Brandanschlagsserie in München: Polizei ermittelt und geht von "extremistischem Hintergrund" aus
München - Ein Gespenst geht um in München: Zwei brennende Forstmaschinen – ein Harvester und ein Rückezug – haben am frühen Montagmorgen gegen 7.20 Uhr in Brunnthal erst die Feuerwehr und dann den Staatsschutz auf den Plan gerufen.
Forstmaschinen brennen im Hofholdinger Forst: Mehrere hunderttausend Euro Schaden
Die Polizei schließt zwar einen technischen Defekt nicht aus, dennoch wird mit Blick auf ähnliche Brandfälle aus der jüngsten Vergangenheit emsig ermittelt.

Beim Brand der Forstmaschinen, die offenbar nahe beieinander standen, entstand ein Schaden von mehreren hunderttausend Euro, Menschen kamen nicht zu Schaden. Zuletzt waren am Freitag im Forstenrieder Park zwei Forstmaschinen angezündet worden, am Montag unter anderem in Forst Kasten und im Perlacher Forst.
Serie von Brandanschlägen in München setzt sich fort: Sachschaden geht in die Millionen
Mitte November brannten auf einer Baustelle in Johanneskirchen ein Bagger und ein Lkw, Ende Oktober brannte in Unterföhring ein Bauzug der Bahn. In der Woche zuvor zündeten Unbekannte eine Geothermieleitung bei Grünwald an, einen Tag vorher einen Bagger auf einer Baustelle in Egling bei Wolfratshausen. Anfang Oktober wurde von einer Geothermie-Baustelle in Polling ein ähnlicher Fall gemeldet.
Die Liste lässt sich bis ins Frühjahr verlängern. Möglicherweise sogar über 2023 hinaus. Mal ist es eine Kabeltrommel, mal ein Funkmast, mal ein Bagger, mal eine ganze Wärmeleitung. Seit dem Frühjahr brennt es wiederholt auf Münchner Baustellen. Verletzt wurde bislang niemand, doch der Sachschaden geht inzwischen in die Millionen.
Generalstaatsanwaltschaft in München geht von "extremistischem Hintergrund" aus
Alles Zufall? Oder vielmehr eine geplante Serie von kleinen Anschlägen? Oder am Ende doch nur das Werk von jugendlichen Zündlern?

Aber welcher Zündler steckt mal eben einen tonnenschweren Bagger in Brand? Oder dringt, wie im Fall der Geothermie-Baustelle bei Grünwald, auf gesichertes Gelände ein und setzt große Rohrleitungen an drei Stellen im Abstand von mehreren hundert Metern in Brand? All das wirkt wenig wie eine Mutprobe unter Jugendlichen.
Brandanschläge in München: Es wird in alle Richtungen ermittelt
Bei der Generalstaatsanwaltschaft in München hängt man die Sache darum viel höher: Bei der dort ansässigen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus geht man "aufgrund der Tatobjekte und Tatmodalitäten" von einem "extremistischen Hintergrund" aus, sagt Oberstaatsanwalt Sebastian Murer der AZ.
Hierbei werde in alle Richtungen ermittelt, gemeinsam mit verschiedenen Abteilungen der Polizei. "Im Rahmen der zusammengeführten Ermittlungsarbeit aus einer Hand sollen insbesondere mögliche Zusammenhänge zwischen den Brandfällen aufgedeckt werden", erklärt Murer weiter.
Linksradikale übernahmen 2021 die Verantwortung für Attacke im Münchner Osten
Ob solche Zusammenhänge schon gefunden wurden, darüber möchte Murer mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nichts sagen. So bleibt die offensichtliche Gemeinsamkeit: Baustellen und Infrastruktur sind die Ziele. Neben dem Sachschaden sind die Brände vor allem ein Ärgernis für Münchner Pendler: Weil es im Juli auf einer Baustelle unter der Herzog-Heinrich-Brücke brannte, musste der Föhringer Ring zeitweise komplett gesperrt werden. Tausende Autofahrer machten Umwege. Warum, erschloss sich ihnen nicht. Stecken Täter mit politischer Agenda hinter dem Anschlag, wäre es ja durchaus interessant, von dieser Agenda auch zu erfahren.
Wie zum Beispiel im Frühjahr 2021: Nach einem großen Stromausfall im Münchner Osten tauchte im Internet ein Artikel auf, in dem Linksradikale die Verantwortung für den Brand übernahmen. Weiter nannten sie einen Rüstungskonzern als primäres Ziel der Attacke.

