Münchner Unternehmen Sono Motors kämpft ums Überleben: Hundert Millionen in fünfzig Tagen
München - Wer am Frankfurter Ring bei der Firma Bertrandt die seltene Gelegenheit hat, einen Blick darauf zu werfen, wie gerade neun Vorserien-Modelle des E-Autos Sono Sion händisch zusammengebaut werden, der merkt schnell, wie viel Detailarbeit darin steckt.
Hier hat sich Sono Motors eingemietet. Hier soll ein entscheidender Schritt passieren, um das E-Auto Sono Sion in spätestens zwei Jahren in Serie produzieren zu lassen. Und zwar in Skandinavien, bei Valmet Automotive in Finnland.
Kindheitsfreunde entwickeln E-Auto
Seit 2012 tüfteln Jona Christians und Laurin Hahn am elektrisch betriebenen Sono Sion. Sie sind beste Freunde, Kindheitsfreunde, beide aus München. Doch nun könnte ihr E-Auto-Projekt vor dem Aus stehen. Könnte, denn: Hahn und Christians haben sich nochmal eine Frist gesetzt.

Die Community soll entscheiden
Sie fordern ihre "Community" auf, darüber zu entscheiden, ob es mit dem Sion weitergehen soll. Etwa hundert Millionen Euro fehlen ihnen, um den Schritt vom Vorserienfahrzeug zum Serienfahrzeug zu leisten. "Wir sind so weit gekommen", sagt Hahn. Er ist kämpferisch: "Bei einem Marathonlauf gibt man ja auch nicht kurz vor dem Ziel auf!" Nun hoffen sie genau auf diesen Betrag in etwa 50 Tagen.
So soll das Crowdfunding funktionieren
Auf der Homepage fordert Sono Motors seine Fans dazu auf, das Unternehmen zu unterstützen, indem 3.500 Käufer einen ermäßigten Preis von 27.000 Euro komplett vorauszahlen. Falls das in 50 Tagen gelingen sollte, wäre die nötige Summe da: 94,5 Millionen Euro würde das Crowdfunding in das Sion-Budget spülen. Bisher gibt es 21.000 Reservierungen für das E-Auto. Rund 2.000 Euro wurden hier jeweils vorbezahlt. Der Rest des Geldes - bisher etwa 350 Millionen Euro - stammt von Investoren.

Optimistischer Gründer
Laurin Hahn gibt sich weiter optimistisch, auch wenn die Homepage der Firma sich trauernd schwarz aufbaut, mit der Message, Weiß auf Schwarz: "Wir haben es nicht geschafft. Das ist vielleicht das Ende des Sion" und einem Video, das mit ziemlich ernüchtert dreinschauenden Gründern beginnt. Insolvent ist Sono offenbar nicht.
"Wir sind liquide"
Hahn versichert bei einem Pressetermin am Freitag: "Wir sind liquide, wir können alle unsere Mitarbeiter zahlen." 50 Millionen Euro seien etwa in der Kasse. Er verweist auf den problematischen Kapitalmarkt. Es sei derzeit für jeden schwierig, Investoren zu gewinnen. Dennoch habe gerade der US-Investor Yorkville Advisors 30 Millionen Euro an Sono Motors weitergeleitet.
Einfach weitermachen
Am Frankfurter Ring bauen, schrauben, befüllen die Ingenieure getreu dem Motto "einfach weitermachen" die Vorserien-Sions. In dieser Halle herrscht das Kommando von Markus Volmer, einem Mann, der vor Sono Motors mehr als zehn Jahre lang für Hersteller wie Mercedes gearbeitet hat. Er demonstriert das sogenannte Yellow Board, einen großen Tisch, auf dem die komplette Verkabelung des Sono Sion ausgelegt ist, samt Rücklichtern, Frontscheinwerfern und Touchdisplays im Cockpit.
"Der Teufel steckt im Detail"
"Hier testen wir auf Fehler und verbessern sie", erklärt Volmer, "damit alles schon funktioniert, bevor wir die Verkabelung einbauen." Nach dem Einbau sei es sehr schwierig, herauszufinden, wo der Fehler innerhalb des fast zwei Kilometer langen Kabelbaumes liegt, sagt Volmer, ein Mann, der enorm fokussiert und konzentriert wirkt. "Der Teufel steckt im Detail", sagt er mehrmals.
Wurden Entwicklungskosten unterschätzt?
Während also am Frankfurter Ring mit voller Konzentration der Sono Sion weiterentwickelt und weitergebaut wird, richtet sich das Schlaglicht auf die Firmenzentrale an der Waldmeisterstraße 78. Und es stellt sich die Frage: Haben die beiden Gründer und ihr Team die Entwicklungskosten unterschätzt?
So geht es mit Sono Motors weiter
Sicher ist: Auch wenn das Traumprojekt von Hahn und Christians - der Sono Sion - scheitern sollte, wird es Sono Motors weiterhin geben. Denn die Firma hat eigens entwickelte Solarpaneele und deren Steuerungsmodule patentieren lassen, die sie bereits jetzt erfolgreich vermarktet. Sie waren ursprünglich für den Sono Sion erfunden worden.
Fokus auf die Solarbranche?
Die Idee dahinter: Die Paneele können so viel Energie erzeugen, dass man bis zu 120 Kilometer mit dem Auto wöchentlich fahren kann, ohne dass es an die Steckdose angeschlossen, also "getankt" werden muss. Wäre also der Sono Sion Geschichte, "würde sich Sono Motors auf die Solarbranche konzentrieren", sagt Jona Christians. Sie können auch dafür verwendet werden, etwa die Kühlung von Lkw zu betreiben oder die Klimaanlage von Pkw zu unterstützen.
300 Arbeitsplätze in Gefahr
Etwa 420 Mitarbeiter hat Sono Motors inzwischen, vier Mal so viele wie noch vor rund zwei Jahren. Käme es zum Ende des Sono Sion, wären wohl bis zu 300 Arbeitsplätze betroffen. "Natürlich würden wir versuchen, so viele Mitarbeiter wie möglich in unserem Solarbusiness weiterzubeschäftigen", sagt Christians. Doch so weit sei es ja noch lange nicht.
Noch gibt es Hoffnung
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Die nächsten 50 Tage werden sehr spannend sein für Fans und Verantwortliche des Sono Sion - der übrigens schon sehr vernünftig funktioniert. Auf einer Teststrecke in Oberschleißheim darf die AZ den Sion am Freitag erneut Probe fahren, wie schon vor einem Jahr. Das Auto fährt, bremst, lenkt souverän, wie ein solider Familien-Minivan. Und deutlich besser als noch der Prototyp vor etwa einem Jahr. Es ist Fortschritt zu spüren.
Der Kurs von Sono Motors im US-Markt NASDAQ liegt derzeit bei einem US-Dollar. Gestartet ist er bei 14 US-Dollar - dem Höchststand zum Börsenstart Ende 2021.
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