Münchner Unternehmen bietet Nachhilfe mit KI: "Das ist das größte Problemfach"
München - Wie schön wäre es, einen Mathe-Lehrer zu haben, der einem jedes Thema so oft erklärt, wie man es braucht, um es endlich zu verstehen. Genau das verspricht RocketTutor, ein neues KI-Mathe-Nachhilfe-Tool aus München. Die Künstliche Intelligenz passt sich individuell an jeden Nutzer an und erkennt Wissenslücken. Entwickelt wurde das Tool von Lionel Rühlemann, Komaldeep Chahal und Yue Wu. Die drei Gründer waren auch in der Sendung "Die Höhle der Löwen" zu Gast und landeten einen Deal mit dem Unternehmer Carsten Maschmeyer.
RocketTutor: Mathe-Nachhilfe mit Künstlicher Intelligenz
"Unsere Mission ist, dass wir jedem Lernenden auf der Welt – da sind wir noch nicht, aber perspektivisch – die besten Chancen in der Bildung bieten", so Rühlemann. Wu und Rühlemann kennen sich aus der Uni, haben beide Wirtschaftsinformatik an der TU München studiert. Komaldeep Chahal, der Dritte im Bunde, hat bereits einige Jahre Berufserfahrung als Entwickler.
Lionel Rühlemann kennt den Bildungsbereich aus seiner Familie. "Meine beiden Eltern sind Lehrkräfte, sogar meine Großeltern waren Lehrkräfte. Das heißt, ich musste irgendwas in dem Bereich machen", sagt er und lacht.
So geht KI-Nachhilfe
Wie funktioniert Nachhilfe mit RocketTutor? Zu Beginn wählen die Schüler ihr Bundesland und die Jahrgangsstufe aus. Das System erstellt dann einen Lernplan und passt sich während des Übens in Echtzeit an die Schwächen des Lernenden an. Bei Fragen steht außerdem ein KI-Tutor zur Verfügung, mit dem die Schüler per Chat kommunizieren können. Den Tutor können sich die Schüler zu Beginn aus drei Optionen aussuchen.

"Das Problem bei menschlicher Nachhilfe ist, wie oft man den Lehrer sieht", sagt Rühlemann. Je nach Budget finden "echte" Nachhilfestunden ein- bis zweimal die Woche für eine Stunde statt. Das sei zu wenig Zeit, um herauszufinden, wo genau die Schwächen des Schülers liegen. Die KI von RocketTutor kann nachvollziehen, bei welchen Rechenschritten die Probleme liegen und sofort passende Aufgaben raussuchen, so der Geschäftsführer.
Eine Milliarde Euro für Nachhilfe in Deutschland
Ein weiterer großer Vorteil, den Rühlemann in seinem Produkt sieht, ist der Preis. In Deutschland wurde 2023 etwa eine Milliarde Euro für Nachhilfe ausgegeben. Die Preise für Nachhilfeunterricht variieren stark. Private Nachhilfestunden kosten im Durchschnitt zwischen 10 und 20 Euro. "Das kann sich nicht jeder leisten", sagt Rühlemann. RocketTutor kostet etwa neun Euro pro Monat.
"Der Lernende hat volle Kontrolle darüber, wie er lernen will", sagt Rühlemann. Das heißt, Schüler sind komplett frei darin, wann, wie oft und wie lange sie mit RocketTutor üben möchten. Etwas Selbstdisziplin braucht es aber trotzdem. "Lernen macht zwar Spaß mit uns, aber es ist immer noch Lernen", so Rühlemann mit einem Schmunzeln. "Der wichtigste Motivator ist, wenn man es versteht. Also ein Erfolgserlebnis hat."

