"Deutschlands herzlosester Vermieter": Mieter im Herzogpark in München fürchten Luxus-Neubau
München - Vor einem Jahr haben die Kinder noch Fußball gespielt auf der Wiese unter dem riesigen Nussbaum und der alten Esche. Eine Schaukel stand hier, Wäsche flatterte im Wind und bei schönem Wetter sonnten sich die Mieter in dem großen Gemeinschaftsgarten. Auch für Nachbarschaftsfeste gab es reichlich Platz in der Oase hinter den Häusern an der Mauerkircherstraße 17 und 19.
Doch diese friedliche Nachbarschaftsidylle gibt es nicht mehr. Im Juni 2022 hat Wolfgang Prinz von Bayern – ein Cousin von Franz Herzog von Bayern – die beiden Wohnhäuser verkauft. Erst 2017 hatte er die Immobilien von seiner Adoptivmutter Hella von Bayern geerbt und machte einigen Mietern das Leben schwer.

München: Neue Eigentümer in der Mauerkircherstraße verbieten Anwohner die Gartennutzung
"Doch gegen die jetzigen Eigentümer war der Prinz ein Waisenknabe", meint ein Mieter. Denn kaum waren die Immobilien verkauft, verboten die neuen Eigentümer den Bewohnern das Betreten des grünen Hinterhofs, bei Zuwiderhandlung drohen Strafen.
Die Kinder dürfen nicht mehr im Garten spielen, die alten Garagen auf dem Grundstück wurden gekündigt. "Nicht mal die Fahrräder dürfen im Hof stehen", erzählt ein Bewohner der AZ. Das Betretungsverbot sei "zum Schutz des Eigentums" ausgesprochen worden, teilen die neuen Vermieter der AZ mit. Fremde hätten das Grundstück betreten, der Zaun und eine Scheibe seien beschädigt worden.
Luxus-Wohnungen im Herzogpark geplant: Anwohner fühlen sich betrogen
Die Mieter fühlen sich schikaniert und um ihr Hinterhof-Paradies betrogen. Inzwischen ist ihnen klar geworden, was die neuen Eigentümer vorhaben, nämlich: die drei Wohnungen im Dachgeschoss in vier Luxus-Penthouse-Appartements umzuwandeln – und den Hinterhof großflächig zu bebauen.
Wie aus einem Antrag auf einen Vorbescheid hervorgeht, sollen die Garagen weg und ein fünfgeschossiges Gebäude mit Tiefgarage und elf Wohnungen entstehen. Dafür soll die Zufahrt zum Hof vergrößert und eine Wohnung verkleinert werden. "Da soll massive Bausubstanz in unseren Garten gepflanzt werden", sagt eine Anwohnerin zur AZ. "Wenn das jetzt jeder so machen kann, haben wir bald keine Grünflächen mehr in der Stadt."
20 Mietparteien im Herzogpark fürchten um ihre Gartenidylle
Die Mieterin ist eine von vielen, die sich am vergangenen Dienstag mit Nachbarn und Unterstützern im Herzogpark trifft, um gegen das Bauvorhaben zu protestieren. "Luxuspalast gegen Gartenidylle" hat eine Frau auf ein großes Stück Stoff geschrieben. Insgesamt etwa 20 Mietparteien fürchten um ihre Oase und generell die grüne Lunge im Herzogpark, Senioren, von denen einige seit 40 Jahren in der Mauerkircherstraße 17 oder 19 wohnen, haben Angst, aus ihren Wohnungen vertrieben zu werden.
Drei Eigenbedarfskündigungen und eine außerordentliche Kündigung sind bereits ausgesprochen worden. Auch die Urenkelin des jüdischen Architekten John Herbert Rosenthal, der die Häuser 1934 erbaut hat, ist als Unterstützerin gekommen. Der Prinz habe die beiden Häuser abreißen lassen wollen, sei aber zum Glück mit seinen drei Anträgen gescheitert, erzählt sie. Und nun das: der geplante An- und Neubau – ein "ökologischer Wahnsinn". Ein Nachbar: "Wir sind vom Regen in die Traufe gekommen."
Wolfgang Prinz von Bayern: Ein Cousin von Franz Herzog von Bayern hat die Häuser verkauft
Die Mieter aus der Mauerkircherstraße bekommen am Dienstag auch politische Unterstützung. Um 18.30 Uhr schauen Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen vorbei, Ortsbegehung. Eine Woche zuvor, am 27. Juli, war das Bauvorhaben Thema im Unterausschuss für Stadtplanung und Bauordnung des BA – und wurde einstimmig abgelehnt.

