Fahrverbot in München: Was Anwohner sagen

In Giesing und Neuhausen ist die Luft so schlecht, dass die Stadt sich gezwungen sieht, Fahrverbote zu erlassen. Wie sehen Lokalpolitiker in den Vierteln selbst die Maßnahme? Die AZ hat sich umgehört.
Felix Müller
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Zahlreiche Autos fahren im Berufsverkehr über den Mittleren Ring in München.
Zahlreiche Autos fahren im Berufsverkehr über den Mittleren Ring in München. © Sven Hoppe/dpa

München - Im Alltag kann Politik konkret und greifbar werden. Das gilt auch für den Alltag von Politikerinnen selbst. Wenn Helga Hügenell kurz auf ihren Balkon raus geht, kann sie oft sehen, was rund um die Tegernseer Landstraße ein drängendes Problem ist. "Ständig", berichtet die gebürtige Giesingerin, seit Jahrzehnten in der SPD im Viertel engagiert, "muss ich den Ruß wegputzen."

Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in München geplant

An der Tegernseer Landstraße und an der Landshuter Allee sind die Luftwerte so schlecht, dass sich die Stadt nun zur Einführung von Diesel-Fahrverboten gezwungen sieht, die die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden ausgehandelt und verkündet hat (AZ berichtete). Viele Details sind noch offen – wann es wie streng verschärft wird, ob sehr viele oder doch nur sehr wenige Privatleute Ausnahmegenehmigungen bekommen. Letztlich also: Wie viele Anwohner nicht mehr mit ihrem Auto zum eigenen Haus dürfen.

Diese Frage könnte einer der Knackpunkte werden, ob man in Giesing und Neuhausen freudig aufnimmt, nun bessere Luft zu bekommen – oder viele Nachbarn sich im Gegenteil vor allem unfair in ihrer privaten Lebensführung attackiert, ja fast schon enteignet, fühlen, weil das eigene Auto plötzlich nutzlos wird.

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Anwohnerin aus Giesing findet Fahrverbote einen guten ersten Schritt

"Ich habe als ich vom Diesel-Fahrverbot gehört habe erstmal schnell selbst nachschauen müssen, welche Schadstoffklasse mein Bus hat", sagt Hügenell. Es ist Klasse 6. "Ich bin aus dem Schneider!", freut sie sich. Sie hält die Fahrverbote für einen guten ersten Schritt, betont aber, das Hauptproblem seien doch die Ein- und Auspendler, nicht ihre Nachbarn. "Wir bräuchten Pförtner-Ampeln, die dafür sorgen, dass hier der Verkehr fließt und die Leute vor der Stadt nicht mehr einfahren dürfen." Wie wohl die Stimmung in Giesing zu den Fahrverboten ist? "Wahrscheinlich sehr unterschiedlich, je nach persönlicher Betroffenheit", sagt Hügenell.

Nicht mehr persönlich betroffen von Fahrverboten ist Carmen Dullinger-Oswald, die grüne Bezirksausschuss-Chefin Obergiesings. Vor vielen Jahren hat sie ihren Diesel-Golf abgeschafft – schweren Herzens, wie sie berichtet, aus ökologischen Gründen. Sie hält die Fahrverbote politisch für richtig. Und: für den Einzelnen für vertretbar. "Wenn es nicht anders geht, muss man halt das Auto abschaffen und Carsharing machen", sagt sie. Was sie sich für die Lebensqualität im Viertel erwartet? "Ich glaube, die Fahrverbote werden zu einer deutlichen Verbesserung der Luftqualität führen", sagt sie.

Anna Hanusch: "Wir müssen die Mobilität in der ganzen Stadt neu denken"

Das glaubt auch ihre Parteifreundin Anna Hanusch, die den Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg leitet. Und selbst nahe der Landshuter Allee wohnt, dem anderen Schlechte-Luft-Hotspot in der Stadt. "Für unsere Luft sind diese Fahrverbote ein sehr, sehr guter Schritt", sagt Hanusch im Gespräch mit der AZ. Dass ein Landshuter-Allee-Tunnel mehr Effekte gebracht hätte, glaubt sie nicht. "Das hätte ein paar Nachbarn was gebracht, aber wir müssen doch die Mobilität in der ganzen Stadt neu denken." Außerdem: "Ein Bauwerk, das vielleicht nach zehn Jahren fertig ist, bringt doch kurzfristig gar nichts."

Anna Hanusch (Grüne).
Anna Hanusch (Grüne). © Grüne

Das sehen nicht alle im Viertel so. Felix Meyer von der Bürgerinitiative Landshuter-Allee-Tunnel sagte am Freitag: "Die Fahrverbote sind doch überhaupt erst nötig geworden, weil Grün-Rot den Anwohnerschutz mit dem Tunnel abgelehnt hat." Am Petueltunnel gebe es kein Problem mehr – sondern eben nur in Giesing und Neuhausen, genau dort, wo die Stadt ihre Tunnel-Pläne eingestampft hat. "Außerdem ist unser Problem hier nicht nur die Luft, sondern auch der Lärm." Und den machen Benziner auch, soll das heißen. Meyers Urteil über die Fahrverbote: "eine verkorkste Maßnahme". In Giesing und Neuhausen ist es nicht anders als im Rest der Stadt: Die Diesel-Fahrverbote polarisieren.

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  • Praktikant im Amt am 09.10.2022 21:48 Uhr / Bewertung:

    Alle Power Öken jaulen hier um ein bisschen NO2 aber ihre eigene Partei stellt den Verkehr in den Grünen Stau. So schlimm kann das Gas dann doch nicht sein, wenn Autos im Grünen Stau stehen neben leeren popupradwegen.

  • Leserin am 10.10.2022 07:03 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Praktikant im Amt

    Dann empfehle ich aufs Rad umzusteigen. Der Weg ist frei. Die Strasse durch zu viele Autos verstopft. Seit Jahrzehnten hat man versucht mit neuen Strassen, Autobahnen und Tunnels den zunehmenden Autoverkehr zu bewältigen. Was habe wir bekommen? Mehr Autos, grössere Autos, Wohnmobile, etc. Statt weniger Spritverbrauch der neuen Autos, sei über 10 Jahren höhere Verbräuche und damit auch wieder mehr Schadstoffe. Es ist ganz offensichtlich nicht gelungen das System Auto zum Funktionieren zu bringen. Es ist höchste Zeit andere Wege zu versuchen!

  • Guidomuc am 09.10.2022 20:52 Uhr / Bewertung:

    Wenn ich Carsharing mache, fahre ich nicht weniger sondern mehr, ich muss dieses Fahrzeug ja von seinem Standplatz holen und dann wieder hinbringen. Und erstmal irgendwie hinfahren und wieder zurückkommen.

    Also was soll das?

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