Nichts geht mehr! Streik sorgt für gähnende Leere am Münchner Flughafen – die AZ vor Ort
München - Ein gänzlich ungewohntes Bild ist das am Freitag am Flughafen. Vor der großen Anzeigentafel, vor der normalerweise Dutzende Menschen ihre Hälse in die Höhe recken, um nach ihrem Flug Ausschau zu halten, steht diesmal: kein Einziger.
Dann die Gänge: die ebenen Rollbahnen, die so scheinbar endlos in die Länge gehen und auf denen normalerweise zahlreiche Passagiere zum Gate hetzen, ihre Rollkoffer hinter sich herziehend: diesmal leer. Kaum jemand da.

AZ vor Ort am Flughafen: Airport weitestgehend ausgestorben
Auch an den Check-In-Schaltern keine Schlangen und nur vereinzelt Personal. Den Grund für die gespenstische Stimmung sieht man schnell auf der großen Anzeigentafel: Wegen des angekündigten Verdi-Streiks von Flughafen-Beschäftigten hat der Airport vorsorglich alle Linien-Flüge für diesen Freitag gestrichen.
Ob alle von den Streiks mitbekommen haben, die, wie Verdi-Pressesprecher Hans Sterr sagt, "frühzeitig angekündigt wurden"? Ein paar Gestrandete gibt es, die mal verzweifelt, mal gelangweilt auf den Sitzbänken ausharren – die meisten von ihnen sind nicht aus Deutschland.

So wie Luis Saramago und Abilio Pereira, die eigentlich heute nach Lissabon fliegen sollten. Sie arbeiten für die Firma Horsch und sind beruflich in München, von den Streiks haben sie erst am Flughafen mitbekommen. "Ich weiß auch nicht, was ich von dem Streik halten soll", sagt Pereira. Pläne für den Tag haben die beiden noch nicht, erstmal wollen sie hier sitzen bleiben.
Ebenfalls erstaunlich gelassen sind die beiden Schwestern Miyuki Endo und Fumiko Kuwabava. Sie wollten zurück in ihre Heimatstadt Tokio fliegen, jetzt müssen sie bis zum Sonntag in München warten. "Ich liebe die bayerische Küche, jetzt können wir sie noch ein paar Tage genießen", sagt Endo. Wütend ist sie nicht – im Gegenteil, sie interessiert der Vergleich zu ihrer Heimat: "In Japan würde es so etwas nie geben, weil die Menschen zu sehr mit ihrer Firma verbunden sind. Ich finde das interessant, dass die Menschen hier streiken."
Wie sie das tun, sieht man nur wenige Meter weiter, auf dem MAC, dem großen Forum zwischen den beiden Terminals. Etwa 600 Streikende stehen hier, mit Trillerpfeifen, gelben Westen, Bannern. Einige von ihnen sind bereits seit den frühen Morgenstunden da. Kollegen frühstücken zusammen, ratschen. Vielen von ihnen arbeiten in der Luftsicherung.

Mindestens 500 Euro mehr Einkommen gefordert
Um 10.30 Uhr wird es auf einmal richtig laut. Die Streikenden versammeln sich, um ihren Demonstrationszug zu starten. Dann sind die Terminals plötzlich voll. Eine Stunde lang ziehen die Gelbwesten (Verdi) und Blauwesten (Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes) durch den Flughafen, machen Lärm mit ihren Trillerpfeifen. Ihre Hauptforderung: 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro. Viele von ihnen kämen wegen der Inflation kaum noch über die Runden.
Dass es um Anerkennung gehe, hört man hier oft. Und die hohe Arbeitsbelastung durch den Personalmangel – viele Kollegen haben in den vergangenen Jahren gekündigt. Das würden auch Fluggäste spüren, sagt Christine Behle von Verdi. Im vergangenen Sommer hatte es wegen Personalmangels an Flughäfen chaotische Zustände gegeben: "So kann es ja nicht wieder werden."
Einen Tag dauert der Warnstreik im Erdinger Moos. Schon am Samstag wird man von ihm nichts mehr spüren. Die Lufthansa hat angekündigt, am Samstag "sofort wieder in den Regelbetrieb" starten zu wollen.