Treibende Kraft war der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper, der zudem Vorsitzender des Unterausschusses im BA ist. Er hält den Bau für "völlig überdimensioniert" und "absolut indiskutabel".
Aus dem Antrag gehe hervor, "dass der Investor beabsichtigt, den rückwärtigen Gartenbereich großflächig zu überbauen und das Grundstück nahezu vollständig zu versiegeln".
Patricia Riekel war Chefredakteurin der Bunten und unterstützt die Mieter
Auch Patricia Riekel, langjährige Chefredakteurin der Bunten und heute Fraktionsvorsitzende der FDP im BA Bogenhausen, kritisiert den Investor. "Das ist Deutschlands herzlosester Vermieter", sagt sie zur AZ. "Selbst, wenn hier mal gebaut wird, dauert das ja noch. In so einem Stadium Kinder nicht mehr im Hof spielen zu lassen, finde ich ganz traurig."

Die Politiker und Mieter stehen auf dem Nachbargrundstück. Der Garten, um den es geht, darf ja nicht betreten werden. Dort steht der 72-jährige Sch. und passt auf, dass sich auch alle daran halten. Er hat einen Anwalt mitgebracht. Zur AZ sagt er, er sei nur "der Hausverwalter".
Er ist aber auch der Vater von R. (26) und E. Sch. (24). Die Söhne sind die Gesellschafter der MK 17/19 GbR, der die beiden Häuser nun gehören. Nach AZ-Informationen haben sie ihrem Vater eine Generalvollmacht erteilt, die umfasst, über sämtliche Vermögensgegenstände zu verfügen.
Eigentümer aus der Mauerkircherstraße sorgte in München mehrfach für Aufregung
Über den Vater Sch. ist in der Presse schon öfters berichtet worden: Zum einen, weil ihm das Haus in der Wörthstraße gehört, in dem Ferdinand (genannt Ferdl) Schuster sein Lokal Nomiya betrieb. 2020 verlängerte Sch. den Pachtvertrag nicht mehr, was nach mehr als 20 Jahren das Aus bedeutete für das japanisch-bayerische Kultlokal.
Außerdem sorgte Sch. im Tegernseer Tal für Aufregung, weil er eine einfache Berghütte in ein schickes Chalet umbauen ließ. Das Staatliche Bauamt des Landratsamtes Miesbach entschied: Der Schwarzbau muss wieder abgerissen werden. Nun liegt der Fall beim Verwaltungsgericht in München.
Eigentümer-Familie strebt nach maximalem Profit
Ein starkes Indiz, dass die Familie Sch. darauf aus ist, nun im Herzogpark maximalen Profit herauszuholen, lässt sich daraus ableiten, dass einer der Söhne dort jetzt schon exorbitant hohe Mieten verlangt: 925 Euro für ein neun Quadratmeter kleines WG-Zimmer in einer Sechser-WG.

In einem hat die AZ vorbeigeschaut: Das Zimmerchen ist so klein, dass gerade mal ein Bett quer vors Fenster passt, außerdem ein Nachttisch und ein Mini-Regal. Schaut man genauer hin, fällt auf: Die eine Zimmerwand endet direkt an der Fensterscheibe – hier wurde ein Raum nachträglich geteilt.
Dass das Rollo vorm Fenster nur noch von einer Seite der Wand heruntergelassen werden kann (und es dann beim Nachbarn auch dunkel wird), egal. In dem Zimmerchen wohnt derzeit der spanische Student Ignacio (24).
900 Euro für neun Quadratmeter: "Ich hatte keine Wahl"
Auf der anderen Seite der Wand wohnt jemand anderes. 900 Euro knöpft der Vermieter Ignacio für das neun Quadratmeter-Winz-Zimmer ab. Vermieter ist einer der beiden Brüder, denen die Häuser in der Mauerkircherstraße 17 und 19 gehören, der selbst erst 24 Jahre alt ist. Vor Kurzem war er selbst noch Student.
Um als Vermieter möglichst viel Geld zu machen, ließ er aus 3- und 3,5-Zimmer-Wohnungen möblierte WG-Zimmer für sechs Bewohner machen. Ignacio: "Ich hatte keine Wahl, ich konnte in München nichts finden."
Im Stadtviertel regt sich poltitischer Widerstand gegen den Neubau im Hinterhof
Den massiven Neubau im Hinterhof würde der BA gern verhindern. Doch er hat nur eine beratende Funktion. Laut Brannekämper wird der BA das Stadtplanungsreferat auffordern, eine "Veränderungssperre" zu erlassen. Komplett verhindern könne den Neubau aber nur ein Bebauungsplan.
Auf die Frage der AZ, warum der Vermieter für die WG-Zimmer so eine – selbst für München extrem hohe – Miete verlangt, antwortete sein Vater und Verwalter des Anwesens: "Die Preise orientieren sich an den marktüblichen Konditionen für WG-Zimmer in der Gegend."