Interview

Ein Ferrari für 100.000 Euro: Bei einer skurrilen Auktion in München kommen Luxus-Autos unter den Hammer

Ein feuerroter Ferrari ist das Luxus-Highlight. Kostenpunkt: 102.000 Euro. Versteigert werden die PKW, weil ihre Besitzer sie nicht mehr auslösen können. Die AZ ist exklusiv bei einer Auktion in München dabei, die ganz anders läuft, als geplant.
Nina Job
Nina Job
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
16  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Luxusautos zu versteigern ist für Markus Rockmann (47) auch nicht alltäglich. Seinen Hammer hat er immer dabei. Der Wagen ist ein Aston Martin Radpid, für den 37 000 Euro geboten werden.
Luxusautos zu versteigern ist für Markus Rockmann (47) auch nicht alltäglich. Seinen Hammer hat er immer dabei. Der Wagen ist ein Aston Martin Radpid, für den 37 000 Euro geboten werden. © Bernd Wackerbauer

München - Ein Mann mit verfilzten Haaren bringt Pfandflaschen, vor dem Supermarkt in Englschalking hat ein Senior eine Verschnaufpause eingelegt, er sitzt auf seinem Rollator. Supermarktkunden kommen und gehen.

Fast nichts deutet darauf hin, was nur wenige Schritte entfernt, in einem Rückgebäude hinter dem Supermarkt vonstattengehen wird. Nur ein schwarzglänzender Aston Martin Rapide lässt es erahnen. Die Sportlimousine steht brettlbreit im Fußgängerbereich vor dem unscheinbaren Bürohaus. Hinter der Windschutzscheibe liegt ein Zettel, auf dem fettgedruckt "Pfandscheinnummer" steht, darunter drei Großbuchstaben und eine Zahl.

Auktion in München: Der Ferrari kostet mindestens 102.000 Euro – ist das ein Schnäppchen?

In wenigen Minuten wird der Wagen unter den Hammer kommen. Und sechs weitere Luxusautos. Das Highlight des Tages ist ein feuerroter Ferrari. Mindestgebot: 102 000 Euro. Es ist eine öffentliche Versteigerung eines Münchner Pfandhauses, das sich auf Autos spezialisiert hat. Der Ferrari, der Aston Martin, zwei Porsche Cabrios 911/996, ein Jeep Wrangler und ein Mercedes Maybach gehörten alle Menschen, denen es finanziell mal ziemlich gut gegangen ist, so scheint es zumindest. Aber alle brauchten dringend viel Geld.

Es ist das erste Mal überhaupt, dass hier ein Ferrari, der für viele Männer der Traum schlechthin bedeutet, versteigert wird. Es war zwar schon einmal einer im Pfandhaus von Marco T., aber der wurde fast in letzter Sekunde doch noch ausgelöst. Eine Stunde vor Beginn der Versteigerung kam der, der ihn gebracht hatte mit dem Geld, holte ihn sich wieder.

Das München Pfandhaus verspricht bis zu 80 Prozent des Zeitwerts des Luxus-Autos

"Wenn Sie sich auch gerade in der Situation befinden, dass Sie eine schnelle und unkomplizierte Finanzspritze brauchen, dann informieren Sie sich über die Autopfand-Konditionen in unserem Pfandhaus in München," steht auf der Website. Bis zu 80 Prozent des Zeitwertes verspricht das Pfandhaus. "Im Idealfall nehmen Sie bis zu 50.000 Euro Bargeld für Ihr Kfz direkt mit nach Hause", heißt es weiter.

Für 102.000 Euro, dem Mindestgebot, geht dieser Ferrari (li.) weg.
Für 102.000 Euro, dem Mindestgebot, geht dieser Ferrari (li.) weg. © Bernd Wackerbauer

Es ist in vielerlei Hinsicht eine sehr ungewöhnliche Versteigerung am Freitag in Englschalking. Auch für Markus Rockmann, der sie durchführen wird. Er ist als Auktionator und vereidigter Versteigerer in ganz Europa unterwegs. Der 47-Jährige hat sich auf Industrie-Auktionen spezialisiert.

