"Als wäre nichts geschehen": Aktivistin will Rammstein-Konzerte in München mit Petition stoppen

K.o.-Tropfen, Alkohol, Drogen und unerklärliche Hämatome? Die Petition, die München- und Berlin-Konzerte der Rockband Rammstein unter diesen Umständen abzusagen, wird fleißig unterstützt. Die AZ hat mit Mit-Initiatorin Kim Hoss gesprochen.
Guido Verstegen
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Etliche Frauen haben gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann schwere Vorwürfe erhoben.
Etliche Frauen haben gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann schwere Vorwürfe erhoben. © Jens Koch/dpa/Archiv

München - Angesichts der schlimmen Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann fordert die Initiative "The Sirens Collective" die Absage der in München und Berlin geplanten Konzerte der aktuellen Tour. Die Petition geht durch die Decke: Bis Freitag, 14 Uhr, hatten knapp 13.000 Menschen die Petition unterzeichnet, inzwischen sind es knapp 26.000 (Stand 10. Juni, 8 Uhr)

Petititions-Aktivistin Kim Hoss: "Wichtig ist, dass wir laut sind"

"Ganz erstaunlich" findet das Kim Hoss, die den Aufruf gemeinsam mit Lise van Wersch initiierte. Die beiden Frauen engagieren sich mit "The Sirens Collective" gegen Missbrauch und sexualisierte Gewalt, sie sammeln und archivieren Erfahrungen zu diesem Thema.

"Ich mache mich stark für Frauen, weil es in meinem persönlichen Umfeld keine Frau gibt, die nicht schon einmal ihre Erfahrung mit sexueller Gewalt gemacht hat", sagt Kim Hoss.
"Ich mache mich stark für Frauen, weil es in meinem persönlichen Umfeld keine Frau gibt, die nicht schon einmal ihre Erfahrung mit sexueller Gewalt gemacht hat", sagt Kim Hoss. © Kim Hoss

Dass die Konzerte tatsächlich abgesagt werden, davon geht die Podcasterin und Kommunikationsdesignerin nicht aus. "Das ist aber auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass wir laut sind und dass wir deutlich machen, wie groß das Problem sexualisierte Gewalt heute ist!", sagt die 36-jährige einen Tag vor dem dritten der insgesamt vier München-Gigs von Rammstein im Gespräch mit der AZ. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag spielt die Band nochmal im Olympiastadion.

Kim Hoss: "Am Ende wird doch wieder alles unter den Teppich gekehrt"

Natürlich gilt auch im Fall Rammstein zunächst einmal die Unschuldsvermutung. In der Tat gibt es bisher weder Anzeigen noch eine Anklage oder stichfeste Belege für die Vorwürfe – von einer Verurteilung ganz zu schweigen – gegen Till Lindemann und seine Bandkollegen. Auch die Band wies in einem Instagram-Post auf ihr Recht hin – und das Recht derer, die die Anschuldigungen machten –, nicht vorverurteilt zu werden.

"Aber wir glauben den Opfern, wir glauben allen Frauen, die sich trauen, an die Öffentlichkeit zu gehen", betont Kim Hoss. Schließlich stünden da unglaubliche Vorwürfe im Raum, ein "einfach so weiter" sei nicht denkbar. "Ist es vielleicht legal, Frauen zu missbrauchen?", fragt sie und fügt an: "Am Ende wird doch wieder alles unter den Teppich gekehrt."

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Kim Hoss will sich weiter wehren: "Wir haben keine Angst!"

Diese Befürchtungen treiben sie auch um, wenn sie das Statement der von Rammstein beauftragten Anwaltskanzlei liest: "Das ist doch lächerlich, damit haben wir gerechnet – und wir rechnen auch damit, dass wieder viele Frauen mundtot gemacht werden. Aber wir haben keine Angst!"

Die von Rammstein-Frontmann Till Lindemann beauftragte Anwaltskanzlei Schertz Bergmann hatte unter anderem Folgendes mitgeteilt: "In den sozialen Netzwerken, insbesondere auf Instagram, Twitter und bei YouTube, wurden von diversen Frauen schwerwiegende Vorwürfe zulasten unseres Mandanten erhoben. So wurde wiederholt behauptet, Frauen sind bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr. Wir werden wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten."

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Anwaltskanzlei von Till Lindemann beim Deutschen Journalisten-Verband in der Kritik

Die Kanzlei droht auch rechtliche Schritte gegenüber Medien an, "soweit gegen die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung verstoßen wurde". Dass die in Medienangelegenheiten bekannte Kanzlei die Interessen ihres Mandanten, vertrete, sei absolut legitim, heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Journalisten-Verbandes. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall stellt aber klar fest: "Die Drohung mit rechtlichen Schritten gegen Journalistinnen und Journalisten ist der Versuch, Medien einen Maulkorb anzulegen."

