Newsblog: Regional- und S-Bahn-Verkehr nach abgesagtem Warnstreik weitestgehend stabil
München - Mit einem bundesweiten Warnstreik wollte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den Bahnverkehr in Deutschland ab Sonntagabend für 50 Stunden lahmlegen. Jetzt hat die Sache eine unerwartete Wendung genommen.
Vergleich vor Arbeitsgericht: Streik bei der Bahn abgesagt
Der 50-Stunden-Warnstreik bei der Bahn ist kurzfristig abgesagt worden. Die Deutsche Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft stimmten vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt am Main einem Vergleich zu, wie die Bahn mitteilte. Der Warnstreik ist demnach abgewendet worden. Zuvor hatte der "Hessische Rundfunk" über die Einigung berichtet.
Der Warnstreik hätte zu einem 50 Stunden langen Stillstand des Fernverkehrs geführt, auch im Regional- und Güterverkehr hätte wohl kaum ein Zug fahren können. Trotz des gerichtlichen Vergleichs warnte die Bahn aber vor Einschränkungen im Zugangebot in den nächsten Tagen. "Die DB steht vor der großen Herausforderung, rund 50.000 Zugfahrten sowie die dazugehörigen Schicht- und Einsatzpläne wieder neu zu planen", hieß es.
Kleine Bahnanbieter im Ausstand: Verkehr bei Deutscher Bahn stabil
Nach dem abgesagten Warnstreik bei der Deutschen Bahn ist der Verkehr auf Bayerns Schienen am Montagmorgen nahezu problemlos angelaufen. Lediglich fast alle Züge drei regionaler Anbieter fuhren nicht. Betroffen waren die Reisenden der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), der Bayerischen Regiobahn (BRB) und von Meridian. "Nicht einmal eine Handvoll Lokführer fahren", sagte ein Sprecher der Gewerkschaft EVG. Etwa 300 Mitarbeiter seien im Ausstand. Die EVG hat von Sonntagabend, 22.00 Uhr, bis Dienstag, 24.00 Uhr, zum Warnstreik aufgerufen.
Bei der Deutschen Bahn verlief der Wochenstart nach Angaben einer Sprecherin weitgehend normal. "Im Regional- und S-Bahn-Verkehr fahren wir stabil ohne nennenswerte Einschränkungen." Im Fernverkehr sollten am Montag etwa 90 Prozent aller Verbindungen bedient werden.
IC und ICE: Nur zwei Drittel fahren am Montag
Viele Züge im Regional- und Fernverkehr werden dennoch ausfallen. Nur zwei Drittel aller Züge im Fernverkehr würden fahren, teilte die DB am Sonntag mit. "Ab Dienstag werden alle ICE- und IC-Züge wieder wie geplant unterwegs sein."
Hintergrund sei die "Herausforderung, rund 50.000 Zugfahrten sowie die dazugehörigen Schicht- und Einsatzpläne wieder neu zu planen". Zudem müssten die Fahrplandaten in die Auskunftssysteme eingepflegt werden. "Das ist ein echter Kraftakt."
BOB, BRB und Meridian: Einschränkungen seit Sonntag in Bayern
Der Streik bei privaten Bahn-Unternehmen ist noch nicht abgewendet. Einige Verbindungen werden daher am Montag in Bayern ausfallen. Davon betroffen sind Züge der Bayerische Oberlandbahn (BOB), der Bayerischen Regiobahn (BRB) und des Meridians, so die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG.
Hier kann es wegen des Warnstreiks bereits am Sonntag ab 19 Uhr zu Behinderungen kommen. Die EVG hat von Sonntagabend 22 Uhr bis Dienstag 24 Uhr zum Warnstreik aufgerufen.
Verhandlungen seit Februar
Die EVG verhandelte seit Ende Februar mit 50 Bahn-Unternehmen über neue Tarifverträge. Aus Sicht der Gewerkschaft kommen die Gespräche mit den meisten dieser Unternehmen nicht entscheidend voran, so auch mit der DB. Der bundeseigene Konzern vertrat den Standpunkt, dass er sich mit einem angebotenen Lohnplus von zehn Prozent und einem Entgegenkommen beim Thema Mindestlohn mehrmals auf die Gewerkschaft zubewegt habe.
