Mordprozess in München: Kastration auf Wunsch - 61-Jähriger stirbt

Mehrere Männer suchen im Internet nach jemandem, der ihnen die Hoden entfernt. Bei einem Oberbayern werden sie fündig. Der Elektriker setzt das Skalpell an, mit teils fatalen Folgen. Nach einem Todesfall steht er nun in München vor Gericht.
John Schneider
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Der Angeklagte am Donnerstag im Gerichtssaal.
Der Angeklagte am Donnerstag im Gerichtssaal. © Daniel von Loeper

München - Es gibt Dinge, die hat auch ein so erfahrener Jurist wie Thomas Bott, Vorsitzender Richter am Landgericht München II, noch nicht gesehen. Dass ein Mann, der über 60 Jahre alt ist, sich entschließt, unbedingt zum Eunuchen werden zu wollen, erstaunt den Richter. Nicht nur ihn.

Folterungen mit Nadeln, Brennnesseln, Peitschen oder Elektrogeräten, Verstümmelungen, Penis-amputationen oder Hodenentfernung: Wer am Donnerstag im großen Saal 101 des Strafjustizzentrums den Prozess verfolgt, taucht in eine Welt ein, die den meisten fremd sein dürfte.

Männer auf Wunsch kastriert - einer stirbt

Angeklagt ist ein 66-jähriger Elektriker aus Markt Schwaben. Karl T. (Name geändert) soll zwischen Juli 2018 und März 2020 Männer auf deren Wunsch kastriert oder verstümmelt haben.

Die Staatsanwaltschaft hat acht Fälle angeklagt. Ein 61-Jähriger soll nach einem solchen Eingriff gestorben sein. Die Anklage geht in diesem Fall von Mord durch Unterlassen aus, weil sich das Opfer in der Obhut des Angeklagten befunden haben soll, dieser aber keine Hilfe holte. Diesen Vorwurf streitet der ansonsten weitgehend geständige Angeklagte ab, erklärt stattdessen, damit habe er "absolut nichts zu tun".
Die Ermittler kamen im April 2020 auf seine Spur, durchsuchten seine Wohnung. In einem großen Karton fanden sie die Leiche des 61-Jährigen.

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Seine Kunden waren gleichermaßen männlich und weiblich, berichtet der 66-Jährige. Sein Motiv? Geld. Die Bestattung seiner dritten Ehefrau hatte ein großes Loch in die Kasse gerissen. Ein Bekannter habe ihn dann in die BDSM-Szene eingeführt. Er habe dem Bekannten einmal bei seinen Praktiken zugeschaut und gedacht: "Das kann ich auch."

1.200 Euro für eine Kastration

Die Anklage geht davon aus, dass er sich dabei auch selbst sexuell stimulierte. Doch Karl T. streitet das ab. Es sei ihm nur ums Geld gegangen. Auf den einschlägigen Internet-Seiten bot er auch Kastrationen an, 250 bis 1.200 Euro kosteten seine Dienste.

Eine medizinische Ausbildung hat Karl T. nicht. Seinen Kunden spielte er unter anderem vor, Rettungsassistent zu sein. "Ich habe denen diese Lüge aufgetischt, damit sie sich operieren lassen", gibt er zu. Was aber steckt hinter dem Wunsch nach Kastration?

Der Prozess dauert an

Der Neuropsychologe Erich Kasten sagt, dass die Betroffenen oft geschlechtslos sein wollen. "Dahinterstehen kann natürlich auch eine Transgendergeschichte: Männer, die sich als Frauen fühlen, wollen mitunter auch ihren Genitalbereich loswerden." Andere seien asexuell oder wollen nach vielen Enttäuschungen Geschlechtsverkehr künftig vermeiden.

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Sie finden fast zwangsläufig den Weg in dubiose Internetforen oder ins Ausland, da in Deutschland Ärzte kein intaktes, gesundes Körperteil nur auf Basis eines Wunsches entfernen dürfen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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8 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Hanswurst am 28.10.2021 19:34 Uhr / Bewertung:

    Ich bin schon auf die Verfilmung dieser Tragikkomödie gespannt. Mit Til Schweiger in der Schlüsselszene: "Das kann ich auch".

  • köterhalsband am 29.10.2021 00:10 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Hanswurst

    Falls das witzig sein sollte dann hat es nicht funktioniert.

  • Weigand am 28.10.2021 11:38 Uhr / Bewertung:

    Wenn auf "Mord" erkannt wird,wird das bestimmt ein interessanter BGH-Fall

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