Besser als das Original? Münchner feiern die Wirtshaus-Wiesn als Alternative zum Oktoberfest

Die Musik spielt, es ist oktoberfestmäßig dekoriert: Ein Rundgang zu Gaststätten, die Teil der Wirtshaus-Wiesn sind. Stammtischbrüder in München sind eher skeptisch.
Eva von Steinburg
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Augustiner-Klosterwirt Gregor Lemke findet, dass der Gast ein Bewusstsein dafür braucht, dass er gewisse Pflichten habe.
Augustiner-Klosterwirt Gregor Lemke findet, dass der Gast ein Bewusstsein dafür braucht, dass er gewisse Pflichten habe. © Daniel von Loeper

München – Die Münchner Wirtshäuser haben ihre Liebe zur üppigen Oktoberfest-Dekoration entdeckt: Mit frischen Hopfenranken aus der Brauerei hat der Augustiner Klosterwirt seine Kronleuchter umwickelt. Weiß-blaue Stoffbänder an der Decke geben dem Wirtshaus Zeltcharakter. Auf der extra Wiesn-Speisekarte auf Italienisch stehen "Gnocchetti all úovo" – also Eierspätzle. Das englische Menü bietet das "Wiesn Snack Board" mit Griebenschmalz und Schnittlauchbrot oder "Grandma's apple strudel".

Vier jungen Engländern mundet das Augustiner-Wiesnbier mit 6,3 Prozent und das große Brotzeitbrettl. Im Augustiner Klosterwirt an der Frauenkirche waren sie, um das Champions-League-Spiel zu schauen. Matt aus Manchester trägt die schwarze Lederhose, die er in der City gekauft hat. München, das Essen, das Bier finden sie einfach nur "great".

36 Lokale sind bei der Wirtshaus-Wiesn in München vertreten

Die Wirtshaus-Wiesn zelebrieren die Münchner Innenstadt-Wirte heuer zum vierten Mal. 36 Gaststätten, Cafés und Bars machen mit. Ihr Slogan "Ganz München ist Wiesn" propagiert die Wiesn nicht nur als Ort, sondern als Lebensgefühl. "Geboren in den zwei irre traurigen Corona-Jahren, als die Wiesn zwei Mal ausfiel, haben die Münchner mit der Wirtshaus Wiesn wieder Lebensmut geschöpft. Sie konnten ihre Tracht ausführen und mega-brav, von Scheiben getrennt, Wiesnkulinarik in der Gaststätte genießen", erinnert sich die Wirtshaus-Wiesn-Sprecherin an die Anfänge der Initiative.

Das Musikprogramm der Wirtshaus-Wiesn komme super an, sagt Gregor Lemke, Wirt vom Augustiner Klosterwirt: Er hat das Duo "Er und Sie" mit Gitarre und Akkordeon engagiert, die unplugged Gstanzl spielen – und an die Tische gehen. "Das schafft eine Stimmung der Beschwingtheit", erklärt er gut gelaunt.

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Die Wirtshaus-Wiesn ist eine "gute Ergänzung" zum Oktoberfest

Gäste mit Kindern, natürlich auch ältere Leute und Menschen, die Lust auf Wiesnschmankerl haben, denen das Oktoberfest aber zu stressig, zu viel und zu laut ist, sagen dem Klosterwirt jetzt: "Bei dir haben wir mehr Platz, es ist viel ruhiger. Es ist einfach so entspannt bei euch – ganz nebenbei auch die Toilettensituation."

Wirt Gregor Lemke findet: "Früher war draußen die Wiesn, hier die Stadt. Jetzt ist alles unter einer großen Glocke. Das Wiesngefühl ist im Wirtshaus angekommen – nur anders interpretiert." Und das habe für viele Gäste auch Vorteile. Denn man müsse klar sagen: Nicht jeder bekommt auf der Wiesn einen Tisch. Gerade Touristen hätten so nicht das Gefühl ausgeschlossen zu sein, meint Lemke. Für ihn ist das Wirtshaus zur Wiesn "eine gute Ergänzung".

Am Stammtisch findet man: "Wiesnbrezn in der Wirtschaft, das ist etwas für Touristen"

Tatsächlich gibt es eine neue Entwicklung: Es gibt Münchner, die essen vorher in der Wirtschaft, und trinken danach auf der Wiesn noch eine Maß. Oder sie verlassen das große Wiesnzelt abends lieber früher – und kehren für ein entspanntes letztes Abschlussbier beim Klosterwirt am Dom ein. Die große Wiesenbreze, für 5,90 Euro von der Wiesn-Karte, würden sich die Stammtischfreunde im Augustiner Klosterwirt jedoch nie bestellen. "Zur Weißwurst brauchst a normale Brezn – und fertig", sagt zum Beispiel Peter.

Peter (62), Anderl (80), Peter (77), Bernhardt (71), Max (68), Richard (64) mit Klosterwirt-Hostess Blazena.
Peter (62), Anderl (80), Peter (77), Bernhardt (71), Max (68), Richard (64) mit Klosterwirt-Hostess Blazena. © Daniel von Loeper

"Wiesnbrezn in der Wirtschaft – das ist doch etwas für Touristen", findet der Münchner. Jeden Mittwoch treffen sich die fünf Männer zwischen 10.30 und 13.30 Uhr zum "Durst stillen" auf ihrem Platz beim Klosterwirt – nah am Tresen. Auf das Oktoberfest hinaus zieht es die Münchner Stammtischbrüder nicht mehr so groß: "Hier samma unter Freunden. Das ist doch schee!"