Deutsche Bahn: "Eilantrag bei Gericht ist jetzt geboten"
Die Deutsche Bahn will den geplanten 50-Stunden-Warnstreik auf der Schiene noch auf juristischem Wege verhindern. Der bundeseigene Konzern teilte am Samstag mit, dass er einen entsprechenden Eilantrag beim Arbeitsgericht in Frankfurt am Main eingereicht habe. Der bundesweite Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sei unverhältnismäßig und schädige Kunden sowie unbeteiligte Dritte, hieß es zur Begründung.
Arbeitsgericht in Frankfurt bestätigt Eingang des DB-Eilantrags
Obwohl die Bahn mehr als zehn Prozent Lohnerhöhung angeboten und sich mehrmals auf die Gewerkschaft zubewegt habe, halte diese an dem Ausstand von Sonntagabend an fest. Der Eilantrag bei Gericht sei "im Interesse der Kundinnen und Kunden jetzt geboten", teilte die DB mit. Der Antrag sei eingegangen, bestätigte das Gericht der Deutschen Presse-Agentur. Die Verhandlung sollte am Samstagmittag beginnen.
Streikforscher: Es ist längste Warnstreik bei der Bahn seit ihrer Reform 1994
Der 50-stündige Ausstand ist nach Worten des Streikforschers Alexander Gallas der längste Warnstreik bei der Bahn seit ihrer Reform 1994. In anderen Branchen seien Warnstreiks von ein bis zwei Tagen aber durchaus üblich, sagt Gallas, Wissenschaftler an der Universität Kassel. "50 Stunden sind ein kurzer und klar umrissener Zeitraum. Aber die Auswirkungen sind für die Bevölkerung sehr spürbar. Darum wirkt das lang." Gallas hält den Warnstreik im Vergleich mit anderen Branchen für verhältnismäßig.
Allerdings hat jeder vierte Bürger in Deutschland einer Umfrage zufolge "überhaupt kein Verständnis" für die Arbeitsniederlegung. Volles Verständnis für den Arbeitskampf zeigten in der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur dagegen 19 Prozent der Befragten. Zudem sagten 26 Prozent, dass sie "eher Verständnis" für die Aktion im laufenden Tarifkonflikt hätten, ebenfalls 26 Prozent haben "eher kein Verständnis". Fünf Prozent der Befragten machten keine Angabe.
Bahn lässt Ultimatum verstreichen und appelliert an EVG
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hält an ihrem geplanten 50-Stunden-Warnstreik auf der Schiene ab Sonntagabend fest. Das teilte die Gewerkschaft am Freitag mit.
"Wir waren zu Kompromissen bereit, um den angekündigten Warnstreik auszusetzen und in die Verhandlungen einzutreten. Die DB AG setzt stattdessen lieber auf Spaltung und nimmt dafür die Fahrgäste in Geiselhaft", teilte die EVG zu ihrer Entscheidung mit. Die Bahn hielt dagegen, dass sie "bis zur letzten Minute alles versucht" habe, den Streik noch abzuwenden. "Wir sind nochmal auf die EVG zugegangen und haben bekräftigt, dass es am Thema Mindestlohn nicht scheitern wird. Wir wollen eine Lösung", sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler.
EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch sprach in der Nacht zu Freitag von "Scheinangeboten" des Arbeitgebers. Zentraler Diskussionspunkt ist derzeit der gesetzliche Mindestlohn, den etwa 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der DB lediglich über Zulagen erhalten.
Lufthansa stockt innerdeutsche Flüge stark auf
Wegen des Bahn-Streiks steigen viele Reisende aufs Flugzeug um. Die Inlandsflüge am Montag und Dienstag seien bei der Lufthansa stark gebucht, wie die dpa mitteilte. Die Lufthansa wolle auf besonders nachgefragten Verbindungen größere Flugzeuge einsetzen, sofern diese zur Verfügung stehen. Dadurch könnten pro Flug bis zu 40 zusätzliche Sitzplätze geschafften werden. Abgedeckt werden sollen vor allem die Verbindungen Frankfurt-Berlin, wo auch zusätzliche Flüge geplant sind, München-Hamburg und München-Berlin sowie Flüge zum Messestandort Hannover, wo am Montag die Forst- und Holzwirtschaftsmesse Ligna beginnt.
