Protesttag auch in München: Warum heute fast alle Apotheken streiken

Am Mittwoch werden in München viele Apotheken geschlossen bleiben – aus Protest. Worum es bei dem Aktionstag geht und was die Apotheker nun fordern.
Laura Meschede |
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Herrmann Vogel von der Winthir-Apotheke am Rotkreuzplatz in München.
Herrmann Vogel von der Winthir-Apotheke am Rotkreuzplatz in München. © Daniel von Loeper

München - Schon seit Wochen kann man in vielen Apotheken Münchens Aushänge sehen: "Unsere Apotheke bleibt am 14. Juni geschlossen", steht darauf, um die Kunden auf dieses Datum vorzubereiten.

Bundesweiter Protesttag der Apotheken am 14. Juni

Der Grund: Am 14. Juni findet ein bundesweiter Protesttag statt – und auch viele Apotheken Münchens beteiligen sich daran. "Hier in Neuhausen werden sich alle Apotheken dem Protesttag anschließen", sagt Hermann Vogel. "Und sogar die Sani-Plus-Apotheke im Pep, die größte in ganz Deutschland, macht mit. Es wird ein großer Protesttag."

Hermann Vogel steht im Hinterzimmer der Winthir-Apotheke am Rotkreuzplatz, um ihn herum stapeln sich Medikamente. Vogel ist Apotheker in der siebten Generation; neben der Winthir-Apotheke betreibt er noch drei weitere Filialen in München. Auch sie werden am 14. Juni geschlossen bleiben.

Die Kunden werden gewarnt.
Die Kunden werden gewarnt. © privat

Apotheken in München bleiben geschlossen: Höhere Honorare werden gefordert

"Unsere Kernforderung", sagt Vogel, "Ist eine Anpassung des Fixums – und ein vernünftiger Umgang mit dem Medikamentenmangel." Das "Fixum", erklärt Vogel, ist gewissermaßen das Honorar der Apotheker. Es beträgt nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände 8,35 Euro. Für jedes verkaufte verschreibungspflichtige Medikament erhalten die Apotheken diesen Betrag als Fixhonorar.

"Das ist 2004 beschlossen worden und war damals auch durchaus sinnvoll", sagt Vogel. "Aber: Als 2004 der Beschluss gefallen ist, hat das Fixum 8,10 Euro betragen. Das ist jetzt 20 Jahre her und seitdem wurde es nie wirklich erhöht."

Apotheker protestieren: "Alle erhöhen die Preise, nur wir dürfen das nicht"

Spätestens jetzt, angesichts der Inflation, sei das für seinen Berufsstand untragbar geworden. "Alles wird teurer: die Mitarbeitergehälter, die Mieten, die Energiepreise. Alle erhöhen ihre Preise, nur wir dürfen das nicht." Vogel spricht schnell und eindringlich; er ist wütend. "Man muss das mal vergleichen. Keine Pizzeria könnte ihren Pizzapreis 20 Jahre lang aufrecht erhalten; aber wir werden dazu gezwungen." Das führe dann auch zu Nachwuchsproblemen.

"Niemand will mehr eine Apotheke eröffnen, das lohnt sich finanziell einfach nicht." Zwar bekäme man pro Verkauf zusätzlich zum Fixum drei Prozent vom Medikamentenpreis. Aber, so Vogel: "Aufgrund von Rabattverträgen werden viele Medikamente eher billiger als teurer, damit werden diese drei Prozent auch eher weniger."

Ein Protestschild in einer Apotheke an der Plinganserstraße.  Foto: fm
Ein Protestschild in einer Apotheke an der Plinganserstraße. Foto: fm © fm

Die Apotheken fordern auch eine Reduzierung der Rataxationen

Eine weitere Forderung der Apotheken sei eine Reduzierung der Retaxationen. "Retaxation bedeutet, dass die Krankenkasse die Kosten für ein Medikament nicht erstattet und die Apotheken es selbst zahlen müssen – beispielsweise wegen Formfehlern", erklärt Vogel. "Dabei geht es nicht um Fehler, die den Patienten gefährden, sondern schlicht um Formalien."

Wenn Vogel beispielsweise einem Patienten, der 10 mg von einem Medikament verschrieben bekommen habe, das gleiche Medikament in der Form von zwei mal 5mg ausgebe, dann könne dies in bestimmten Fällen zu einer Retaxation führen – die Apotheke bliebe auf dem Preis für das Medikament sitzen. Gerade in Zeiten, in denen Medikamente knapp seien, sei dies ein Problem. "Dass wir immer Angst haben müssen, retaxiert zu werden, nimmt uns die Flexibilität, unseren Kunden trotz des Mangels helfen zu können."