Der DJV-Vorsitzende weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass Verdachtsberichterstattung durchaus zulässig sei, solange sie sich an Spielregeln halte: "Dazu gehören unbedingt Fakten." Medien sollten sich von der Presseerklärung des Lindemann-Anwalts nicht einschüchtern lassen: "Die Vorwürfe gegen den Frontmann einer der bekanntesten deutschen Bands sind so schwerwiegend, dass sie recherchiert und berichtet werden müssen."

Ein Rammstein-Plakat am offiziellen Merchandise-Stand im Olympiapark.
Ein Rammstein-Plakat am offiziellen Merchandise-Stand im Olympiapark. © imago/Smith

"Inakzeptabel": Kim Hoss plädiert für Pause bei Rammstein-Konzerten

"Es ist für uns inakzeptabel, dass Till Lindemann mit den geplanten Konzerten eine Plattform bekommen soll, als wäre nichts geschehen", sagt Kim Hoss. Es brauche daher jetzt dringend eine Pause, die Konzerte der Band könnten ja irgendwann nachgeholt werden, an einen kompletten Abbruch der Rammstein-Tournee sei nicht gedacht.

Ihre Petition richtet sich direkt an Berliner Verantwortliche sowie an Marion Schöne, die Geschäftsführerin der Olympiapark GmbH, und an Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Man habe nicht vor, auf die Petition zu reagieren, so ein Sprecher des Olympiaparks auf AZ-Anfrage. Er verwies auf das aktualisierte offizielle Statement des Unternehmens.

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Olympiapark München GmbH aktualisiert Statement zu Rammstein-Konzerten

Dort heißt es unter anderem: "Die Olympiapark München GmbH ist bei den Konzerten ausschließlich Vermieterin des Olympiastadions. Sofern diese Konzerte nicht durch den Veranstalter oder aufgrund behördlicher Verfügungen abgesagt werden, muss sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen."

Der für die Konzerte verantwortliche Veranstalter greife das Thema sexualisierte Gewalt mit einem "Awareness-Konzept" auf. Er habe bekanntgegeben, dass es keine "Row Zero" und keine Aftershow-Partys geben werde. "Zudem sind Ansprechpartner des Veranstalters erkennbar und können bei möglichen kritischen Situationen helfen. Im Übrigen positioniert sich die Olympiapark München GmbH mit ihrem Leitbild ausdrücklich für Respekt und gegen jede Form von Gewalt."

KVR-Chefin Sammüller-Gradl: "Rechtlich ist ein Verbot der Veranstaltung nicht möglich" 

Ein direktes Feedback habe sie bis dato von keinem der in der Petition adressierten Verantwortlichen erhalten, berichtet Kim Hoss.

Hanna Sammüller-Gradl, die Chefin des Münchner Kreisverwaltungsreferats (KVR), hatte sich gegenüber der"tz" zu der gestarteten Petition geäußert: "Ich kann persönlich verstehen, dass Menschen sich wünschen, Till Lindemann nicht auf einer Bühne zu sehen. Rechtlich ist ein Verbot der Veranstaltung jedoch nicht möglich." Man habe aber alle rechtlich möglichen Maßnahmen ergriffen, Auflagen erteilt und diese engmaschig kontrolliert.

Tausende von Zuschauern beim Rammstein-Konzert im Münchner Olympiastadion.
Tausende von Zuschauern beim Rammstein-Konzert im Münchner Olympiastadion. © Sven Hoppe/dpa

Berlins Kultursenator Chialo: "Es besteht derzeit kein rechtlicher Hebel"

Berlins Kultursenator spricht sich gegen ein Verbot der in Berlin geplanten Rammstein-Konzerte aus. "Für ein Verbot der Konzerte, wie es teilweise jetzt schon gefordert wird, besteht derzeit kein rechtlicher Hebel, und wir dürfen uns an dieser Stelle nicht dazu verleiten lassen, jemanden vorzuverurteilen", wird Joe Chialo im “Tagesspiegel" zitiert.

Wie die vier München-Auftritte sind auch die für den 15., 16. und 18. Juli im Berliner Olympiastadion geplanten Konzerte jeweils ausverkauft, Aftershow-Partys soll es nicht geben.

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58 Kommentare
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  • Durchblicker am 11.06.2023 14:09 Uhr / Bewertung:

    "Wir glauben den Opfern" - das ist schon ein Widerspruch in sich, denn bislang gibt es gar keine Opfer!
    "Wichtig ist, dass wir laut sind" - kann sie gerne sein, aber ohne andere pauschal zu verunglimpfen.
    Mir scheint, bei dieser Dame liegt ein erheblicher Mangel an Reife vor. Ich bin außerdem gespannt, wie laut sie sein wird, wenn sich die Vorwürfe als unhaltbar herausstellen.

  • FFF-Nein Danke am 11.06.2023 10:07 Uhr / Bewertung:

    Frage an die Aktivisten, die jetzt gegen Rammstein vorgehen, ist es erlaubt, Kinder zu mißbrauchen, von der Kirche? Warum gehen die Aktivisten nicht mal dagegen vor?

  • Tthomas am 11.06.2023 09:00 Uhr / Bewertung:

    Der kleine Charly äußert sich mehrmals. Andere Kommentare verschwinden

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