Wie diese Münchner Forscher die Verkehrsplanung der Stadt revolutionieren könnten
München — Wie viel kostet es die Gesellschaft eigentlich, wenn ich mit dem Auto fahre? Auf diese Frage möchte "Sasim", das neue Online-Werkzeug von "MCube", Antworten geben. Der Name steht für "Smart Advisor for Sustainable Integrated Mobility" und soll eine Vollkostenperspektive auf den städtischen Verkehr bieten.
Was kostet ein Autokauf die Gesellschaft?
"Die Idee war, Transparenz zu schaffen. Vor allem auch, damit jeder einmal realisieren kann, dass es auch andere Kosten gibt, die einem vielleicht gar nicht so bewusst sind”, sagt die Forschungsleiterin Julia Kinigadner zur AZ. Die Vollkosten setzen sich aus internen und externen Kosten zusammen. Ersteres sind Kosten, die für uns persönlich anfallen. Der Kauf eines Autos etwa. Das zweite sind "die Kosten, die nicht wir als Nutzende zahlen müssen, sondern die Gesellschaft", so Kinigadner.
Ein klassisches Beispiel für externe Kosten seien CO₂-Emissionen. Diese verursachen reale Schäden und somit auch Folgekosten. Mit "Sasim" werden diese Kosten mit einberechnet, sodass diese auf individuelle Strecken und verschiedene Verkehrsmittel heruntergebrochen werden können.
Daraufhin wird ein sogenannter "Mobiscore" vergeben, nach dem Vorbild des Nutri-Scores, der bekannten Kennzeichnung auf Lebensmitteln, die Nährwerte von A bis E bewertet. "Der Mobiscore soll Nutzenden helfen, das Ergebnis besser einzuordnen", erklärt Nienke Buters, Forscherin bei TUM/"MCube". Das Fahrrad bekommt beispielsweise den Mobiscore, also die Note "B", weil die externen Kosten in der Kategorie "Gesundheit" recht hoch sind. Das liege am hohen Unfallpotenzial von Fahrrädern, erklärt Kinigadner. Unfälle verursachen wiederum Kosten, Behandlungen oder Arbeitsausfälle etwa.
Bis jetzt ist es nur ein Prototyp, doch bald könnten Städte praktischen Nutzen haben
Das Auto wiederum bekommt den Mobiscore "E", da die externen Kosten für Zeitverlust und Umwelt deutlich höher sind.
Aber was bringt ein solches Tool eigentlich? "Der verhaltenspsychologische Ansatz des Mobiscores ist, zu versuchen, die externen Kosten in ein Attribut zu übersetzen, womit die Menschen etwas anfangen können”, so Buters. Mobilitätsplanung habe sehr viel mit Menschen und Verhalten zu tun, sagt Kinigadner.
"Sasim" würde die Lücke zwischen Verkehrsplanung und Verhaltensänderung schließen, sagt Oliver May-Beckmann, Geschäftsführer von "MCube".
Derzeit handelt es sich bei "Sasim" um einen Prototyp. Langfristig soll das Werkzeug in Kommunen und Städten zur Planung verwendet werden. Man könne dann Szenarien errechnen, so Kinigadner. Zum Beispiel: "Wenn es weniger Autos in der Stadt gäbe, würde das die Unfallkosten beim Fahrrad senken?" "Sasim" könnte bei solchen planerischen Entscheidungen helfen. "Da wird es politisch total spannend", sagt May-Beckmann. Derzeit würden Debatten um Mobilitätskosten sehr abstrakt geführt. "Wenn wir aber sowas jetzt auf Planungsebene umsetzen könnten, können Entscheidungsträger einmal sagen, durch meine Entscheidungen habe ich der Gesellschaft X-Millionen Euro an Kosten gespart.”
Eines der Ziele ist eine Kooperation mit Google
"MCube" denkt auch schon einen Schritt weiter und hat große Pläne mit "Sasim". Ein weiteres langfristiges Ziel sei es, mit großen Unternehmen wie Google zu kooperieren. "Jeder von uns nutzt Google Maps und da könnte der Mobiscore mit angezeigt werden", so die Idee der Forscherinnen. Würde man oft auf eine schlechte Note hingewiesen, könne sich Verhalten ändern. Auch andere Routenplaner-Apps, wie die der MVG kämen dabei infrage.
Derzeit funktioniert das Tool nur in München. Der nächste Schritt sei, es auf das MVV-Gebiet und auf Bayern auszuweiten. "Sasim" ist im Internet für alle frei zugänglich.
"Sasim" finden Sie unter: www.mcube-cluster.de
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