Brauereien ziehen in München nach: Bier-Experte erklärt, was es mit dem Trend auf sich hat
AZ: Herr Becker, warum wird eigentlich immer mehr alkoholfreies Bier getrunken?
THOMAS BECKER: Das hat sicher mit restriktiver Alkoholpolitik zu tun. Aber auch mit einer höheren Sensibilität für das Gesundheitsbewusstsein. Trotzdem wollen viele das biertypische Aroma haben.
Wie braut man eigentlich Bier ohne Alkohol?
Da gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, der Stoffwechsel der Hefe wird durch große Kälte abgebrochen, wenn 0,5 Volumenprozent Alkohol erreicht sind. Kältekontaktverfahren heißt das auch.
Oder?
Sie brauen Bier fertig und nehmen den Alkohol nachträglich durch Vakuumdestillation oder Membranverfahren heraus. Diese Verfahren kann man auch kombinieren. Jede Brauerei versucht da, einen eigenen Weg zu finden.
Was ist günstiger?
Wenn Sie Alkohol nachträglich entnehmen, ist das immer teurer als normal hergestelltes Bier. Die Gärung zu stoppen kostet in etwa genau so viel wie herkömmliches Bier.
Brauerei-Professor über Bier aus München: "Ich finde sie alle sehr gelungen"
Ich habe gehört, dass auch bestimmte Hefesorten sich dazu eignen.
Ja, sogenannte maltosenegative Hefen, die Zucker nicht in Alkohol umwandeln können.
Wann braucht man die?
Da habe ich erst heute einen Vortrag dazu gehalten. Wissen Sie, die einen versuchen, mit alkoholfreiem Bier das alkoholhaltige zu imitieren. Die anderen gehen den mutigeren Weg und wollen ein eigenes Aroma schaffen. Manche Brauer verwenden daher diese maltosenegativen Hefen, um neue Bieraromen zu erfinden.
Kennen Sie die neuesten alkoholfreien Münchner Biere?
Ja, ich finde sie alle wirklich sehr gelungen. Ich habe da gar keinen Favoriten.
Was schmeckt Ihnen am besten, also welches Verfahren?
Eine Kombination davon: Membranverfahren, bisschen stärker gehopft, gemischt mit Bier, bei dem die Gärung gestoppt wurde, wo dann noch ein wenig Restsüße reinkommt. Wir experimentieren tagtäglich mit diesen Verfahren. Ich verkoste daher diese alkoholfreien Biere fast jeden Tag.
Stichwort Süße. Alkohol soll man ja in Maßen trinken. Wie gesund ist denn alkoholfreies Bier?
Es ist keine Bedenklichkeit zu erwarten. Klar, auch hier ist Zucker drin, aber deutlich geringer als in Softdrinks etwa.
TU-München-Professor Thomas Becker: "Bier ist etwas Wunderbares, egal ob alkoholfrei oder nicht"
Wie viel denn?
Bis zu zehn Gramm Zucker pro Liter, teilweise bis zu 25, je nach Herstellungsverfahren.
Was ist ungesünder, ein zuckerhaltiges Mischgetränk oder ein alkoholfreies Bier?
Die Begleitstoffe im Bier ohne Alkohol sind um Welten besser. Es gibt da eine große Studie mit Marathonläufern, die in Belastungsphasen stark gefährdet sind, Entzündungen zu bekommen. Ihnen wurde regelmäßig alkoholfreies Weißbier verabreicht. Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass die Begleitstoffe, die Hefe produzieren, extrem entzündungshemmende Wirkung entfaltet haben. Die Studie ist erst wenige Jahre alt.
Der traditionelle Bierkonsum geht zurück. Was bedeutet das eigentlich für Ihren TU-Lehrstuhl?
Das Produkt Bier ist etwas Wunderbares, egal ob alkoholfrei oder nicht. Der Verbraucher ist experimentierfreudig. Da stellen sich für uns immer viele Aufgaben. Alkoholfreies ist mikrobiologisch instabil, es kann viel schneller schlecht werden als alkoholhaltiges Bier. Daher müssen wir Verfahren entwickeln, die Haltbarkeit gewährleisten. Für uns geht es nicht nur um alkoholfrei oder nicht. Wir beschäftigen uns mit der gesamten Palette, mit allerlei Fermentierungsverfahren.
Seit wann ist alkoholfreies Bier Teil des TU-Studiums?
Seit etwa acht bis zehn Jahren. Als ich angefangen habe mit dem Lehrstuhl vor 14 Jahren, haben die Brauereien kaum eine Notwendigkeit darin gesehen, alkoholfrei zu brauen. Das Thema nimmt daher viel mehr Raum ein als früher, gerade in der Forschung tut sich enorm viel.
Münchner Bier-Experte: "Trinken, um betrunken werden – das würde ich bei mir ausschließen"
Was halten Sie denn von dem Trend grundsätzlich?
Der Verbraucher bestimmt ihn, trinkt immer mehr und immer vielfältiger. Nicht nur Bier, nicht nur Alkohol. Ich persönlich finde die Alkoholfreien hervorragend, weil ich den stärkeren, herben und frischen Hopfencharakter liebe und die süßen Getränke nicht so gern mag. Bier ist ein Genussprodukt heutzutage.
Wie oft trinken Sie selbst, ohne und mit?
Jeweils vier bis fünf Halbe wöchentlich.
Zu welcher Gelegenheit und welchem Zweck?
Also trinken, um betrunken werden – das würde ich bei mir ausschließen. Es kommt auch immer drauf an, wie man unterwegs ist. Wenn ich zum Beispiel Auto fahre, trinke ich erst ein Alkoholfreies, vielleicht ein zweites und dann ein traditionelles Bier.
Ist Bier isotonisch?
Alkoholfreies ja, es wird ideal im Körper aufgenommen. Alkoholhaltiges? Nein, sicher nicht.