Mathe ist das größte Problemfach
Warum gerade Mathe? "Das ist das größte Problemfach. 60 Prozent aller Nachhilfestunden sind Mathematik-Nachhilfestunden“, so Rühlemann. "Mathematik ist außerdem ein guter Anwendungsfall für KI." Auch wenn es Unterschiede in den verschiedenen Schulsystemen gibt, ist die Kernmathematik dieselbe.
"Wenn man es geschafft hat, in Deutschland ein gutes Produkt zu bauen, ist es gar nicht so schwer, das zum Beispiel auf dem österreichischen oder italienischen Markt zu adaptieren." Die überregionale Erweiterung ist ein langfristiges Ziel des Unternehmens.
Zunächst ist erstmal geplant, weitere Jahrgangsstufen zu ergänzen und auch andere Schulformen miteinzubeziehen. Bisher steht RocketTutor für die Klassen 8-13 in Gymnasien und Gesamtschulen zur Verfügung.
Es begann an der TUM
Was, wenn die KI mal Fehler macht? "Es gibt in den meisten Fällen eine Grundsicherung. Wir haben ein großes Team von Lehramtsstudierenden, die gegenchecken und eine letzte Kontrollinstanz darstellen", so Rühlemann. "Bevor eine Aufgabe gestellt wird, wird diese noch mal von Menschen geprüft."
Angefangen hat alles vor etwa drei Jahren mit alten Abituraufgaben. Zunächst haben die Entwickler manuell mit dem Lehrstuhl für Didaktik der TU festgelegt, was man wissen muss. "Das war ein sehr aufwendiger Arbeitsschritt", sagt Rühlemann.
Bei jeder Aufgabe wurden die vielen Möglichkeiten und Zwischenschritte aufgebrochen. Mittlerweile ist der Wissenspool groß genug, sodass die KI schnell selbst erkennen kann, was zum Lösen einer Aufgabe benötigt wird. "Am Anfang waren wir nur zu dritt und saßen an der TUM. Mittlerweile haben wir ein tolles Team", sagt Rühlemann.
Das sagen bayerische Lehrkräfte zu KI-Nachhilfe
Was sagen Lehrkräfte zu solchen KI-gestützten Nachhilfetools? Der Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) steht solchen Tools grundsätzlich offen gegenüber, sagt Simone Fleischmann, BLLV-Präsidentin.
Im regulären Schulbetrieb können Lehrer oft nicht so individuell auf die einzelnen Bedürfnisse der Schüler eingehen, wie es KI-Lernplattformen können. Die Schüler sollten jedoch nicht mit den Plattformen alleine gelassen werden, sagt Fleischmann. "Wir müssen solche Tools als Lehrer checken und mit Eltern, sowie Schülern darüber sprechen."

BLLV sieht viele Vorteile
Fleischmann sieht den Vorteil vor allem im individuellen Feedback. Außerdem seien KI-Plattformen besonders für Mathe hilfreich, da das Fach systematisch gegliedert ist und auf dem Gelernten aufbaut.
Außerdem haben Schüler, insbesondere Mädchen, oft eine Abneigung gegenüber dem Fach, so Fleischmann. Digitale Tools können sie durch einen spielerischen Aufbau und Belohnungssysteme motivieren.
Ein weiterer Pluspunkt: dass sich Schüler weniger dafür schämen, wenn sie Nachhilfe brauchen. Das käme oft vor. "Mit den Tools bekommt das ja keiner mit", sagt sie. Trotzdem sollten Schüler sich trauen, über die Plattformen zu sprechen, die sie nutzen und sie ihren Mitschülern empfehlen.
BLLV-Präsidentin: "Anwendung in der echten Welt fehlt"
Worauf kommt es bei guter Nachhilfe an? "Beziehung ist die Grundlage des Lernens", sagt Fleischmann. Schüler lernen besser, wenn die Beziehung zum Lehrer und zwischen den Schülern gut ist. Bei "analoger Nachhilfe" sei es wichtig, wie gut die Lehrkraft mit dem Schüler harmoniert.
Natürlich können die Schüler auch eine Beziehung zur KI-Nachhilfe aufbauen. Das reiche aber nicht aus, da die Anwendung in der realen Welt fehlt. "Wir fragen Leistung immer noch im sozialen Setting ab", so die BLLV-Präsidentin.
KI könne Defizite vielleicht besser analysieren und Aufgaben individueller anpassen. Schüler müssen aber das Gelernte immer noch so gut verstehen, dass es in der Schule und im sozialen Umfeld angewendet und abgefragt werden kann, so Fleischmann.