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Retaxationen würden auch ein geringes Vertrauen bedeuten – zum Arzt wie zu den Apotheken: "Zum Beispiel ist vorgegeben, dass die Apotheken die Verschreibung durch den Arzt prüfen müssen. Aber wenn ein Arzt beispielsweise ein Medikament, das eigentlich nur monatlich ausgegeben werden soll, für zwei Monate verschreibt, dann hat das ja oft Gründe. Vielleicht ist der Patient eine Zeit lang im Urlaub und braucht deswegen mehr von dem Medikament. Wir dürfen dem Rezept dann aber nicht folgen, sonst kann es passieren, dass wir retaxiert werden."

Ein Schild weist auf den Protesttag der Apotheken hin.
Ein Schild weist auf den Protesttag der Apotheken hin. © Martin Oversohl/dpa

Ziel des Apotheken-Streiks in München: "Druck auf die Politik machen"

In ihrem Katalog für den Protesttag am 14. Juni fordert deswegen die Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände, dass Retaxationen dann ausgeschlossen werden, wenn der Versicherte entsprechend der ärztlichen Verordnung versorgt wurde. Zu den weiteren Forderungen gehören eine Erhöhung des Fixums auf zwölf Euro, eine Reduzierung der vorgeschriebenen Bürokratie und ein finanzieller Ausgleich für den Mehraufwand, den Apotheken angesichts des Medikamentenmangels verzeichnen.

"Am 14. Juni wollen wir Druck auf die Politik machen, diese Situation nicht mehr zu ignorieren", sagt Vogel. "Wir wollen unsere Kunden angemessen versorgen können. Das muss uns ermöglicht werden."


Protesttag der Apotheken: Wie Sie am Mittwoch dennoch an Medikamente kommen

Am bundesweiten Protesttag (14. Juni) haben etliche Apotheken komplett geschlossen. Wer an diesem Tag dringend Medikamente benötigt, kommt allerdings trotzdem an welche. Die Akutversorgung wird durch Notdienstapotheken gewährleistet. Die Gebühr, die sonst an Sonn- und Feiertagen erhoben wird, fällt am Protesttag tagsüber nicht an.

Laut Apothekerverband haben am Streik-Mittwoch folgende Apotheken Notdienst: Apotheke am Kufsteiner Platz (Kufsteiner Str. 2), Bienen-Apotheke (Giesinger Bahnhofpl. 2), Blumenau-Apotheke (Terofalstr. 4), Blutenburg-Apotheke (Verdistr. 119), Dr. Beckers Central- Apotheke im Stachus-EKZ, Gärtnerplatz-Apotheke, Hahnen-Apotheke (Fürstenrieder Str. 65), Neptun-Apotheke (Waldtruderinger Str. 67), Olympia-Apotheke (Boschetsrieder Straße 118), Parkstadt Apotheke Schwabing , St.-Ursula-Apotheke (Münchner Freiheit 8), Tobias-Apotheke (Leonrodstraße 69).

Irene Kleber

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19 Kommentare
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  • Romano am 14.06.2023 14:27 Uhr / Bewertung:

    Ich bestelle seit Jahren meine Medikament & Co nur noch in der Online-Apotheke. Hinweise zu Wechselwirkungen finde ich ausführlich in schriftlicher Form in meinem Kundenkonto und wenn ich Fragen habe, bekomme ich immer freundlich und kompetent per Telefon die benötigten Informationen. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter in der Apotheke vor Ort, bis auf wenige Ausnahmen, häufig unmotiviert sind und eine Beratung nur auf Nachfrage erfolgt.

  • Baramundi am 14.06.2023 11:30 Uhr / Bewertung:

    Wir zahlen unsere Krankenkassenbeiträge, die für die Finanzierung des Gesundheitswesens verwendet wird. Wenn das Geld nicht reicht, dann müssen die Beiträge rauf. Da das wohl keiner will, bleibt wohl nur die Wahl, die Apothekenzahl zu verringern. Oder auf Online umzustellen. Das betrifft alle im Handel und wird an den Apotheken nicht vorüber gehen.

  • DK. am 14.06.2023 15:16 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Baramundi

    Gegenfrage: Wenn es weniger Apotheken gibt, werden dann gleichzeitig weniger Arzneimittel vo Ärzten verordnet?
    Und ja, wir stellen auf Online um. Von dort bekommen sie sicher rund um die Uhr ihr dringendes Arzneimittel, denn die machen ja auch 24 h Notdienst.
    Den nicht lieferbaren Antibiotika-Saft stellt Ihnen die Online Apotheke sicher auch her.
    Aber nein, dafür gibt es dann ja doch noch die Apotheke vor Ort.

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