Migramed: Medizinstudierende helfen Flüchtlingen

Rund 32 Asylbewerber sind in den Hungerstreik getreten. Die Stadt sucht nach einer Lösung für die Flüchtlingsproblematik in München und wird von ehrenamtlichen Organisationen unterstützt – wie beispielsweise von Migramed, einer Gruppe Münchner Medizinstudenten.
Ali Vahid Roodsari |
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Ein Teil des Migramed-Teams.
MigraMed 2 Ein Teil des Migramed-Teams.
Tehereh und Ali J. sind nur zwei von vielen Asylbewerbern, die Migramed unterstützt.
ho 2 Tehereh und Ali J. sind nur zwei von vielen Asylbewerbern, die Migramed unterstützt.

Derzeit protestieren rund 32 Asylbewerber am Sendlinger Tor für bessere Lebensbedingungen. Die Stadt sucht nach einer Lösung für die Flüchtlingsproblematik und wird dabei von ehrenamtlichen Organisationen unterstützt – wie beispielsweise von Migramed, einer Gruppe Münchner Medizinstudenten.

Im Juni 2013 traten 70 Flüchtlinge am Münchner Rindermarkt in den Hungerstreik. Sie protestierten für bessere Lebensbedingungen von Asylbewerbern. Nun streiken erneut rund 32 Flüchtlinge.

Die Situation zeigt, dass die Stadt auf Hilfe angewiesen ist. Vor allem gemeinnützige Organisation unterstützen bei der Betreuung von Asylbewerbern. Darunter ist etwa die Caritas, aber auch kleine, ehrenamtliche Gemeinschaften wie Migramed.

 

Medizinstudierende helfen Flüchtlingen

„Bei Migramed handelt es sich um eine Studenteninitiative mit dem Ziel, die medizinische Versorgung von Asylbewerbern zu verbessern“, sagt Sandra Mekidiche, Studentin der Humanmedizin an der TU und Teil des Organisationsteams von Migramed.

Migramed arrangiert Termine bei Fachärzten, organisiert Dolmetscher, steht bei medizinischen Fragen zur Verfügung und erfasst alle relevanten Informationen in einem Patientenbogen.

Die Organisation arbeitet eng mit der Caritas zusammen. Die Sozialarbeiter werden immer über die Ergebnisse der Termine informiert. Dazu finden zwei Sprechstunden pro Woche statt: „Eine bei der Caritas und eine direkt in der Bayernkaserne“, sagt Mekidiche weiter.

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Von Würzburg über Regensburg nach München

Die Grundidee stammt ursprünglich aus Würzburg. Dort existiert ein ähnliches Projekt. Studenten aus Regensburg ließen sich von der Idee inspirieren und gründeten im Herbst 2009 eine Migramed-Stelle in der Stadt.

Medizinstudierende aus München traten mit Migramed in Regensburg in Kontakt und entschieden sich, die Organisation auch in München zu etablieren. Nach einem IPPNW-Treffen in Erlangen (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) vor zwei Jahren wurde Migramed München dann geboren.

 

90 Mitglieder - alle ehrenamtlich

Sandra Mekidiche spricht von rund 90 Mitgliedern in München, die für Migramed tätig sind, davon gehören zehn zum Organisationsteam.“

Eine Zahl, die der eines mittelständischen Unternehmens gleicht. Allerdings gibt es kein Geld für die Arbeit. „Bei Migramed sind alle ehrenamtlich, sowohl Betreuer als auch Dolmetscher“, sagt Mekidiche.

Freiwillige Helfer findet die Organisation entweder durch Vorträge bei Einführungsveranstaltungen von Medizinstudenten oder schlichtweg durch Aushänge an der Uni. Vor allem Dolmetscher werden so angeworben. Migramed kommt so mit den verschiedensten Nationalitäten zurecht und hat Experten für Arabisch, Französisch, Uigurisch und Dari/Persisch im Team.

 

Gemeinsam zum Arzt

Bei Arztbesuchen sind die Dolmetscher nicht mit den Asylbewerbern allein, sondern werden von einem Medizinstudenten begleitet. Luisa Berdin (25) betreut Flüchtlinge beim Arztbesuch. Durch eine Kommilitonin wurde die Medizinstudentin auf Migramed aufmerksam und war sofort von der Idee begeistert.

Auf die Frage, warum sie sich ehrenamtlich engagiert, sagt sie: „Ich will etwas Soziales machen und kann so auch mein Wissen aus dem Studium nützlich zum Einsatz bringen.“

Seit einem Jahr begleitet die 25-Jährige jetzt schon Asylbewerber beim Gang zum Arzt. Dabei kümmert sie sich vor allem um Beratung und medizinischen Belange einer bestimmten Familie. „Es ist ein schönes Gefühl, dieser Familie zu helfen und ich lerne sehr viel dabei“, erzählt sie.

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Vier Flüchtlinge aus dem Iran

Berdin hilft einer vierköpfigen Familie aus dem Iran: Ali, Tehereh, Sahar und Sooroosh J. Sie kamen vor über zwei Jahren nach Deutschland.

„Wir hatten Probleme mit der Regierung“, sagt Tehereh J., die in einem Mix aus Persisch und Deutsch spricht. Wobei es sich bei diesen Problemen handelt, darauf will sie nicht näher eingehen.

Der Vater ist seit 15 Jahren an multiple Sklerose (MS) erkrankt, der Sohn (15) hat seit dem siebten Lebensjahr Marfan-Syndrom und bei der Tochter (17) wurde erst vor kurzem MS diagnostiziert. Mehrere Arztbesuche im Quartal pro Familienmitglied sind Pflicht. Ohne die Hilfe von Organisationen wie Caritas oder Migramed undenkbar – allein wegen der Sprachbarrieren.

 

„Migramed hat uns quasi das Leben gerettet“

„Sie haben uns quasi das Leben gerettet“, erzählt Tehereh J. weiter. „Zu Beginn haben wir einen Dolmetscher gebraucht und die Caritas konnte nicht immer einen zur Verfügung stellen.“

Dolmetscher sind teuer, die gemeinnützige Organisation hilft kostenlos. In einem Fall musste Ali J. nach einem Herzanfall für acht Tage ins Krankenhaus. Ein Migramed-Mitglied, vermittelt durch die Caritas, besuchte den Mann täglich und sorgte für die richtige Vermittlung zwischen Ärzten und Patient.

Heute ist die Familie weniger auf sprachliche Hilfe angewiesen. Die Kinder können bereits genug deutsch, um sich zu verständigen. Nur noch beim Vater hapert es etwas.

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Alles hat sein Ende

Wie geht’s für Luisa Berdin weiter? Die 25-Jährige wird sich in Zukunft weniger ehrenamtlich engagieren können. Das Studium ist fast abgeschlossen und sie fürchtet, dass sie als Ärztin keine Zeit mehr für ihren Einsatz bei Migramed finden wird.

Doch das ist nicht schlimm, denn „ (…) es wird immer nach neuen Generationen von Medizinstudenten gesucht, die die Arbeit übernehmen“, sagt Berdin.

Der Autor ist freier Mitarbeiter bei der Abendzeitung und engagiert sich ehrenamtlich als Dolmetscher für Migramed.

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