Institution in München beantragt Insolvenz – und kämpft hier ums Überleben: "Oberkatastrophe"
München - Die Insolvenzwelle bei Krankenhäusern hat München erreicht. Nachdem bereits das Rotkreuzklinikum in Neuhausen in einem Schutzschirmverfahren ist, kämpft nun auch die älteste evangelische Einrichtung in München ums Überleben: Das gemeinnützige Diakoniewerk München-Maxvorstadt (gegründet 1867) hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Eva-Maria Matzke, die Leiterin der Einrichtung, sprach gegenüber der AZ von "einer Notlage".
Zum Diakoniewerk Maxvorstadt gehören ein Krankenhaus mit Schmerzklinik (insgesamt 87 Betten) und eine geriatrische Reha, die von "Focus Gesundheit" als eine der Top-Reha-Kliniken 2023 ausgezeichnet wurde. Zudem werden etwa 100 Senioren stationär und nicht-stationär gepflegt und versorgt.
Diakoniewerk Maxvorstadt: In den kommenden Monaten soll saniert werden
Der Betrieb der Klinik in der Arcisstraße und in der Seniorenpflegeeinrichtung in der Heßstraße werde "in allen Bereichen und Abteilungen wie gewohnt" weiterlaufen, betont Vorständin Eva-Maria Matzke. "Die Patienten und Bewohner werden weiterhin professionell versorgt und betreut."
In den kommenden drei Monaten will man nun versuchen, das Diakoniewerk Maxvorstadt in Eigenverwaltung zu sanieren und finanziell zu stabilisieren. Eine "Mega-Herausforderung", so Matzke zur AZ. Sollte das nicht gelingen, wäre das eine "Oberkatastrophe".
Die Mitarbeiter in München leisten "jeden Tag hervorragende Arbeit"
Im Frühjahr hatte es noch Pläne gegeben, das Diakoniewerk mit dem Augustinum zusammenzuführen. Doch seit das Diakoniewerk das Insolvenzverfahren beantragt hat und sich zunächst in Eigenregie restrukturieren will, sei "das Zusammengehen bis auf Weiteres nicht möglich", teilte das Augustinum mit.
Die rund 350 Mitarbeiter des Diakoniewerks, die Tariflöhne bekamen, werden ihr Gehalt in den kommenden drei Monaten weiter in voller Höhe erhalten – aber – wie in Schutzschirmverfahren üblich – vom Arbeitsamt. "Mir tut das so leid für unsere Mitarbeiter, dass wir in so eine Notlage gekommen sind", sagt Matzke. "Sie leisten hier jeden Tag hervorragende Arbeit."

Die Ursachen für die existenzbedrohende finanzielle Schieflage sind laut Oberin Matzke unter anderem Nachwirkungen der Corona-Pandemie, "während wir mit immer weiter steigenden Kosten vor allem für Energie und Personal kämpfen müssen. Es fehlt an ausreichender Gegenfinanzierung der inflationsbedingten Mehrkosten."
Diese Probleme haben viele Kliniken – vor allem frei-gemeinnützige, denen die Kommunen nicht als Retter beispringen, bestätigt Eduard Fuchshuber, Sprecher der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. "Vermeintlich kirchliche Einrichtungen wie Ordensgemeinschaften bekommen auch keine Kirchengelder."
Fuchshuber rechnet mit 40 weiteren Kliniken, die Insolvenz anmelden könnten
Laut Fuchshuber wirtschaften derzeit "acht von zehn Kliniken" defizitär. Laut bayerischer Krankenhausgesellschaft lag die Preissteigerung 2022 bei 2,3 Prozent, die branchenspezifische Inflation aber bei 7,9 Prozent. Heuer liege die Veränderungsrate bei 4,3 Prozent, die Inflationsrate aber noch bei 6,6 Prozent.
Ende dieses Jahres, so Fuchshuber, rechne man damit, dass 40 Kliniken deutschlandweit Insolvenz angemeldet haben werden. Sie alle werden mit Umstrukturierungen versuchen müssen, eine Schließung abzuwenden. Fürs kommende Jahr rechne man sogar mit 80 Insolvenzanmeldungen.
In München ist das Rotkreuzklinikum seit September in einem Schutzschirmverfahren
In Bayern traf es im Sommer bereits die Rotkreuzklinik in Lindenberg im Allgäu. Sie muss nun ein Viertel ihrer Beschäftigten (etwa 120 Mitarbeiter) entlassen. Darüber hatte zuerst der "Merkur" berichtet. Im mittelfränkischen Neudettelsau muss die Klinik des freien Trägers Diakoneo in wenigen Wochen schließen.
In München ist das Rotkreuzklinikum seit September in einem Schutzschirmverfahren. Im Zuge der Sanierung ist geplant, dass die Frauenklinik und Geburtshilfe in der Taxisstraße ins Hochhaus an der Nymphenburger Straße umzieht. Auch wenn die Lage ernst ist, Eva-Maria Matzke ist hoffnungsvoll, das Diakoniewerk und alle Arbeitsplätze retten zu können: "Wir haben Gottvertrauen, dass wir auch weiterhin für Alte und Kranke da sein werden."
Zur Haus-Historie
Ältere München kennen es wohl noch unter dem Namen „Diakonissenanstalt“. Schon 1867 wurde sie in der Arcisstraße 15 als Gemeindekrankenstation gegründet, die später zur Krankenanstalt ausgebaut wurde. Dafür wurden eigens evangelische Schwestern aus dem Mutterhaus Neuendettelsau bei Nürnberg nach München entsandt.
Nach der Zerstörung des Areals Heßstraße/Arcisstraße im Krieg wurde die Diakonissenanstalt 1963 als Klinik mit 111 Betten wiedereröffnet. Dazu kamen: Seniorenwohnheim mit Pflegestation (1976), Ambulantes Therapiezentrum (1981), Umbau des Seniorenwohnheims in ein Wohnpflegeheim (1986), Eröffnung der Unfallchirurgischen Praxis (2004), Eröffnung der Geriatrischen Rehabilitation (2005), Interdisziplinäres Schmerzzentrum (2008), Erste Einrichtung für Akutgeriatrie in Bayern (2009), Klinikerweiterung (2010) und Eröffnung der Hauptabteilung Chirurgie (2014). Seit 1993 heißt die Diakonissenanstalt Diakoniewerk München-Maxvorstadt.
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