Doch kein Streik? EVG stellt Ultimatum
Kann der Streik doch noch verhindert werden? Beide Parteien näherten sich am Donnerstag an. "Die EVG muss nun ihre Zusage einhalten und den 50-stündigen Warnstreik absagen", sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler am späten Donnerstagabend.
Ganz vom Tisch ist der Streik allerdings noch nicht, wie der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Kristian Loroch erklärt: "Wir haben die Bahn zwar zu Gesprächen gebracht. Aber als der Schlüssel zur Lösung schon auf dem Tisch lag, hat sie einen Rückzieher gemacht." Er sprach von einem "Scheinangebot". Jetzt stellt die EVG der Bahn ein Ultimatum, um den 50-Stunden-Bahnstreik zu verhindern: "Die Deutsche Bahn hat bis heute, 12 Uhr, Zeit, den Warnstreik zu verhindern", so ein Gewerkschaftssprecher am Freitagmorgen gegenüber "Bild".
Nach Darstellung von Loroch habe man am Donnerstag einige Fortschritte gemacht. Lohnerhöhungen sollten auf Tarifen von etwa 13 Euro aufsetzen und anschließend dauerhaft verankert werden. Offenbar hätte die DB dann doch einen Rückzieher gemacht und sich dazu entschieden, den letzten Schritt nicht zu gehen.
Michael Theurer appelliert an Tarifparteien
Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP), appellierte an beide Tarifparteien. Ein Verkehrschaos solle vermieden werden. "Der Tarifkonflikt sollte nicht zulasten der Bevölkerung geführt werden", sagte Theurer dem "Tagesspiegel".
Verhandlungen der Tarifpartner? Nächste Gespräche erst für 23. Mai geplant
DB-Personalvorstand Martin Seiler hat am Donnerstag mehrfach deutlich gemacht, dass er verhandlungsbereit sei – und das jederzeit. "Die Mitarbeitenden brauchen Lösungen. Wie wollen endlich zu Ergebnissen kommen", sagte er vor Kameras im Kölner Hauptbahnhof. Die EVG wolle aber offensichtlich nicht verhandeln und denke nur von Streik zu Streik. "Kompromisse findet man aber nur am Verhandlungstisch", hob Seiler hervor. Bisher ist die nächste Gesprächsrunde für den 23. Mai in Fulda terminiert, also gut eine Woche nach dem erneuten Warnstreik.
Umsteigen auf Flixbus? "Wir sind erneut gewappnet!"
Pendler innerhalb eines 50-Kilometer-Rings um München trifft der Streik bis ins Mark, denn erst ab einer Strecke von 50 Kilometer gilt das Bedienverbot für Lösungen wie den Flixbus nicht mehr. "Wir haben ja jetzt schon ein paar Streiks erlebt, die Nachfrage wird deutschlandweit steigen. Und wir sind erneut gewappnet", sagt Flixbus-Sprecher Sebastian Meyer im Gespräch mit der AZ. Man werde die Buchungslage genau beobachten und zügig auf die entsprechenden Anfragen reagieren, indem man zusätzliche Busse einsetze. Betroffen seien vor allem die Ballungsräume, also auch München. Meyer: "Wir freuen uns, wenn die Menschen auf den Bus umsteigen, und der Umwelt zuliebe ihr Auto stehen lassen."
Sie brauchen einen Mietwagen oder eine Mitfahrgelegenheit? Jetzt heißt es schnell sein
Wer seine Reise und seine Fahrt nicht verschieben kann, der muss jetzt Geduld haben und viel Zeit einplanen. Vor Fahrtantritt ist es ratsam, sich per Radio oder Internet über die aktuelle Verkehrssituation zu informieren. Eine Alternative zu Bahn und Flugzeug ist eine Mitfahrgelegenheit bei Anbietern wie "blabacar.de" oder über den ADAC-Mitfahrclub. Achtung: Mietwagen sind in Ausnahmesituationen wie dem drohenden Streik schnell ausgebucht.
