Merk: "München wird keine Hochhaus-Stadt"

Bis 2030 wird die Stadt um über 200.000 Einwohner wachsen. Doch wo sollen die vielen Leute hin? Ein zweites Manhattan wird aus München jedenfalls nicht werden. Was die Stadt stattdessen vorhat.
von  Florian Zick
Für Stadtbaurätin Elisabeth Merk sind Gebäude über 70 Meter "grober Unfug".
Für Stadtbaurätin Elisabeth Merk sind Gebäude über 70 Meter "grober Unfug". © Daniel von Loeper/Rainer Viertlboeck/AZ

München - Wer sich heute in München nach einer neuen Wohnung umschaut, der sollte die Baldrian-Tropfen dringend griffbereit halten: über 700 Euro für ein kleines Ein-Zimmer-Apartment – und das kalt. Da kann einem schnell mal richtig schwindlig werden. In den nächsten Jahren wird sich der überhitzte Mietmarkt aber sicher nicht abkühlen. Bis 2030 wird München um die Größe einer Stadt wie Karlsruhe oder Freiburg wachsen. Über 200.000 neue Einwohner werden Prognosen zufolge in die Stadt drücken – und die Mietpreisspirale weiter nach oben drehen.

Was also tun? Wie verhindern, das sich München nur noch die Besserverdienenden leisten können? Um die Strategie der Stadt mal näher zu beleuchten, hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gestern alle um sich geschart, die bei der Stadt beim Wohnungsbau etwas mitzureden haben: Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteifrei), Münchens obersten Immobilienverwalter, Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD), und die Chefs der beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften, Klaus-Michael Dengler von der Gewofag und Hans-Otto Kraus von der GWG.

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Für Stadtbaurätin Merk ist klar: In die Höhe bauen, ist nicht die Lösung. "München wird keine Hochhaus-Stadt", sagt sie. Wie aber kann dann verhindert werden, dass immer mehr Menschen um das jetzt schon knappe Gut Wohnraum konkurrieren.

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Wie viele Wohnungen werden im Jahr fertig?

Da hinkt die Stadt ihren eigenen Vorgaben noch etwas hinterher: Als Zielzahl hat der Stadtrat 8.500 neue Wohnungen im Jahr ausgegeben – "und selbst das kann noch nicht das Ende sein", sagt OB Dieter Reiter. Tatsächlich wurden vergangenes Jahr aber nur 6.500 Wohnungen fertiggestellt.

Zumindest wurde 2015 aber für 8.445 Wohnungen die Baugenehmigung erteilt. Das lässt zumindest erwarten, dass in den nächsten Jahren der Wohnungsmarkt etwas entlastet wird. Die Probleme sind aber auch damit natürlich bei Weitem nicht gelöst. Reiter fordert deshalb mehr Tempo beim Wohnungsbau. Der Oberbürgermeister will sich deshalb auch für den Abbau von Vorschriften einsetzen. "Es gibt da ein paar Dinge, die uns im Weg umgehen", sagt er. Die deutschen Lärmschutzvorschriften zum Beispiel seien so steng wie nirgendwo sonst in Europa. Bei der Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohngebiete gebe es erhebliche Hürden. Und auch eine Verschärfung der sogenannten Energieeinsparverordnung hätte es nicht gebraucht. "Das sind alles Dinge, die bremsen uns aus", so Reiter.

Wo sind noch Flächen frei?

Als Stadtbaurätin Elisabeth Merk ihren Dienst angetreten hat, ging man in München davon aus, dass in der Stadt nur noch Platz für etwa 40.000 Wohnungen ist. Neun Jahre später passen aktuellen Schätzungen zufolge nun noch 61.200 Wohnungen ins Stadtgebiet. Das heißt also: Den städtischen Immobilien-Spürnasen ist es immer wieder gelungen, noch ungehobene Potenziale zu entdecken.

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In der jüngeren Geschichte Münchens sind immer mal größere Flächen freigeworden, etwa beim Umzug des Flughafens, bei der Verlegung der Messe oder durch die Aufgabe von Kasernen. In dieser Großenordnung ist nun so gut wie alles weg. Trotzdem gibt es immer wieder kleinere Entwicklungsflächen, die frei werden. Bekannte Beispiele sind das ehemalige Paulaner-Gelände in der Au, das Werksviertel am Ostbahnhof oder der frühere Eon-Firmensitz am Südpark. Dort sollen zusammen über 4.000 Wohnungen entstehen. Das letzte wirklich große Freifläche liegt im Münchner Nordosten. Dort soll zwischen der Bahnlinie der S8 und der Stadtgrenze in den nächsten Jahren ein gänzlich neues Viertel mit etwa 15.000 Wohnungen entstehen.

