AZ-Kritik zum ersten Rammstein-Konzert in München: Verdrängung und verachtende Frauen-Texte
München - Shelby Lynn hat es geschafft. Die Irin hat mit ihrem Gang an die Öffentlichkeit nach dem Rammstein-Konzert in Vilnius (Litauen) am 22. Mai etwas losgetreten, das an diesem Mittwochabend im Olympiastadion in München größer war als eine der größten Rockbands dieser Welt. Der Elefant, der mit im Stadion war, war so groß, dass er sogar die riesige, martialische Bühne der Band überragte.
Rammstein in München: Der riesige Elefant im Stadion
Keiner hat an diesem Abend nicht mindestens einmal darüber nachgedacht, dass sehr viele junge Frauen mittlerweile öffentlich gemacht haben, was ihnen hinter der Bühne und in Hotelzimmern passiert sein soll.
Größer war an diesem wettermäßig eigentlich traumhaft schönen Frühsommerabend vielleicht nur die Verdrängungsleistung der anwesenden rund 60.000 Konzertbesucher. Die legten sich bereits vor dem Konzert ins Zeug, um zu zeigen, was sie von den schweren Vorwürfen gegen den Sänger Till Lindemann halten.
Im Stadion: Schwarze T-Shirts, Viervierteltakt und viel Bier
Das geht dann im Stadion nochmal leichter, mit zehntausenden anderen in schwarzem T-Shirt mit Brechstangen-provokativem Spruch drauf ("Manche Führen, manche folgen"), ein paar Bier intus und diesem immergleichen, stumpfen Viervierteltakt der Band, der den Rhythmus vorgibt. Klatschen gegen #Metoo, gegen diesen ganzen "Woke-Wahnsinn" da draußen. So wirkt es im Olympiastadion an diesem Mittwochabend – und die Band macht es ihrem Publikum sehr leicht.
Jetzt erst recht. Mitgrölen bei den frauenverachtenden Textzeilen (es gibt viele davon, hier werden sie nicht wiederholt), bei den besonders "Höhö-nein-das-sind-keine-Nazis-Passagen" und immer wieder diese europaparkhaften Feuerfontänen mit Knalleffekt.
Es reicht eine kleine Bewegung Lindemanns, und das ganze Stadion hebt eifrig die Hände zum Mitklatschen. Geballte Fäuste sind sowieso dauernd in der Luft.
Mega-Konzert im Stadion: Kein Platz für Ironie
Was an diesem Konzertabend nicht da ist – wie auch bei einer Stadion-Massenveranstaltung? – ist diese so oft von Rammstein-Verteidigern behauptete Doppelbödigkeit und feine Ironie. Das weiß die Band und sie weiß damit zu spielen. Diese Ironie gibt es nicht, wenn 60.000 beim Konzert das Lied "Deutschland" mitgrölen. Und die gibt es nicht bei "Bück dich".
Was an diesem Konzertabend auch fehlt, zumindest im Vergleich zu den bisherigen Konzerten dieser Tournee, ist das Lied "Pussy" und die dazugehörige riesige Schaumkanone in Form eines Penis, die Sänger Till Lindemann zu bedienen pflegte. Das soll, so das Umfeld der Band, aus Rücksicht auf die Vorwürfe gegen Lindemann entschieden worden sein.
Soll das also die ganz im "Rammstein-Dampfhammer-Stil" gehaltene Message sein, die die Band an diesem Mittwochabend senden will, Lindemann lässt den Lümmel drin?
Auf eine Afterparty wollte die Band, so bestätigt das ihr Umfeld gegenüber der AZ, dann jedenfalls doch nicht verzichten.
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