Das Schreiben stellte auch einen Bezug zur Abholzung von einigen Hektar Stadtwald her, gegen die die angeblichen Urheber protestierten. Dass Tausende Münchnerinnen und Münchner vorübergehend keinen Strom hatten, wurde als Kollateralschaden so hingenommen.
Man kann darüber streiten, wie sinnvoll eine solche Attacke ist, um die gesteckten Ziel zu erreichen. Bei den aktuellen Fällen dagegen ist das nicht möglich. Haben die Verantwortlichen etwas gegen Geothermie, die das Umweltbundesamt als risikoarm einstuft? Man kann nur mutmaßen. Von Bekennerschreiben ist bislang nichts bekannt.
Polizei München gründete Arbeitsgruppe wegen Serie von Bränden
Im Polizeipräsidium München bündelt man derweil die Kräfte. "Bezüglich der Serie von Bränden wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet", erklärt ein Sprecher des Polizeipräsidiums München der AZ. Über 15 Fälle behandelt man hier, alle sind im Zeitraum seit Mai 2023 passiert.
Allein schon, um zu komplizierte Absprachen zu vermeiden, ist die Koordination sinnvoll. Da nicht in allen Fällen klar ist, ob es sich um Brandstiftung handelt, sind die Brandermittler von Kommissariat 13 mit an Bord. Wegen eines möglichen politischen Hintergrunds ermittelt auch der Staatsschutz. Dazu kommen die Kollegen in Dienststellen und Präsidien im Münchner Umland. In der "Einsatzgruppe Raute" in München laufen nun alle Fäden der Ermittlungen zusammen. Wann diese abgeschlossen sein werden, können im Moment weder Polizei noch Generalstaatsanwaltschaft sagen.

Zu dem großen Andrang an Ermittlern dürften sich noch ein paar Beamte des Bayerischen Verfassungsschutzes gesellen. Die dürfen laut Verfassungsschutzgesetz nur beobachten und sich nicht an den Ermittlungen beteiligen. Über die konkreten Fälle der vergangenen Wochen will man dort deswegen keine Aussage machen. Weil die Ermittlungen noch laufen, könne man sich nicht zu den Fällen äußern, teilt ein Sprecher mit.
Ermittlungsbehörden einig: Brandstiftungen werden im linksradikalen Spektrum verortet
Auf dem Schirm haben dürften die Verfassungsschützer die aktuellen Brände und Brandstiftungen trotzdem. Zu gut fügen sich die Fälle ein in das, was die Behörde gemeinhin so interessiert. Im Verfassungsschutzbericht von 2022 wird Brandstiftung als Maßnahme im linksradikalen Spektrum verortet. So heißt es etwa, dass Autonome und Anarchisten, die den Staat und seine Einrichtungen zerschlagen wollen, sich auch gewalttätiger Aktionen bedienten, darunter Zerstörung von Straßenlaternen, Brandstiftung an Fahrzeugen oder Funkmasten sowie "Sabotageeinrichtungen auf Infrastruktureinrichtungen". Auch der Münchner Polizeireport von 2022 stuft Brandlegung an "systemrelevanter, kritischer Infrastruktur" als "politisch motiviert" und "links" ein, da sind sich die Ermittlungsbehörden einig.
Jedoch: Anders als früher gibt es "Tatbekennungen", also Bekennerschreiben, gedruckt oder online, nur noch selten. Das macht es schwer, Fälle konkret als "linksextremistisch motiviert" einstufen zu können, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Ungeachtet dessen, dass natürlich auch ein Bekennerschreiben allein noch nichts aussagt und auf seine Echtheit überprüft werden muss.
Die generelle Einschätzung aus dem Verfassungsschutzbericht deckt sich also zwar gut mit den Brandstiftungen in der letzten Zeit, allerdings handelt es sich dabei eben nur um einen Erfahrungswert. Nur weil Linksradikale in der Vergangenheit Brände gelegt haben, sagt das nichts über die aktuellen Fälle.
2021 gab es schon einmal eine Serie von vergleichbaren Brandanschlägen in München. Auch damals brannten Baustellen und Sendemasten, Brücken mussten gesperrt werden. "Die Taten sind linksgerichteten Straftätern zuzuordnen", war man bei der Münchner Polizei damals überzeugt. Erwischen konnte man diese Täter allerdings nicht. Die Ermittlungen wurden eingestellt.