Auch innerösterreichischer Tagverkehr zwischen Salzburg und Tirol von Streik tangiert
Die staatlichen Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) weisen im Zusammenhang mit dem angekündigten Streik darauf hin, dass in diesem Zeitraum grenzüberschreitend von/nach Deutschland keine Züge verkehren. "Auch der innerösterreichische Tagverkehr zwischen Salzburg und Tirol über das Deutsche Eck ist von den Einschränkungen betroffen. Die Auswirkungen und Ausfälle werden diesmal gravierender und länger andauern als bei den letzten Streiks in Deutschland", heißt es weiter.
Droht zeitnah auch ein Streik am Münchner Flughafen?
Um im Tarifkonflikt beim Flughafen-Bodenpersonal den Verhandlungsdruck auch nach dem Streik am 24. April aufrechtzuerhalten, droht die Gewerkschaft Verdi mit Arbeitsniederlegungen beim Abfertigungs- und Sicherheitspersonal im Mai und an Pfingsten. Einige Bundesländer haben dann Ferien, unter anderem Bayern. Ein Flugstreik an Pfingsten dürfte gerade am Münchner Flughafen ein Chaos auslösen und sehr viele Reisende treffen.
Kostenlose Streikhotline der Deutschen Bahn ab Donnerstag, 16 Uhr
Die Deutsche Bahn will so schnell wie möglich über die Auswirkungen des EVG-Streiks auf bahn.de und in der App DB Navigator informieren. Dort sollten sich Reisende auch vor Fahrtantritt informieren. Darüber hinaus wird die DB ab heute (Donnerstag, 16 Uhr) eine kostenlose Streikhotline unter 08000 99 66 33 einrichten. Die DB Cargo wird im Schienengüterverkehr mit ihren Kunden aus Industrie und Wirtschaft jeweils angepasste Transportlösungen finden. Versorgungsrelevante Züge werden dabei priorisiert – es ist aber von Störungen in Lieferketten und einem erheblichen Rückstau im europäischen Güterverkehrsnetz auszugehen.
DB-Hinweis: Flexible Nutzung der Tickets nach Streikende nicht möglich
Der 50-stündige Warnstreik endet direkt vor einem der reisestärksten Tage im Jahr (verlängertes Wochenende über Christ Himmelfahrt). Die Deutsche Bahn weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass "eine flexible Nutzung der Tickets nach Streikende leider nicht möglich" sei. Wer seine Fahrkarte deshalb kostenlos stornieren möchte, könne dies im Rahmen der Fahrgastrechte tun. Diese gelten zudem bei Verspätung oder Zugausfall. Weitere Informationen finden Sie hier: www.bahn.de/fahrgastrechte.
Deutsche Bahn bietet für die betroffenen Reisenden wieder Kulanzregelungen
Der EVG-Streik werde die Reise- und Urlaubsplanung von Millionen Fahrgästen in einer der reisestärksten Wochen des Jahres massiv beeinträchtigen, teilt die Deutsche Bahn mit. Die DB bietet für die betroffenen Reisenden wieder Kulanzregelungen: Alle Fahrgäste, die ihre für den 14. bis 16. Mai geplante Reise aufgrund des Streiks der EVG verschieben möchten, können demnach ihr bis einschließlich 11. Mai gebuchtes Ticket für den Fernverkehr ab sofort bis einschließlich Sonntagabend flexibel nutzen. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden. Weitere Informationen dazu unter www.bahn.de/sonderkulanz.
