Jeder Vierte darf mit 63 Jahren in Frührente

Noch streitet die Politik, unter welchen Voraussetzungen Versicherte mit 63 in Rente gehen können - jetzt ist klar: Jeder Vierte darf in Frührente
von  Georg Thanscheidt
Staatsekretär Jörg Asmussen: Von der Rente mit 63 profitieren zu drei Viertel Männer - nur ein Viertel der Frührentner sind Frauen.
Staatsekretär Jörg Asmussen: Von der Rente mit 63 profitieren zu drei Viertel Männer - nur ein Viertel der Frührentner sind Frauen. © dpa

Berlin - Bislang musste gerätselt werden, wie groß die Zahl derer sein mag, die von der geplanten Rente ab 63 ohne Abschläge profitieren. Jetzt hat die Regierung erstmals eine Größenordnung genannt: Bis zu 25 Prozent eines Neurentner-Jahrgangs könnten es schon werden.

Mit der abschlagfreien Rente ab 63 für besonders langjährig Versicherte könnte laut Bundesregierung künftig jeder Vierte eines Jahrgangs vorzeitig in Ruhestand gehen. „Anfänglich können rund 200 000 Personen von der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren profitieren. Davon ist schätzungsweise etwa ein Viertel Frauen“, heißt es in einer Antwort von Arbeitsstaatssekretär Jörg Asmussen (SPD) auf eine Kleine Anfrage der Grünen.

Das wären anfangs knapp 30 Prozent eines Neurentner-Jahrgangs. Die Zahl der Begünstigten wird sich der Einschätzung zufolge in den Folgejahren bei etwa 25 Prozent der Zugänge einpendeln. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte darüber zuerst berichtet.

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Aus Asmussens Sicht ist nicht damit zu rechnen, dass sich Ältere vermehrt wegen der Rente ab 63 schon mit 61 Jahren arbeitslos melden. „Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung realisieren immer mehr Unternehmen, dass ältere Erwerbstätige dringend gebraucht werden, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.“

Anzeichen, dass sich der Trend umkehre, seien nicht erkennbar, heißt es in dem Schreiben. Nach den Plänen der Regierung sollen in die für die Rente ab 63 erforderlichen 45 Beitragsjahre auch Zeiten von Kurzzeitarbeitslosigkeit eingerechnet werden.

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Kritiker sehen durch das schwarz-rote Vorhaben das Konzept der Rente ab 67 erheblich ausgehöhlt. „Scheibchenweise kommt heraus, dass deutlich mehr Menschen die neuen Ausnahmen in Anspruch nehmen können als bisher gedacht“, sagte der Grünen-Sozialexperte Markus Kurth der Zeitung.

Das Vorhaben sei zudem ungerecht, „weil es die Leute begünstigt, deren Renten deutlich über dem Durchschnitt liegen“. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wies die Kritik zurück: „Prognosen, nach denen 25 Prozent eines Jahrgangs abschlagsfrei in die Rente ab 63 gehen dürfen, bedeuten keineswegs, dass dies künftig ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich in Anspruch nehmen wird“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Sie verwies darauf, dass der abschlagfreie Rentenzugang bereits ab 2016 schrittweise auf 65 Jahre angehoben wird. Der Geburtsjahrgang 1964 kann deswegen auch mit 45 Beitragsjahren ohne Abschläge erst mit 65 Jahren in Rente gehen. Ziel könne nicht sein, „dass möglichst wenig Beschäftigte von den Verbesserungen profitieren“, meinte Buntenbach.

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Außerdem wurden nun die Weichen, dafür gestellt, dass der Rentenbeitrag nicht, wie eigentlich geboten, gesenkt wird. Dies könnte zu verfassungsrechtlichen Problemen führen und die Renten schon ab diesem Jahr nicht so stark steigen lassen wie es eigentlich der Lohnentwicklung entsprechen würde.

Im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales haben Union, SPD und Linke einem entsprechenden Gesetzesentwurf zugestimmt. Die Abgeordneten der Grünen stimmten dagegen, teilte der Pressedienst des Parlaments nach der Sitzung mit.

Ohne Gesetzesänderung hätte der Beitragssatz bereits zu Jahresbeginn auf 18,3 Prozent gesenkt werden müssen, da die Rücklagen der Rentenversicherung mit rund 32 Milliarden Euro die gesetzliche Obergrenze von 1,5 Monatsausgaben zuletzt deutlich überschritten hatten. Die Nichtabsenkung erspart der Rentenkasse Einnahmeausfälle in diesem Jahr von rund 7,5 Milliarden Euro.

Damit sollen die von Union und SPD geplanten Leistungsverbesserungen – wie die höhere Mütterrente, die abschlagfreie Rente ab 63 für besonders langjährig Versicherte und die Aufstockung der Erwerbsminderungsrenten – finanziert werden. An diesem Donnerstag soll das Vorhaben im Bundestag verabschiedet werden.

Die Absicht von Union und SPD, den Rentenbeitrag 2014 nicht zu senken, werden auch die gut 20,5 Millionen Rentner negativ zu spüren bekommen. Deren nächste Rentenerhöhung wird dadurch um knapp 0,8 Prozentpunkte geringer ausfallen.

Darauf wies die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bei einer Expertenanhörung des Deutschen Bundestages am Montag in Berlin hin. Bislang galt eine Rentenerhöhung von über zwei Prozent in Ost und West als möglich. Wegen der gut gefüllten Rentenkasse hätte der Beitragssatz bereits zu Jahresbeginn von 18,9 auf 18,3 Prozent gesenkt werden müssen – was auch die Beitragszahler entlasten würde:

Bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von 34 000 Euro im Westen läge der Entlastungsbetrag laut DRV bei 209 Euro, im Osten bei 176 Euro pro Jahr. Schwarz-Rot will die Beitragssatzsenkung durch eine Gesetzesänderung aber verhindern. Der Schritt erspart der Rentenkasse Einnahmeausfälle von etwa 7,5 Milliarden Euro.

Dieses Geld soll zur Finanzierung der verbesserten Mütterrente und der abschlagfreien Rente für langjährig Versicherte verwendet werden. Während der Deutsche Gewerkschaftsbund den Verzicht auf die Beitragssenkung begrüßte, äußerten die Arbeitgeber massive verfassungsrechtliche Bedenken.

 

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