Es geht viel um teure Maschinen, zum Beispiel nach Betriebsauflösungen, er führt aber auch schon seit sieben Jahren die Versteigerungen von Fundstücken aus den Münchner Bussen, U-Bahnen und Trams durch. Luxusschlitten hatte er noch nicht oft unterm Hammer. "Ich vertrete öffentliches Recht und übertrage Eigentum", erklärt er.

Der Chef des Pfandhauses ist nervös, dass die Abendzeitung bei der Auktion dabei ist

Marco T., dem Chef des Pfandhauses, ist sehr unbehaglich zumute, dass die AZ bei dieser Versteigerung dabei ist – obwohl diese öffentlich sein muss, so ist es gesetzlich vorgegeben. T. hat sich auf Kfz spezialisiert, weil er sich mit Autos auskennt, sagt er.

Der Mann ist braun gebrannt, trägt ein legeres weißes Shirt über der kurzen Hose. Wenn man ihm einen Motor auf den Tisch legen würde, würde er den komplett auseinander- und wieder zusammenbauen können, erzählt er.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Ihm ist unbehaglich, weil über Pfandhäuser oft schlecht berichtet werden würde und sie in der Öffentlichkeit immer in die "Schmuddelecke" gestellt würden. Sein Metier sei "hochsensibel", betont er immer wieder nervös. "Die bringen ihre Schätze her."

Auf gar keinen Fall wollten seine Kunden, dass jemand davon erfahre. "Niemand erzählt, dass er zum Pfandleiher geht", sagt Marco T. Dabei seien Pfandhäuser eine Chance, betont er. "Man kann gebundenes Kapital wieder einsetzen." Und je nach Vertrag können seine Kunden ihren Schatz sogar weiterfahren.

Die Besitzer der Luxus-Autos hatten nicht mehr genug Geld, ihre Fahrzeuge auszulösen

Die Besitzer der sieben Luxusfahrzeuge, von denen sechs in der Tiefgarage stehen, werden mit ihren Schätzen nun nicht mehr durch die Gegend fahren können. Sie konnten das geliehene Geld nicht wiederbringen und ihr Pfand auslösen, nun werden die Porsches, der Maybach und der Ferrari kraft Gesetz versteigert.

Dieser Mercedes S 500 Maybach wird für 87 000 Euro angeboten.
Dieser Mercedes S 500 Maybach wird für 87 000 Euro angeboten. © Bernd Wackerbauer

Ein elf Jahre alter Ferrari für 102.000 Euro – ist das ein Schnäppchen? Das Angebot lockt auf jeden Fall niemanden in das Rückgebäude in Englschalking. Oder liegt es vielleicht daran, dass es im reichen München gar nicht mehr so viele gibt, die sich in diesen Zeiten so ein Auto gönnen können oder wollen?

Oder ist die Antwort einfach, dass zu wenige davon wussten – trotz Anzeige in einer Tageszeitung und der Bekanntmachung auf Markus Rockmanns Seite? Weder der Pfandhaus-Chef noch der Versteigerer haben eine Antwort. Jedenfalls kommt am vergangenen Freitag niemand außer den beiden, einer Mitarbeiterin von Rockmann und den AZ-Reportern zu der Versteigerung.

Die Luxusautos werden in einem 08/15-Besprechungszimmer in München versteigert

Um 13.03 Uhr beginnt die Versteigerung. Sie findet im Besprechungsraum des Pfandhauses statt, darin: grüngraue Auslegeware, ein Tisch, Stühle – ein 08/15-Besprechungszimmer wie Millionen andere. Von dem Stapel mit den Bieterkarten fehlt nur die mit der Nummer 001. Die hat sich der Pfandleiher genommen.

