München: Neues Bündnis gegen maßlose Nachverdichtung

München - Gesichtslose Neubauten ersetzen liebgewonnene Architektur, Bäume und Hinterhöfe verschwinden aus dem Stadtbild – so beschreibt ein Bündnis aus Parteien und Bürgerinitiativen die Nachverdichtung.
Und die finde derzeit in einem Ausmaß statt, das "maßlos" ist, beobachten die Nachverdichtungs-Kritiker. Michael Piazolo (Freie Wähler): "Das Planungsreferat schaut, wo noch etwas frei ist und baut die Fläche dann zu. Doch einen genauen Plan gibt es nicht." Die Konsequenzen seien verheerend: Grünflächen, Frischluftschneisen – all das verschwinde nach und nach aus der Stadt. "Und das in Zeiten, zu denen Klimawandel Thema Nummer Eins ist", so Piazolo.

Doch seine Kritik gilt nicht nur dem Planungsreferat der Stadt, sondern auch der Münchner Verkehrsgesellschaft. "Dass die nur wenig tut, merkt man zum Beispiel beim 365 Euro Ticket." In Nürnberg soll jetzt im Schuljahr 2020/2021 das Pilotprojekt für Schüler und Azubis starten. "Dass München da hinterherhinkt, ist peinlich."
München: Die Nachverdichtung soll gebremst werden
Dem Bündnis gehe es mit seinem Bürgerbegehren nicht um einen kompletten Nachverdichtungs-Stopp, sondern darum, "maßlose Nachverdichtung" zu verhindern. Die Wohnungen, die derzeit gebaut werden, so das Argument der Nachverdichtungs-Kritiker, würden eh hauptsächlich auf dem frei finanzierten Markt entstehen. Das Ziel sei zwar, den Neubau insgesamt zu reduzieren, etwa nur noch halb so viel zu bauen. Aber von diesem geringeren Anteil einen viel größeren Teil an preisgedämpften Wohnungen entstehen zu lassen. ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff sagt: "Die Mieten sind explodiert, die Wohnungen werden größtenteils für die Reichen gebaut."
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Diese Forderungen werden im Bürgerbegehren aufgestellt: Die Identität der Stadtviertel mit ihrer qualitätvollen Architektur, grünen Parks und ausreichend Erholungsflächen soll erhalten bleiben. Die Stadt habe die dazu nötigen Mittel bereits in der Hand, sagt Andreas Dorsch vom Bündnis Gartenstadt. Sie könne Bebauungspläne aufstellen oder Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen erlassen. Dorsch: "Die Stadt muss das nur anwenden."
München: Bündnis will Grünflächen-Regelung wieder einführen
Mit dem Bürgerbegehren will das Bündnis zudem die Rückkehr zu einer Regelung erreichen, die noch bis 2017 bestanden hat. Die sieht vor, dass bei Bebauungsplänen 32 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner verpflichtend sind. Aktuell verbleiben nur noch 15 bis 20 Quadratmeter Grün pro Person, kritisiert das Bündnis. Gisela Krupski vom "Forum Lebenswertes München" kritisiert: "Dabei zeigen Stadtklima-Analysen, dass wir dringend mehr Grünflächen statt weniger benötigen." Sie nennt eine Studie der TU München, in der herausgekommen sei, dass zehn Prozent mehr Grünfläche die Durchschnittstemperatur in der Stadt um ein Grad kühler machen können.<div class="img"><%PIC id="882744" style="width:75%" %></div>
Die Nachverdichtungs-Kritiker sprechen sich auch klar gegen die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) und das Kooperative Stadtentwicklungsmodell für den Münchner Norden (Kosmo) aus. "Diese letzten freien Flächen sorgen für Frischluft, bieten Platz für Artenvielfalt", sagt Krupski. Ebenso wichtig für Frischluftschneisen sei der Eggarten.
Das Bündnis braucht 34.000 Unterschriften
Das Bündnis kritisiert zudem, dass in München die Zahl an Arbeitsplätzen steigt – und will im Umkehrschluss, dass Gewerbeflächen nur noch eingeschränkt ausgewiesen werden. "Stattdessen sollten mehr Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen geschaffen werden – und Möglichkeiten, dass Menschen, die außerhalb wohnen öfter im Homeoffice arbeiten und somit nicht so oft nach München pendeln müssen", sagt Piazolo.
Rund 34.000 Unterschriften muss das Bündnis für einen Bürgerentscheid sammeln. Piazolo schätzt: "Ein Projekt, das durchaus über die Zeit nach der Kommunalwahl hinausgehen könnte."
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