Nach Horror-Unfall in Schäftlarn: Wo das Münchner S-Bahn-Netz noch eingleisig ist

Knapp ein Drittel des Münchner S-Bahn-Netzes verläuft noch immer eingleisig. Nach dem schrecklichen Unfall bei Schäftlarn möchte OB Dieter Reiter den zweigleisigen Ausbau prüfen.
Michael Schleicher |
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Die Aufnahme aus einem ADAC-Rettungshubschrauber zeigt die aufeinander geprallten S-Bahnen an der eingleisigen Unfallstelle.
Die Aufnahme aus einem ADAC-Rettungshubschrauber zeigt die aufeinander geprallten S-Bahnen an der eingleisigen Unfallstelle. © -/ADAC Luftrettung/dpa

München/Schäftlarn - Auch vier Tage später gleicht die Unfallstelle bei Schäftlarn im Süden Münchens einem Trümmerfeld. Hier waren am Montag zwei S-Bahnen miteinander kollidiert – ein 24-Jähriger starb, 18 Personen kamen mit Verletzungen ins Krankenhaus.

Einer der Zugführer hatte laut Polizei und Staatsanwaltschaft ein Haltesignal überfahren – zwischen den Bahnhöfen Ebenhausen-Schäftlarn und Hohenschäftlarn kam es dann zum Zusammenstoß. Hier verläuft die Strecke auf lediglich einem Gleis.

Eine Zugtür und zahlreiche weitere Trümmer der zwei aufeinandergeprallten S-Bahnen liegen an der Unfallstelle in der Nähe des Bahnhofes Ebenhausen-Schäftlarn.
Eine Zugtür und zahlreiche weitere Trümmer der zwei aufeinandergeprallten S-Bahnen liegen an der Unfallstelle in der Nähe des Bahnhofes Ebenhausen-Schäftlarn. © picture alliance/dpa

Ein Thema, das nach dem Unglück nun wieder eifriger diskutiert wird. "Natürlich muss jetzt sehr genau nach den Ursachen für diesen tragischen Zusammenstoß geforscht und alles dafür getan werden, um ähnliche Unfälle in Zukunft möglichst zu verhindern", sagte Münchens OB Dieter Reiter (SPD) kurz nach dem Unfall. "Auch ein zweigleisiger Ausbau dieser, aber auch aller anderen Strecken im S-Bahn-Netz, muss dringend geprüft werden."

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Bahn: Ein Drittel des Netzes verläuft (noch) eingleisig

Denn die Strecke der S7, die zwischen Höllriegelskreuth und Wolfratshausen auf einer Länge von rund 17 Kilometern nur eingleisig verläuft, ist nicht die einzige dieser Art im Münchner S-Bahn-Netz.

Insgesamt umfasst das Streckennetz 444 Kilometer, wie eine Sprecherin der Bahn auf AZ-Nachfrage mitteilte – knapp 137 davon, also etwa ein Drittel, verlaufen noch immer nur auf einem Gleis. Dabei sind natürlich vor allem die Außenäste, die ins Umland führen, betroffen. So beispielsweise auch auf der anderen Seite der S7, wo die Strecke zwischen Giesing und Kreuzstraße eingleisig verläuft. Mit 27,9 Kilometern der zweitlängste eingleisige Abschnitt im Netz, der längste verläuft auf der S2 zwischen Dachau und Altomünster – hier sind es sogar 29,8 Kilometer.

Es gibt aber auch eine eingleisige S-Bahn-Strecke, die sich recht zentral in der Stadt befindet: die S20 zwischen den Bahnhöfen Pasing und Mittersendling.

S-Bahn München: Diese Strecken verlaufen eingleisig

Eingleisige Streckenabschnitte im Münchner S-Bahn-Netz

Kommt oft mit Verspätung: Die S-Bahn in München.

  • S2: Dachau - Altomünster – 29,8 Kilometer
  • S2: Dachau - Hebertshausen – 8 Kilometer
  • S2: Röhrmoos - Petershausen – 7,6 Kilometer
  • S2: Markt Schwaben - Erding – 13,6 Kilometer
  • S3: Maisach - Mammendorf – 6,1 Kilometer
  • S4/S6: Grafing - Ebersberg – 5,9 Kilometer
  • S7: Giesing - Kreuzstraße – 27,9 Kilometer
  • S7: Höllriegelskreuth - Wolfratshausen – 17 Kilometer
  • S8: Weßling - Herrsching – 12,1 Kilometer
  • S20: Pasing - Mittersendling – 8,8 Kilometer

Doch wie gefährlich sind eingleisige Strecken wirklich? Der Bahn-Sprecherin zufolge greifen auf den entsprechenden Abschnitten strenge Sicherheitsvorschriften, zudem gebe es technische Systeme, die für zusätzliche Sicherheit sorgen. Unter anderem die sogenannte Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB), die laut Bahn auf allen Strecken in Bayern installiert ist. Normalerweise bringt die PZB einen Zug automatisch zum Stillstand, wenn er ein Stoppsignal überfährt.

