Die AZ vor Ort bei den Klimaprotesten: Die Nerven liegen blank in München

Chaos an der Donnersbergerbrücke: Erneut wählen Aktivisten der "Letzten Generation" den Verkehrsknoten im Westen von München als Protestschwerpunkt. Die AZ hat sich die angespannte Situation vor Ort angeschaut.
Hüseyin Ince
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
68  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die Polizei geht bisher maßvoll und stufenweise gegen die Klimaaktivisten der Letzten Generation vor, wie hier an der Donnersbergerbrücke am Freitagvormittag. Doch das könnte sich durch die Allgemeinverfügung der Stadt ändern. Denn ab sofort ist die aktuelle Protestform verboten, bis 12. September.
Die Polizei geht bisher maßvoll und stufenweise gegen die Klimaaktivisten der Letzten Generation vor, wie hier an der Donnersbergerbrücke am Freitagvormittag. Doch das könnte sich durch die Allgemeinverfügung der Stadt ändern. Denn ab sofort ist die aktuelle Protestform verboten, bis 12. September. © Hüseyin Ince

Schwanthalerhöhe - Es hätte am Donnerstagmorgen, Tag zwei des Münchner Klimaprotests um 8.30 Uhr, ganz woanders losgehen sollen. An einem Bahnhof im Süden Münchens hatte sich ein Teil der Letzten Generation versammelt, der schon am Vortag aktiv gewesen ist. Im Visier: eine große Kreuzung. Vier Personen warteten auf weitere Aktivisten.

Doch sie kamen nicht. Wie zum Beweis, dass sich die Tore zu künftigen Umweltkatastrophen gerade erst öffnen und noch viel größere bevorstehen – wie es die Letzte Generation sieht –, schafften es viele Aktivisten aus dem Norden Bayerns nicht bis München. "Ein Baum ist auf der Zugstrecke beim nächtlichen Sturm umgefallen", sagt Aktivist Jonas (18, Physik-Student ab Herbst).

"Klima-Shakira" und weitere Aktivisten ziehen zur Donnersbergerbrücke in München

Spontan entscheiden sich die vier Aktivistinnen und Aktivisten um. Sie nehmen Kontakt auf zu den anderen der Letzten Generation. Dann kommt das Kommando. "Wir gehen zur Donnersberger, wo wir gestern schon waren", sagt einer der vier. Etwa 25 Minuten später stehen alle vier an der Donnersbergerbrücke, Ecke Trappentreustraße. Dort wird gerade an der westlichen Auffahrt eine Klebeaktion aufgelöst.

Darunter ist eine Aktivistin, die sich einen Namen als "Klima-Shakira" macht, weil sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der Star-Musikerin hat: Anja Windl (26). Während einer Fußgängergrünphase laufen die vier Aktivisten zusammen mit einigen weiteren Männern und Frauen über die Straße, drehen sich nordwärts in Richtung der Motorhauben, nehmen ihren Rucksack ab, packen Klebstoff und Banner aus und setzen sich auf die Straße. Routiniert verkleben einige von ihnen eine Hand mit der Fahrbahn.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

"Alles nur Vandalismus": Autofahrer schreit Klimakleber an und schubst ihn

Der Fahrer eines grauen Mercedes – ein eher neueres Modell – ist außer sich. Der Mann, etwa Ende 50, schwarzes T-Shirt, kurze blaue Hose, steigt aus und pöbelt die Aktivisten an. Er wirft die Arme in die Luft, schubst Jonas, will ihn daran hindern, dass er sich direkt vor der Motorhaube auf den Boden setzt. "Das ist doch alles nur Vandalismus!", schreit er ihm ins Gesicht. Vergebens.

Verzweifelt wendet sich der Mann an die Polizei, obwohl er eher so wirkt, als ob er einen Termin auf dem Golfplatz hat und kein Gehaltsgespräch verpasst. Der Polizist klärt ihn über Versammlungsfreiheit auf. Frustriert setzt er sich in sein Auto, vorausahnend, dass es etwa eine Stunde dauern wird, bis die Straße wieder frei ist.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

"Letzte Generation" protestiert in München: "Was ist das hier?"