Rockmann hat seinen kleinen Hammer aus Holz und Plastik in der Hand, liest zu jedem Posten ein paar Fakten vor. Normalerweise läuft er jetzt zu Höchstform auf, heizt die Stimmung an, macht Späße, alles, damit die Bieter in Bieterlaune kommen und sich gegenseitig überbieten, damit ein möglichst hoher Betrag herauskommt. Das hilft dem Gläubiger bzw. dem, der das Auto gebracht  hat. Denn: Je höher die Differenz zum Aufrufpreis, umso mehr bekommt er noch für seinen Schatz abzüglich der Kosten und Gebühren.

Auch im Angebot: ein Chevrolet Camaro.
Auch im Angebot: ein Chevrolet Camaro. © Bernd Wackerbauer

Auto-Versteigerung in München: Fahrzeuge im Gesamtwert von fast 450.000 Euro

Aber bei nur einem Bieter, dem Pfandleiher, kann er sich die Show sparen. Rockmann wünscht noch "viel Spaß", dann ruft er die Lose auf, als ginge es um gar nichts. Dabei versteigert er gerade Männerträume für insgesamt fast 450.000 Euro.

Nach jedem Aufruf kommt das obligatorische "zum Ersten", da zeigt Marco T. seine 001-Karte. Rockmann macht weiter, sagt "zum Zweiten", " zum Dritten" und – bumm – knallt der Hammer auf den Tisch. Nach drei Minuten ist alles vorbei und der rote Ferrari, der Aston Martin im Hof und die anderen fünf Schlitten in der Tiefgarage gehören nun dem Pfandleiher. So schnell kann es gehen, dass ein Schätzchen den Eigentümer wechselt, wenn man es sich nicht mehr leisten kann. Zum Mindestgebot.


Präsident des Bayerischen Versteigererverbandes: "Eine Auktion ist eine Showveranstaltung"

Oft wird er nach Insolvenzen bestellt und muss Betriebe abwickeln. Dabei erlebt Markus Rockmann, der Präsident des Bayerischen Versteigererverbandes ist, auch sehr berührende Szenen. Ein persönliches Highlight war für ihn eine Spielzeug-Auktion.

AZ: Herr Rockmann, hatten Sie schon mal einen Ferrari unterm Hammer?
MARKUS ROCKMANN: Ja, einen hatte ich schon, aber das ist lange her. Ich hatte auch schon ein Flugzeug: eine Piper. Es gibt alles Mögliche: Surfbretter, Koffer, Kettensägen, Baumaschinen, Schmuck, Goldbarren...

Was war das Skurrilste?
Das war ein Rollstuhl, da fragt man sich, ob der, der ihn verloren hatte, wohl wieder laufen gelernt hat.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Was war die höchste Summe, die Sie je erzielt haben?
Das war 2017 bei einer Spielzeugauktion in Göppingen: eine Märklin-Maschinenhalle von 1905. Da haben Sammler aus Australien und den USA mitgeboten. Das ging hoch bis 440.000 Euro und steht heute im Guinnessbuch der Rekorde.

Was muss man denn mitbringen, um ein erfolgreicher Auktionator zu werden?
Eine Auktion ist eine Showveranstaltung, man muss ein guter Verkäufer sein und die Stimmung steigern können. Eigentlich sind wir Marktschreier.

"Als Auktionator muss man strenge Voraussetzungen erfüllen"

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich war früher Marinesoldat bei der Bundeswehr. Da war ich mal aus Spaß der Auktionator für einen guten Zweck – und habe Blut geleckt.

Erklären Sie doch bitte den Unterschied zwischen einer Auktion und einer Versteigerung.
Eine Auktion ist immer ein freiwilliger Verkauf. Wenn zum Beispiel ein Betrieb an einem Standort schließt, werden wir beauftragt, um aus den Sachen Geldwerte zu machen.

Und eine Versteigerung?
... wird unter Zwang angeordnet. Sie wird durch ein Gericht oder den Insolvenzverwalter angeordnet, auch von Banken, Leasingfirmen, Pfandhäusern.

Darf jeder Auktionator auch öffentliche Versteigerungen ausüben?
Nein, dafür wird man auf Herz und Nieren geprüft und muss strenge Voraussetzungen erfüllen. Man darf zum Beispiel selbst keine Geldprobleme haben, damit man nicht empfänglich wird für Bestechung und Mauscheleien. Als Versteigerer übt man ein Hoheitsrecht aus und wird vereidigt.