Deutsche Bahn bittet Fahrgäste, Reisen nach Möglichkeit zu verschieben
Der flächendeckende Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ab Sonntagabend, 14. Mai, sowie ganztägig am 15. und 16. Mai wird sich auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb auswirken, betonte die Deutsche Bahn (DB) am Mittag erneut: Mitarbeitende aus allen Bereichen der DB und anderer Bahnunternehmen sind zum Ausstand aufgerufen. Der Fernverkehr der DB wird deshalb ab Sonntagabend, 22 Uhr, sowie am Montag und Dienstag komplett eingestellt. Auch bei DB Regio wird während des Streiks größtenteils kein Zug fahren. Die DB bittet die Fahrgäste, wenn möglich ihre für den Streikzeitraum geplanten Fahrten im Fern- und Nahverkehr bis zum frühen Sonntagabend vorzuziehen. Für Fahrten im Fernverkehr wird eine Sitzplatzreservierung empfohlen.
Bahnstreik ab Sonntag: Auch Anbieter wie Bayerische Regiobahn oder Meridian betroffen
Auch die Bayerische Regiobahn (BRB) beschäftigt der Streik. "Da wir aber noch keine Uhrzeiten oder weitere Informationen bekommen haben, können wir derzeit nicht sagen, inwieweit wir betroffen sind", teilte die BRB auf AZ-Anfrage mit. Weitere Informationen will die BRB auf ihrer Website veröffentlichen, sobald sie vorlägen. Auch andere Anbieter von Zugverkehr (zum Beispiel Meridian) würden entweder bestreikt oder könnten – wie Agilis oder Go-Ahead – voraussichtlich nicht fahren, weil die Fahrdienstleiter der Bahn ausfielen, sagte der Geschäftsstellenleiter München der EVG, Isidoro Peronace der dpa. Bei den betroffenen Busanbietern handelt es sich ihm zufolge um RVO in Oberbayern, RVA im Allgäu, RBO in Ostbayern, RBA in Augsburg, OVF in Franken und VU Untermain rund um Aschaffenburg.
Bahnstreik ab Sonntag: "Angepasste Transportlösungen" für Güterverkehr
Die Deutsche Bahn geht laut Mitteilung vom Donnerstagmorgen erneut von massiven Auswirkungen des dritten EVG-Streiks auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb aus. Es müsse außerdem mit erheblichen Auswirkungen auf den gesamteuropäischen Güterverkehr gerechnet werden. Sechs von zehn europäischen Frachtkorridoren führen demnach über das deutsche Schienennetz. "Die DB Cargo wird im Schienengüterverkehr mit ihren Kunden aus Industrie und Wirtschaft jeweils angepasste Transportlösungen finden", kündigte die Bahn am Donnerstag an. Versorgungsrelevante Züge würden dabei priorisiert – es sei aber von Störungen in Lieferketten und einem erheblichen Rückstau im europäischen Güterverkehrsnetz auszugehen.
DB-Personalvorstand Seiler: "Dieser irrsinnige Streik ist völlig grundlos und restlos überzogen"
Auf den angekündigten längsten Warnstreik der DB-Geschichte reagiert Personalvorstand Martin Seiler mit großem Unverständnis: "Wir haben die Türen sperrangelweit aufgemacht, aber die EVG bleibt vor der Türe stehen. Sie will partout nicht verhandeln und stattdessen ein Tarifdiktat durchsetzen." Jeder wisse doch, dass es bei Verhandlungen um Kompromisse gehe, die EVG-Führung habe wohl nicht ein angemessenes und verantwortungsvolles Ergebnis für die Mitarbeiter im Blick, sondern eher einen Machtkampf der Gewerkschaften, heißt es in der Mitteilung: "Dieser irrsinnige Streik ist völlig grundlos und restlos überzogen. Denn eine Lösung ist möglich. Statt Kompromisse zu suchen, will die EVG unglaubliche 50 Stunden das Land lahmlegen. Das ist quasi ein Vollstreik ohne Urabstimmung." Millionen Reisende kämen nicht dahin, wo sie hinwollten, "zur Schule, zur Arbeit, zu ihren Lieben".
EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay: "Insgesamt streiken wir 50 Stunden"
Während innerhalb Münchens die Probleme besser zu bewältigen sind, weil die ÖPNV-Nutzer auf Busses, Straßenbahnen und die U-Bahn umsteigen können, bedeutet das für Pendler und Reisende zum dritten Mal im laufenden Tarifkonflikt erhebliche Einschränkungen. "Da sich an den Verhandlungstischen nur wenig bewegt, wird jetzt noch einmal gestreikt", teilte EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay am Donnerstag mit. "Insgesamt streiken wir 50 Stunden und erhöhen damit den Druck deutlich, weil uns die Arbeitgeber keine andere Wahl lassen", hieß es von Verhandlungsführer Kristian Loroch.
Auch der gesetzliche Mindestlohn ist ein Knackpunkt
Ein entscheidender Knackpunkt bei den Verhandlungen war zuletzt der gesetzliche Mindestlohn: Rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten diesen aktuell bei der DB nur über Zulagen. Die EVG will vor den Verhandlungen über Tariferhöhungen zunächst den Mindestlohn von zwölf Euro in der Gehaltstabelle verankern. Etwaige Verhandlungsergebnisse würden dann auf diese zwölf Euro angerechnet. Einen Vorschlag der Bahn, mit dem die zwölf Euro rückwirkend zum März dieses Jahres in die Tabellen aufgenommen werden sollten, wies die Gewerkschaft diese Woche zurück.
EVG fordert mindestens 650 Euro mehr Gehalt im Monat
Die Tarifverhandlungen im Bahnsektor laufen seit Ende Februar. Es ist der dritte bundesweite Warnstreik, zu dem die EVG seither aufruft. Im März legte sie gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi große Teile des öffentlichen Verkehrs inklusive der meisten Flughäfen für einen Tag lahm. Der zweite Ausstand beschränkte sich im April auf einen Zeitraum von acht Stunden, sorgte aber ebenfalls für viele Ausfälle vor allem im Fernverkehr. Auf den Autobahnen blieben befürchtete zusätzliche Staus jedoch aus. Die Gewerkschaft will bei den Verhandlungen mindestens 650 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten herausholen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Deutsche Bahn will sich hingegen am Abschluss des öffentlichen Dienstes orientieren, der Ende April erzielt wurde.
Daran angelehnt hat der bundeseigene Konzern zunächst einen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich in mehreren Stufen von insgesamt 2.850 Euro vorgeschlagen. Darüber hinaus sollen Löhne und Gehälter ab März 2024 stufenweise erhöht werden - um insgesamt zehn Prozent für die unteren und mittleren sowie um acht Prozent für die oberen Lohngruppen. Bei der DB arbeiten 180.000 der 230.000 Beschäftigten, für die die EVG aktuell verhandelt. Erst am Dienstag war die DB nach eigenen Angaben noch einmal einen Schritt auf die EVG zugegangen und hatte die zentrale Forderung der Gewerkschaft zum Mindestlohn erfüllt. Die DB habe dabei nicht wie von der EVG behauptet einen Deckel von 13 Euro vorgeschlagen: "Allein das vorliegende Angebot beläuft sich auf 13,20 Euro." Auf dem Tisch liegen außerdem bereits zehn Prozent Lohnerhöhung sowie die volle Inflationsausgleichsprämie. Seiler: "Die DB fordert die EVG auf, umgehend zu verhandeln. Die DB ist dazu zu jeder Zeit und an jedem Ort bereit."
Zum dritten Mal in 2023: Streik bei der Deutschen Bahn – auch S-Bahn München betroffen
Von 22 Uhr bis Dienstagabend um 24 Uhr sind Fern-, Regional- und Güterverkehr betroffen, wie die Gewerkschaft am Donnerstag mitteilte. Das heißt: Auch die S-Bahn in München steht still. Auf AZ-Anfrage sagte eine Sprecherin der S-Bahn München am Donnerstag: "Die Menschen müssen sich auf massive Beeinträchtigungen einstellen. Es wird kaum ein Zug fahren." Dies vor allem deshalb, weil eben auch Fahrdienstleiter streiken und Stellwerke bestreikt werden: "Es gibt keinen Schienenersatzverkehr, dafür ist das Netz einfach viel zu groß."
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