Prozess um Millionenerbe in München: Urteil wegen Mord an Bruder erwartet

Demütigungen, ein Millionenerbe und Scientology: Über Jahre erträgt ein Mann Beleidigungen und Gewalt von seiner Schwester – bis er sie tötet. Das Gericht verurteilt ihn wegen Totschlags.
John Schneider, Christoph Elzer, dpa |
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Hier bitte Platz nehmen: Ein Polizeibeamter geleitet Robert B. (37) zur Anklagebank des Münchner Landgerichts.
dpa Hier bitte Platz nehmen: Ein Polizeibeamter geleitet Robert B. (37) zur Anklagebank des Münchner Landgerichts.

Demütigungen, ein Millionenerbe und Scientology: Über Jahre erträgt ein Mann Beleidigungen und Gewalt von seiner Schwester – bis er sie tötet. Das Gericht verurteilt ihn wegen Totschlags.

München - Die Tötung seiner Schwester mit der Schnur eines Schuhbeutels muss ein 37-Jähriger mit sieben Jahre Haft büßen. Das Münchner Landgericht befand den Mann am Montag für schuldig, das Opfer im Februar 2016 erdrosselt zu haben. Der Urteilsspruch lautetet auf Totschlag. Die Staatsanwaltschaft hatte für den 37-Jährigen lebenslange Haft wegen Mordes gefordert.

Der Angeklagte hatte vor Gericht gestanden, seine Schwester bei einem Streit in ihrer Wohnung in München im Februar 2016 mit der Schnur eines Schuhbeutels erdrosselt zu haben. Die Schwester habe ihn seit der Kindheit immer wieder gedemütigt und herablassend behandelt, berichtete der 37-Jährige. Er bedauere seine Tat zutiefst, sagte er unter Tränen.

Das spätere Opfer habe sich in der Jugend auch sexuell an ihm vergangen, hatte der 37-Jährige unter anderem ausgesagt. Der Zorn über die Erniedrigungen der dominanten Schwester habe sich in ihm aufgestaut und an diesem 2. Februar 2016 in ihrer Wohnung in der Thalkirchner Straße Luft gemacht.

"Jetzt reicht's", habe Robert B. gesagt, nachdem Elvira S. ihn und seine Kinder als "Zigeuner" bezeichnet habe. Er wollte die Wohnung verlassen, sie habe sich ihm in den Weg gestellt und ihn geschlagen. Ein tödlicher Fehler. Der friedliebende Robert B. drosselte seine Schwester zwei bis drei Minuten. Das Gericht schenkte dem Geständnis des Angeklagten Glauben.

Nach dem Willen des Staatsanwalts muss Robert B. lebenslang hinter Gitter, weil er heimtückisch die Arglosigkeit seines Opfers ausnutzte. Die Verteidigerin des 37-Jährigen sieht hingegen den Tatbestand des Mordes nicht erfüllt und fordert eine Freiheitsstrafe von lediglich sieben Jahren wegen Totschlags.

Mit seinem Urteil entsprach das Gericht der Forderung der Verteidigung. Der Vorsitzende Richter sprach zwar am Montag von einer verwerflichen Tat, "aber nicht auf tiefster Stufe". Der heute 37-Jährige habe "mit absolutem Vernichtungswillen" gehandelt.

Staatsanwalt: "Seine Wut ist nachvollziehbar"

Ursprünglich war die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass Robert B. aus Habgier getötet habe. Die Schwester heiratete in Österreich einen Millionär und erbte die Millionen. Binnen zwei Jahren spendete sie rund 900.000 Euro an die umstrittene Organisation Scientology. Allerdings profitierte auch Robert B. von seiner Schwester. Sie überwies ihm und seiner Familie 900 Euro monatlich.

Der Verdacht, dass B. seine Schwester umbrachte, weil sie ihm nicht mehr Geld geben wollte, lässt sich aber nach der Hauptverhandlung nicht mehr aufrechterhalten. Das sieht sogar der Ankläger so. Dass Elvira S., eine "schwierige Persönlichkeit" gewesen ist, darin sind sich Staatsanwalt Laurent Lafleur und Birgit Schwerdt, die Verteidigerin von Robert B. (37), grundsätzlich einig.

Bei Besuchen des Bruders demütigte sie ihn wiederholt vor anderen. So soll sie ihm im Restaurant die Brille vom Kopf geschlagen haben, weil diese nicht richtig gesessen habe. Sie habe ihn als " behindert" beschimpfte, habe sich über ihn lustig gemacht, weil er nicht schwimmen konnte. Der Bruder habe all dies ertragen - angeblich auch, weil seine Familie von den Zuwendungen abhängig war.

Die Aussagen des Täters, seiner Verwandten und die des Liebhabers von Elvira S., hatten bewiesen, dass Robert B. tatsächlich jahrelang von seiner älteren Schwester gedemütigt, beleidigt und geschlagen wurde. Staatsanwalt Lafleur gestand daher sogar zu: "Seine Wut ist nachvollziehbar." Die daraus resultierende Tat hingegen freilich nicht. Verteidigerin Schwerdt argumentiert unter anderem, dass ihr Mandant trotz der "seelischen Ausbeutung" seine Schwester geliebt habe. Er bereue die Tat. Sein Geständnis zeige das. Das Urteil will Richter Michael Höhne heute verkünden.

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