Grün-Rot will neue Fußgängerzonen für die Stadt
Au-Haidhausen - Es ist wenig los auf der Weißenburger Straße am Sonntagmorgen. Die Geschäfte haben zu. Autos sind kaum zu sehen. Zumindest keine fahrenden. Dicht an dicht parken die Fahrzeuge. Auf den Gehwegen hingegen ist so wenig Platz, dass selbst eine Mini-Traube Stadträte, die hier mit der AZ verabredet ist, zum Hindernis wird für Kinderwagen-Schieber.
Da braucht man keine große Fantasie, um sich vorzustellen, dass es hier im Alltag oft sehr eng wird. Genau das wollen Grüne und Rote ändern – und kündigen nun an, dass die Weißenburger Straße auf dem Abschnitt zwischen Pariser Platz und Weißenburger Platz zur Fußgängerzone wird.

Hochbeete, Bäume und Freischankflächen geplant
Man kennt sich in dieser vielleicht grün-rot-bürgerlichsten Ecke der Stadt. Beim Ortstermin ist zwar wenig los auf der Straße – aber jeder Zweite der sonntagmorgens vorbeikommt, ist ein Mitstreiter der grün-roten Fußgängerzonen-Schaffer. Und so sind sie auch sehr sicher, hier keinen Widerstand zu bekommen wie an der Fraunhoferstraße, wo zwar Autos fahren, aber nicht mehr parken dürfen.

"Viele Menschen haben hier keinen Balkon, keinen Garten", sagt Grünen-Stadträtin Gudrun Lux. Man wolle Hochbeete anlegen, wenn möglich auch Bäume pflanzen, erklärt ihre Fraktionschefin Mona Fuchs. Lux geht davon aus, dass auch neue Freischankflächen entstehen.
SPD-Fraktionschefin Anne Hübner, die selbst um die Ecke wohnt, sagt, dass es schon 2023 losgeht. In einer ersten Pilotphase will man sich ausprobieren, schon 2024 könnten dann mit Umbauten Tatsachen geschaffen werden. Nächstes Jahr will man ausprobieren, wie es klappt, wenn Radeln in Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist.
Autofreie Visionen von der Türkenstraße bis zum Stadtrand
Und überhaupt: Man werde viel ausprobieren, sagen Grüne und Rote, die betonen, in der Sache passe kein Stück Papier zwischen die Kontrahenten, äh, Koalitionspartner. Auf einer Einwohnerversammlung will man sich noch mal inspirieren lassen – vielleicht sogar dazu, gleich noch etwas mutiger zu sein und auch den Abschnitt zwischen Pariser Platz und Orleansplatz zu sperren. Definitiv noch mit dem Auto anzufahren sein sollen der Pariser Platz und der Weißenburger Platz selbst.
Dabei geht es nicht nur um Querungsmöglichkeiten. Es soll einer häufigen Kritik an Fußgängerzonen begegnet werden – dass Ärzte nicht mehr mit dem Auto erreichbar sind. Fast alle Mediziner in der Straße, sagt Anne Hübner, seien in den Arztzentren direkt an den beiden Plätzen untergebracht.
Herumrollernde Kinder oder "ideologische Brechstange"
Die Grüne Lux schwärmt davon, dass hier Kinder herumrollern könnten. Die Geschäftsleute sollen auch profitieren. Aber tun das auch alle? Was ist zum Beispiel mit dem Getränkemarkt gleich da drüben? SPD-Stadtrat Andreas Schuster, der ebenfalls im Viertel wohnt, mag kein Problem sehen. Der Markt liefere mit dem Lastenrad aus.
Und wenn wer mit dem Auto komme, finde der in der Regel eh keinen Parkplatz, parke dann in der zweiten Reihe – und mache die Straße so noch gefährlicher. Anne Hübner glaubt, dass die Läden eher profitieren. Da, der kleine Buchladen etwa, könnte endlich draußen Platz gewinnen. Wäre es nicht wunderbar, wenn man dort Stühle aufstellen könnte, auf denen die Kunden in Bücher reinlesen?
Viel schöne neue Welt, viel grün-rote Einigkeit also. Ein paar unangenehme Debatten könnten auf die Fußgängerzonen-Freunde aber zukommen. CSU-Stadtrat Hans Theiss spricht auf Anfrage von einer "ideologischen Brechstange", es würden Tatsachen geschaffen und so getan, als beteilige man die Anwohner. "An der Straße sind zahlreiche Geschäfte und Anwohner-Parkplätze." Er habe noch viele offene Fragen. "Wo sollen die Leute hin mit den Autos? Wo sind Liefer- und Ladezonen? Was ist mit mobilitätseingeschränkten Personen?" Die CSU selbst ist grundsätzlich auch für neue Fußgängerzonen – und hat 2021 beantragt, die Prielmayerstraße autofrei zu machen.
Ob es dazu kommt? Klar ist: Die Grünen und Roten werden ihre Mehrheit im Stadtrat nutzen, um weitere Fußgängerzonen auszuweisen. Um den Gärtnerplatz sollen auch keine Autos mehr fahren. Weitere konkrete Ideen? Anne Hübner spricht vom Kaiserplatz, die Grünen haben im Auge, dass die Türken- oder Amalienstraße autofrei werden könnten. Und man will auch raus aus den innerstädtischen Vierteln, den Platz für Autos auch am Stadtrand reduzieren. Nicht nur auf der Weißenburger Straße, in vielen Vierteln der Stadt, dürfte bald mehr Platz sein, nicht nur für Kinderwagen-Schieber.
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