Wie kommt die Stadt an Grundstücke?

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen – und der Grundstückshunger der Stadt ist noch viel schwieriger zu stillen. Für das Neubaugebiet in Freiham etwa haben die Gespräche schon zu Zeiten von Alt-OB Hans-Jochen Vogel begonnen. Hätte die Stadt damals nicht angefangen, mit den zahlreichen Privateigentümern Verhandlungen aufzunehmen, wahrscheinlich würde auf dem Gelände auch heute noch kein einziger Bagger rollen.

Als Münchens oberstem Immobilienverwalter obliegt Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD) derzeit die mühevolle Aufgabe, Grundstücke so aufzukaufen, dass daraus irgendwann eine zusammenhängende Entwicklungsfläche wird. Denn nur selten ist die Sache so einfach wie bei den Kasernen: Dort sitzt mit dem Bund nur ein einziger Verhandlungspartner mit am Tisch. In den meisten anderen Fällen ist die Lage deutlich verzwickter.

Wie hoch soll gebaut werden?

Wenn die Flächen knapp werden, wäre es zwar eine naheliegende Lösung, in die Höhe zu bauen, doch zum einen ist da immer noch der seinerzeit von Alt-OB Georg Kronawitter initierte Bürgerentscheid, der es untersagt, über die Höhe der Frauenkirche hinauszubauen, zum anderen fänden sich für richtige Hochhäuser angeblich keine Investoren.

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Stadtbaurätin Merk ist Hochhaus-Gedanken zwar nicht abgegeneigt, sie denkt dabei allerdings eher an Wohntürme von 60 bis 70 Metern Höhe. Alles darüber hinaus sei schlicht "grober Unfug, weil nicht bezahlbar", sagt sie. Statt in den Himmel zu planen, will die Stadt deshalb bei der Baudichte etwas zulegen. Natürlich sei Nachverdichtung da ein Stichwort, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter. Aber vor allem bei Neubauprojekten müsse man sich überlegen, ob man die Bebauung nicht von vornherein etwas dichter anlegen.

Wie viel investiert die Stadt?

Mit "Wohnen in München V" hat die Stadt ein Förderprogramm aufgelegt, das deutschlandweit Seinesgleichen sucht. Über fünf Jahre verteilt fließen 800 Millionen Euro in den Wohnungsbau. Bundesweit gibt keine andere Kommune in diesem Bereich so viel Geld aus. "Wir stecken da mehr rein als manches Bundesland", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter.

Dazu hat die Stadt kürzlich beschlossen, den beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften für die nächsten zehn Jahre zusätzlich 250 Millionen Euro zuzuschießen. Dieses Geld soll in den geförderten Wohnungsbau fließen. Und damit die Häuser ein bisschen schneller fertig werden, erhalten Gewofag und GWG bis 2020 noch einmal zusätzlich 15 Millionen im Jahr.

Berechnet man mit ein, dass die Stadt den Wohnungsbaugesellschaften Grundstücke auch oft unter dem Marktpreis überlässt, also auch da eine indirekte Subvention stattfindet, kommt man im Jahr auf eine stattliche Fördersumme von deutlich über 200 Millionen Euro.

Wie sieht das Wohnhaus der Zukunft aus?

Die Stadt hat kürzlich das Programm "Wohnen für alle" beschlossen. Dieses sieht Wohnbauten mit kleinen Wohnungen und einfachem Standard vor. So sollen auch Leute eine Chance haben, an eine Wohnung zu kommen, deren Geldbeutel nicht unbedingt überquillt.

Zu diesem Programm gehört zum Beispiel die Baustelle am Dantebad. Der städtische Parkplatz gegenüber des Schwimmbads wird gerade mit einem länglichen Wohnhaus überbaut: Autos unten drunter, Wohnungen oben drüber. Gewofag-Chef Klaus-Michael Dengler nennt es "ein Turboprojekt". Mitte Dezember vergangenen Jahres erging im Rathaus der Beschluss, dass der Parkplatz überbaut wird, schon im September sollen die ersten Mieter einziehen. Möglich wird dieses Tempo durch die sogenannte Modulbauweise: unten Betonplatte, oben Holzständer. So lassen sich wie am Dantebad zügig mal hundert Wohnungen hochziehen. Luxuriös geht zwar anders, aber gut möglich, dass dieses Beispiel Schule machen wird. Denn oft genug muss es in der Stadt richtig schnell gehen.

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