7 Prozent im langjährigen Mittel. Entgegen dem bayernweiten Trend spielen Straftaten durch Zuwanderer keine übergeordnete Rolle. 4640 tatverdächtige Zuwanderer konnten ermittelt werden. Dieser Anteil an allen Tatverdächtigen hat sich von 10,1 Prozent auf 10 Prozent verringert. Bei den Tatverdächtigen ohne deutschen Pass wurde ein Anstieg um +13,8 Prozent auf 22.635 verzeichnet. Ihr Anteil an allen Tatverdächtigen liegt im Jahr 2023 bei 48,7 Prozent und damit im langjährigen Mittel, heißt es im Sicherheitsreport.

Die Anzahl der deutschen Tatverdächtigen stieg um plus 9,6 Prozent auf 23.888 Verdächtige an. Dies entspricht einem Anteil von 51,3 Prozent (52,3 Prozent).

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht dagegen den Hauptgrund für die gestiegene Zahl an Straftaten in der Zuwanderung. Bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik für Bayern sagte er am Montag, es sei "klar", "dass vor allem Ausländer und insbesondere zugewanderte Flüchtlinge den Anstieg der Kriminalitätslage verursacht" hätten. Herrmann betonte, dass sich "die unkontrollierte Zuwanderung negativ auf die Sicherheitslage auswirkt."

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  • Kaiser Jannick am 22.03.2024 22:33 Uhr / Bewertung:

    Offizielle Quelle:
    stmi.bayern.de/med/aktuell/archiv/2024/240318kriminalstatistik23 :

    „Mit dem Anstieg der Kriminalität werden wir uns nicht abfinden, auch wenn das ein bundesweiter Trend ist, für den besonders Ausländer und Zuwanderer verantwortlich sind“, erklärte Herrmann."

    "Mit Blick auf die Zusammensetzung der Tatverdächtigen erklärte Herrmann, dass 2023 von den insgesamt 266.390 Tatverdächtigen 39,6 % Nichtdeutsche waren. „Auch Zuwanderer (Asylbewerber, Geduldete, Kontingent-/Bürgerkriegsflüchtlinge, international/national Schutzberechtigte, Asylberechtigte und Personen mit dem Status 'unerlaubt') spielten eine größere Rolle“, erläuterte der Innenminister."

    "Die Kriminalstatistik macht deutlich, dass sich die unkontrollierte Zuwanderung auch negativ auf die Sicherheitslage auswirkt“, fasste der Innenminister zusammen. „Besonders wichtig ist, nach Verbüßen der Strafe diejenigen Ausländer möglichst unverzüglich außer Landes zu bringen, die eine Gefahr f. d. öff. Sicherheit sind"

  • Chris_1860 am 22.03.2024 22:04 Uhr / Bewertung:

    Aber nur anteilig. Niemand mag Bereitschaft, ist aber notwendig.

  • Urmel_auf_Eis am 22.03.2024 17:06 Uhr / Bewertung:

    Bei diesen Zahlen frage ich mich, woher dieses massiv eingeschränkte Rechtsempfinden kommt.
    Eigentlich ist es nicht wichtig, wer oder welche Gruppe an den Taten teilnimmt,
    sondern die Frage nach den Ursachen.
    Drogen gab es schon immer und sei es "nur" Alkohol.
    Die Menge macht es letztendlich aus.
    Ladendiebstahl ist eine Frage der Verführung und der individuellen Notsituation.
    Wirklich kritisch sehe ich die berufsmäßig ausgeführte Clan-Kriminalität.
    Da kann man sich nur schwer vor schützen.
    Physische und verbale Ausraster sind woher eher ein Produkt der Erziehung und des sozialen Umfeldes.
    Also besser an den Wurzeln arbeiten anstatt die Äste zu beschneiden.
    Die wachsen gerne immer wieder nach.

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