Markus Rockmann über seinen Beruf: "Man trifft Gott und die Welt"

Sind Bieter bei Versteigerungen ein spezieller Menschenschlag?
Das ist sehr unterschiedlich. Diejenigen, die auf Baumaschinen bieten, sind ganz andere als Sammler, die ein Leben lang darauf gewartet haben, eine bestimmte Sache zu bekommen. Da ist die ganze Veranstaltung emotional sehr geladen. Normalerweise schaffe ich 100 bis 110 Lose pro Stunde. Wenn ich auf die Tube drücke auch 160, bei Sammlern muss man den Bietern mehr Zeit geben.

Haben Sie schon mal Handgreiflichkeiten miterlebt?
Es gab mal eine Maschinen-Auktion, da hatten sich die Bieter vorher abgesprochen. Als sich dann einer nicht an die Abmachung gehalten hat, gab es eine kleine Rauferei.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Was machen Sie dann?
Ich rufe den Sicherheitsdienst oder die Polizei.

Mögen Sie Ihren Beruf?
Ja. Für mich ist es ein sehr spannender Beruf, für den ich mich berufen fühle. Man trifft Gott und die Welt. Und ich helfe, Waren an den Mann zu bringen. Das ist besser, als wenn sie weggeworfen werden müssten. Ich gebe den Waren eine zweite Chance. Wenn es um Insolvenzen geht, kann es aber auch sehr traurige Situationen geben.

Vermehrt Standortschließungen und Abwanderung ins Ausland

Was haben Sie erlebt?
Da fließen auch Tränen. Ich hab Schicksale gesehen, da gehen Mitarbeiter, die 20 Jahre an einer Maschine gearbeitet haben noch mit, bis sie verladen ist.

Wie gehen Sie damit um?
Ich lasse das nicht so an mich rankommen. Aber einmal gab es eine Situation nach einer Insolvenz. Während der Versteigerung hat die ganze Zeit ein Kind geschrien. Ich habe zu dem Schuldner gesagt: Können Sie nicht mal das Kind beruhigen? Er sagte, Nein. Als ich fragte, warum, antwortete er schließlich: Es hat Hunger. Da habe ich gefragt, warum geben Sie ihm nichts und bin zum Kühlschrank. Als ich ihn öffnete, war der Kühlschrank leer.

Was haben Sie dann gemacht?
Ich bin zur Bank, habe 50 Euro abgehoben, und habe etwas zu Essen gekauft für das Kind. In diesen Zeiten geht es vielen wirtschaftlich schlechter.

Haben Sie mehr zu tun?
Ja. Man spürt, dass es mehr Insolvenzen gibt. Wir spüren auch, dass es viele Standortschließungen gibt und die Produktion vermehrt ins Ausland verlagert wird. Und es gibt auch viele Betriebsauflösungen, weil kein Nachfolger da ist.

Hatten Sie in jüngster Zeit schon mal Luxusautos unterm Hammer?
Nein, das hatte ich insgesamt noch nicht oft. Aber ich rechne damit, dass es auch das in der nächsten Zeit öfters geben wird.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
16 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Tthomas am 05.08.2023 11:49 Uhr / Bewertung:

    Ja, wenn die knallharten Investigativ-Journalisten der AZ dabei sind, kann man schon nervös werden.

  • Max Merkel am 05.08.2023 09:57 Uhr / Bewertung:

    Ein Ferrari ist für mich absolut kein Traumauto. Mein Traumauto ist ein VW Bus z.B. California wo ich meine Rennräder locker hinten rein bekomme und zur Not mal ne Nacht drinnen übernachten kann. So schauts aus!!!

  • SL am 05.08.2023 13:26 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Max Merkel

    So hat eben jeder seinen persönlichen Traumwagen. Meiner wärs nicht und übernachten will ich nicht in einer Blechbüchse, sondern im Hotel

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.