Ein bärtiger Opel-Fahrer fragt aus dem offenen Fenster, als ob er noch nie von den Klimaprotesten gehört hätte: "Was ist das hier?" In seinem Auto liegen einige Kilogramm Gemüse. Als ihn ein Passant aufklärt, antwortet er: "Eine Stunde? Aber ich muss doch ins Restaurant, den Tag vorbereiten!" Gegen zehn Uhr ist die Straße frei.

Als die Polizei die Personalien feststellt, geht das Spiel von vorne los, an der westlichen Abfahrt der Brücke, zum dritten Mal an diesem Freitagmorgen. Doch so einfach könnte es ab jetzt nicht mehr werden. Die Stadt hat am Freitag eine Allgemeinverfügung erlassen. Hintergrund ist, dass bei den Klima-Protesten am Donnerstag wohl zwei Rettungsfahrzeuge beim Noteinsatz durch die Blockade der Klimaaktivisten behindert wurden.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

KVR verbietet Klimaproteste auf bestimmten Straßen – auch wegen der IAA

Das Kreisverwaltungsreferat hat auch eine Liste von Straßen veröffentlicht, auf denen es verboten ist, solche Versammlungen abzuhalten. Sie ist so lang, dass man sich eher fragen muss, welche Münchner Straße nicht unter diese Allgemeinverfügung fällt.

Ankleben oder anketten ist nun ganz explizit laut städtischer Anordnung untersagt, auch auf Autobahnen. Das Verbot gilt bis 12. September. Am 10. September endet die Internationale Automobil-Ausstellung IAA in München. Das KVR prüft derzeit auch, ob das Mitführen von Klebstoff verboten werden könnte.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
68 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Zuversicht am 28.08.2023 07:26 Uhr / Bewertung:

    Es ist schon interessant, wie Links-Tendenziös die AZ berichtet und wie manche AZ-Leser kriminelle Taten u. Vandalismus der Klimaaktivisten beurteilen. Eine postkapitalistische Entwicklung schadet unserem Land gewaltig. Ob jemand einen Termin am Golf- bzw. sonstigen Sportplatz oder bei seinem Arzt hat. Ob er zu seinem Arbeitgeber zu Gehaltsverhandlungen will oder ein Selbstständiger, ein Handwerker oder ein Freiberufler einen Geschäftstermin wahrzunehmen hat, spielt dabei keine Rolle. Auch Noteinsätze werden behindert. Vandalismus und provozierende Gewalt müssen hart bestraft werden und verdienen auch nicht annähernd ein Verständnis. Dabei spielt es keine Rolle ob Menschen an der beruflichen Ausübung, an Freizeit- oder
    sonstigen Aktivitäten z.B. zum Erhalt oder Wiedererlangung der Gesundheit gehindert werden. Rot/Grün verantwortet diese fürchterliche Entwicklung in erheblichem Umfang mit, auch wenn sie sich scheinheilig davon distanzieren. Klimaschutz und Demokratie gehen anders

  • zweiseiten am 27.08.2023 10:06 Uhr / Bewertung:

    Komisch, dass niemand der wütenden Autofahrer hier bemerkt, dass er auch ohne Klimakleber täglich in München im Stau steht und es immer schlimmer wird.
    Auch, weil jede noch so kurze Strecke mit dem Auto zurückgelegt wird.
    Schon mal in London, Oslo oder Hongkong gewesen? Citymaut ist dort schon seit Jahren üblich, in Hongkong Anwohnerparkplatz für bis zu 250.000 EUR....

  • Witwe Bolte am 26.08.2023 14:10 Uhr / Bewertung:

    Die größte Gefahr fürs Klima und den Fortbestand der Menschheit ist die Überbevölkerung unseres Planeten. Hätten wir nur 4 Mrd. Erdenbewohner, gäbs viele Umweltprobleme gar nicht.
    Der fehlgeleitete Sexualtrieb (vor allem der Männer) und die irrsinnig hohe Geburtenrate in vielen Ländern ist schuld an den meisten Umwelt- u. Ernährungskatastrophen.
    Immer nur Kinder "machen" ohne Einschalten der Vernunft kann nicht gut ausgehen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.