Koalition im Stadtrat: Kommt jetzt Schwarz-Rot-Grün?

Der SPD München und dem neuen OB Reiter brechen immer mehr mögliche kleine Partner weg. Jetzt denkt man an eine Lösung im Stadtrat, die anderswo längst funktioniert.
von  Willi Bock
Sind sie bald das neue Bürgermeister-Trio? Dieter Reiter (r.) als OB mit Josef Schmid und Sabine Nallinger.
Sind sie bald das neue Bürgermeister-Trio? Dieter Reiter (r.) als OB mit Josef Schmid und Sabine Nallinger. © az/dpa/Von Leoper

München - Nach seinem glücklichen Wahlsieg über Josef Schmid (CSU) hat der künftige OB Dieter Reiter (SPD) keine Zeit zum Ausruhen. Bis zum 2. Mai muss er eine stabile Stadtregierung zusammen bekommen. Was er sich sicherlich einfacher vorgestellt hat.

Gerade muss er erleben, wie ihm die Partner für ein reines rot-grünes Bündnis ausgehen. Zuletzt wurde die Linke „sehr unmissverständlich“ abgewiesen: Mit dem Stadtrat Cetin Oraner als engagiertem Kommunisten lehnt die SPD eine Zusammenarbeit ab.

Dieser Cetin Oraner (48) ist als türkischer Protestsänger und Liedermacher bekannt. Im Internet erklärt er auf der Plattform „kommunisten.de“ in einem Interview vom Mai 2013 als Mitglied der DKP: „Denn nach wie vor ist der deutsche Imperialismus Kriegspartei: Ob es deutsche Waffen sind oder die politische Unterstützung des reaktionären türkischen Staates. Das PKK-Verbot muss aufgehoben werden.“

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.mitstreiter-gesucht-reiter-macht-sich-an-die-kleinen-ran.b3ed3abd-495d-4213-a5b7-27997f8d6df5.html
Da bleibt Reiter im Moment nur der nächstliegende Schritt: auf die CSU zuzugehen. Das ist für viele Genossen nicht einfach, die CSU war ja jahrzehntelang ihr Feindbild. Aber der moderne Josef Schmid bringt seine Partei auf einen neuen Weg, was auch aufmerksame, strategisch denkende Genossen mitbekommen haben. Und: Die Wirtschaft hat die CSU im Wahlkampf mit Spenden sehr unterstützt. „Die will die CSU mitregieren sehen“, wissen SPDler.

Die Lage: 13 Parteien und Gruppierungen haben die Münchner am 16. März in den Stadtrat gewählt. Die CSU ist die stärkste Fraktion (26 Sitze – plus vier), die SPD hat massiv verloren (minus acht Sitze auf 24), die Grünen sind auf 13 erstarkt (plus zwei). Über allen steht ein roter OB, den die Grünen ins Amt gebracht haben.

Die FDP, Freien Wähler, AfD, Bayernpartei und Bia fallen als Partner ideologisch aus, der „Hut“-Stadtrat gilt in SPD-Kreisen als völlig unkalkulierbar, der Pirat war früher FDP-Aktivist, und die Linke ist mit dem Kommunisten nicht salonfähig. Die zwei ÖDP-Stadträte stellen derart massive Forderungen, dass es für die SPD schwer ist. Und: Selbst mit der ÖDP fehlen SPD und Grünen immer noch eine Stimme.

Mit so einem Flohzirkus geheime Wahlen zu überstehen, ist schwierig. Die erste Nagelprobe wird gleich am ersten Arbeitstag des neuen Stadtrats am 2. Mai die Wahl der beiden Bürgermeister. CSU, SPD und Grüne haben allein keine Mehrheit, wollen aber Kandidaten durchbringen, die im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit haben müssen. „Wenn das schiefgeht, reden alle nur noch von Reiters Fehlstart“, ahnt ein Funktionär.

Lesen Sie hier: Regierungsbildung in München - Reiters Leiden

Augsburg und Nürnberg machen derzeit vor, wie es gehen kann: SPD, CSU und Grüne wollen dort zusammenarbeiten. In Augsburg haben CSU und SPD zwar eine eigene Mehrheit, bieten dennoch den Grünen Referentenposten an, um punktuell mitzuregieren.

In München denken Genossen über ähnliche Modelle nach. Sie sind sich da „noch nicht grundsätzlich einig“ und es wird „heftig diskutiert“. Aber es gibt eine Idee: Eine punktuelle Zusammenarbeit von Rot-Grün mit der CSU.

Die Formel lautet: „Wenn die CSU Rot-Grün als Gemeinschaft akzeptiert und bei Verkehr oder Mieterschutz die Zustimmung signalisiert, dann kann man über eine Zusammenarbeit reden.“

Wird dann Josef Schmid Bürgermeister als Vertreter der stärksten Fraktion, neben der Grünen Sabine Nallinger? Manche halten das für möglich, andere denken daran, der CSU Referentenposten zu geben.

Das käme Josef Schmid entgegen: Er wollte ohnehin Schwarz-Grün im Rathaus. Er hat auch angekündigt, keinen Bündnisvertrag unterschreiben zu wollen, aber eine Zusammenarbeit mit Rot-Grün nicht abzulehnen.

Denn allen Dreien ist auch in München klar: Es gibt immer wieder Knackpunkte, bei denen überkreuz abgestimmt wird – SPD/CSU für Olympia und Messeverlagerung, Grüne/CSU für eine fünfte Fahrspur durch den Englischen Garten. Immer wieder haben gemischte schwarz-rot-grüne Mehrheiten in den letzten 20 Jahren große Entscheidungen gefällt.

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