Logischerweise darf die eingleisige Strecke nur abwechselnd in jeweils einer Richtung befahren werden. Entgegenkommende Bahnen müssen zunächst auf einem mehrgleisigen Abschnitt warten – oft geschieht das in einem Bahnhof. Erst wenn die eingleisige Strecke wieder frei ist, bekommen die Zugführer vom zuständigen Fahrdienstleiter ein grünes Fahrtsignal. Diese geben die Streckenabschnitte von ihren Stellwerken aus frei.

Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) wies kurz nach dem Unfall bei Schäftlarn darauf hin, dass eingleisige Strecken nicht per se gefährlicher seien als zweigleisige. "Man hat bei Untersuchungen festgestellt, dass wir nicht mehr Unfälle auf den eingleisigen als auf den zweigleisigen Strecken haben. Weil eben die Technik so hoch ist, dass im Normalfall es kein Problem gibt", sagte Schreyer am Dienstag dem "Bayerischen Rundfunk".

Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU).
Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU). © Matthias Balk/dpa

Karte: Eingleisige Strecken im Münchner S-Bahn-Netz

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Stadtratsfraktion fordert zweigleisigen Ausbau aller Strecken

Das Thema hat inzwischen auch den Stadtrat erreicht, die Fraktion der ÖDP/München Liste stellte am Dienstag einen entsprechenden Antrag. Demnach solle sich OB Reiter bei den entsprechenden Gremien dafür einsetzen, dass sämtliche (S-)Bahnstrecken in München zweigleisig ausgebaut werden, um Unfälle wie in Schäftlarn künftig zu vermeiden.

Auf einigen Abschnitten ist der zweigleise Ausbau bereits geplant, unter anderem auf dem Ost-Teil der S7 zwischen Giesing und Kreuzstraße sowie der S2 im Westen bis nach Altomünster. Ein Zeitpunkt für die Baumaßnahmen steht allerdings noch nicht fest – bis dahin verlaufen die vielen Kilometer im S-Bahn-Netz weiter eingleisig.

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  • Hosenband am 20.02.2022 09:23 Uhr / Bewertung:

    Die CSU wird im Ernstfall, wenn tatsächlich Geld in den ÖPNV investiert werden soll, schon irgendeinen schwachsinnigen Seilbahn-Vorschlag aus dem Hut ziehen, der dann erstmal zwei Jahre jedes Vorwärtskommen verhindert. Man braucht die Milliarden ja, um Autobahnen und Schnellstraßen durchs Land zu schlagen und anschließend über den vielen Verkehr jammern zu können.

  • Der wahre tscharlie am 18.02.2022 19:17 Uhr / Bewertung:

    Informativer Artikel.
    Und um Frau Schreyers Argumentation zu folgen, "Man hat bei Untersuchungen festgestellt, dass wir nicht mehr Unfälle auf den eingleisigen als auf den zweigleisigen Strecken haben.", kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass auf einer zweigleisigen Strecke zwei Züge frontal zusammenstoßen. Jedenfalls hab ich noch nie davon gehört.

    Und wenn die Bahn, wie ich vor gut einer Woche gelesen habe, eine weitere Milliarde in den unsäglichen Bahnhof "Stuttgart 21" gesteckt hat, dann sollte sie auch paar Euros in den Streckenausbau stecken.

  • Olive am 18.02.2022 19:13 Uhr / Bewertung:

    Ich wiederhole mich, aber hier passt meine Frage ja perfekt hinein...

    Wenn Sie sich die Streckenführung z.B. der S7 zwischen Höllriegelskreuth und Wolfratshausen anschauen werden sie feststellen, dass eine zweispurige Strecken aufgrund der Gegebenheiten überhaupt nicht durchgehend möglich ist, da die Häuser viel zu dicht stehen.

    Welche Lösungsmöglichkeiten könnte es geben?
    - einen zweispuriger Ausbau nur in bestimmten Bereichen? Nicht wirklich sinnvoll.
    - in den Ortschaften das 2. Gleis woanders verlaufen lassen? Ebenfalls sehr schwierig.

    Daher die eingleisigen Strecken wo notwendig technisch ertüchtigen und die (menschlichen) Fehlermöglichkeiten maximal reduzieren.

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