Für die Wirtshaus-Wiesn hat man im Andechser am Dom extra neue Tischdecken beschafft

100 Meter weiter, beim Andechser am Dom, fliegen die Leute auf schaumiges Bier im eisgekühlten Steinkrug, bemerkt Wirtin Julia Krätz: "Unsere Gäste trinken viel Schnitt. Jeden Abend ab 18 Uhr spielt eine Drei-Mann-Band. Es ist mehr Stimmung als sonst. Die Leute finden das lustig."

Für die Aktion Wirtshaus-Wiesn hat sie ihre Terrassen-Tische extra auffällig eingedeckt: "Mit großen roten Tischdecken, sonst sind die Decken grau", erklärt die Wirtin.

Wirtin Julia Krätz hat im Andechser am Dom extra mit Oktoberfest-Schwerpunkt dekoriert.
Wirtin Julia Krätz hat im Andechser am Dom extra mit Oktoberfest-Schwerpunkt dekoriert. © Daniel von Loeper

Neu dieses Jahr: Das Weisse Bräuhaus im Tal hat eine schöne Musik-Bühne aufgebaut. Zur Wirtshaus Wiesn 2023 sind zwei Tische aus dem Gastraum weggeräumt worden. Brezn an blauen Bändern, die München-Fahne und eine Bayern-Fahne sorgen für ein festlicheres Flair.

"Die Band abends kommt super an. Es wird getanzt. Die Gäste sind bei den Wiesnhits teilweise auf den Bänken gestanden, haben abgefeiert – wie auf der Wiesn", erklärt Restaurantleiterin Lina Domingues.

Im Weissen Bräuhaus ist eine Bühne aufgebaut worden, hier gibt es regelmäßig Livemusik.
Im Weissen Bräuhaus ist eine Bühne aufgebaut worden, hier gibt es regelmäßig Livemusik. © Daniel von Loeper

Im legendären Wirtshaus Schneider's geht's auf der Karte deftig zu 

Auf ihrer Wiesn-Speisekarte bietet das legendäre Wirtshaus Schneider's Helles frisch vom Fass an: die Maß für 9,80 Euro. Stadtbekannt ist das Bräuhaus ja für seine deftige Innereien-Küche: Sonntags gibt es Stierhoden, mitttwochs gebackenen Kalbskopf. Die Schmankerl auf der Wirtshaus-Wiesn-Speisekarte sind traditionsreich, aber weniger ungewöhnlich: Beliebt ist das "Pfanderl" mit Ente, Spanferkel, Surbraten und Grillwurst. Ein Wiesenherz-Scheiterhaufen auf Vanillesoße ist die Empfehlung zum Nachtisch.

Wie auch beim Klosterwirt, hat der Stammtisch im Weissen Bräuhaus die speziellen Wiesn-Schmankerl nicht probiert. "Wir schauen eh nicht in die Speisekarte", heißt es auf der Eckbank. Von den Innereien mag ein Teil der fünf Männer die Milzwurst oder das magere Kalbskron-Fleisch. Abends geht es im Weissen Bräuhaus in diesem Jahr zur Wirtshaus-Wiesn jedenfalls rund.

Im Weissen Bräuhaus lassen es sich die Stammtischbrüder (v.l.) Heini, Willi, Ludwig, Hannes und Sohn Simon gut gehen.
Im Weissen Bräuhaus lassen es sich die Stammtischbrüder (v.l.) Heini, Willi, Ludwig, Hannes und Sohn Simon gut gehen. © Eva von Steinburg

Dass auf den Bänken getanzt wurde, hat die Münchner Männer-Runde, die sich seit 22 Jahren jede Woche trifft, aber noch nie erlebt. "Wenn in der Wirtschaft Highlife ist, sind wir schon daheim", sagt Willi – und grantelt recht münchnerisch: "Das mit der Bühne ist doch ein Schmarrn. Wir jedenfalls brauchen die Musik nicht."

Der Kilian's Irish Pub am Frauenplatz schenkt Guinness im Maßkrug aus

Weil fast jede Innenstadt-Gaststätte zur Wirtshaus-Wiesn etwas Oktoberfestmäßiges anbietet, gibt es auch Kurioses: Zur Wirtshaus-Wiesn schenkt Kilian's Irish Pub das frische Guinness übrigens im Maßkrug aus (Frauenplatz 11). Das Restaurant Brenner hat dafür einen Wiesncocktail mit Biersirup kreiert (Maximilianstraße 15).

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Noch ein paar Tipps zum Wirtshaus-Wiesn-Musikprogramm: Im Augustiner Klosterwirt spielt die Volksmusik so lange, wie auch Oktoberfest ist, wochentags ab 18 Uhr und am Wochenende ab 11 Uhr. Und das Festprogramm im Weissen Bräuhaus für die nächsten Tage: Freitag, 22.9., spielen ab 18 Uhr die Bandits, Samstag, 23.9., gibt es einen Frühschoppen und ab 18 Uhr Musik vom Münchner Dirndlrausch. Sonntag, 24.9., ist wieder Frühschoppen.

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